Arbeitsmarktreform Nahles' Gesetzespläne ernten harsche Kritik

Viele Arbeitslose werden Leiharbeiter – und viele Leiharbeiter arbeitslos. Die Koalition will dem Missbrauch einen Riegel vorschieben – und scheitert aus Sicht der Opposition auf ganzer Linie.

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Die Gesetzesvorlagen der Arbeitsministerin werden heiß diskutiert und scharf kritisiert. Quelle: Reuters

Berlin Mit ihren Gesetzesplänen gegen Lohndumping hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Bundestag harsche Kritik der Opposition auf sich gezogen. Linke und Grüne verurteilten das Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen als Verhöhnung der Betroffenen und Mogelpackung. Nahles verteidigte den Entwurf bei der ersten Beratung am Donnerstag: Dem Missbrauch werde ein Riegel vorgeschoben.

Künftig gelte gleicher Lohn für Zeitarbeitnehmer ab neun Monaten Beschäftigung und eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, wenn die Tarifpartner nicht davon abweichen, erläuterte Nahles. „Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Arbeit durch Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen entwertet wird.“

Die Opposition bemängelte unter anderem, dass die meisten auch künftig keinen gleichen Lohn erreichen dürften. Denn bei zwei von drei Betroffenen ende das Arbeitsverhältnis schon nach sechs Monaten – also schon vor der Neun-Monats-Frist für gleichen Lohn („equal pay“). Tatsächlich besteht nach offiziellen Zahlen nur jedes vierte Leiharbeitsverhältnis neun Monate oder länger.

„Solche Lohndrückerinstrumente haben in diesem Land nichts zu suchen, das gehört verboten“, sagte Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Beate Müller-Gemmeke sagte: „Das ist wirklich dreist, denn von „equal pay“ wird kaum jemand profitieren.“

Knapp eine Million Arbeitnehmer sind in der Leiharbeitsbranche tätig. Der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling sagte, 29 Prozent von ihnen hätten keinen Berufsabschluss. Leiharbeit sei als Chance auf dem Jobmarkt für Benachteiligte wichtig.

Unterdessen wurde bekannt, dass Arbeitslose in keiner anderen Branche öfter einen Job finden als der Leiharbeit – und dass andererseits Beschäftigte auch aus keinem anderen Bereich öfter arbeitslos werden. Von den rund zwei Millionen Erwerbslosen, die eine reguläre Beschäftigung aufnahmen, waren im vergangenen Jahr mehr als 380 000 Leiharbeiter. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann angefragt hat.

Somit ist die Leiharbeit der Wirtschaftszweig mit den meisten Rückkehrern – knapp ein Fünftel (19,2 Prozent) entfallen auf diese Branche. Die Leiharbeitsbranche stand auch bei den Zugängen in die Arbeitslosigkeit im Jahr 2015 an erster Stelle – mit mehr als 360 000 Betroffenen oder 15,1 Prozent. Aus Zimmermanns Sicht bestätigt sich damit der Ruf der Leiharbeit als „Hire and Fire“-Branche.

Mit Nahles Gesetzentwurf sollen zudem Werkverträge besser von normalen abhängigen Arbeitsverhältnissen abgegrenzt werden.

Nahles argumentierte auch damit, dass weitergehende Verbesserungen mit der Union nicht möglich seien. Wagenknecht warf der SPD vor: „Die Fesseln der großen Koalition, die haben sie sich doch freiwillig angelegt, noch gäbe es im Bundestag andere Mehrheiten.“ Durch ihre Politik nehme die SPD in Kauf, dass sich Wähler abwenden – somit werde auch eine rot-rot-grüne Mehrheit künftig unwahrscheinlicher.

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