Armutsbericht beschlossen Deutschland ist sozial gespalten

Insgesamt geht es in Deutschland wirtschaftlich aufwärts. Doch beim ärmeren Teil der Gesellschaft kommt davon wenig an. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Armuts- und Reichtumsbericht. Es gibt weitere Missstände.

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In Deutschland besitzt die untere Hälfte nur rund ein Prozent des gesamten Nettovermögens. Quelle: dpa

Berlin Der seit Jahren anhaltende wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland kommt den Reichen zugute, während die Armen mehr oder weniger leer ausgehen. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) sagte am Mittwoch in Berlin: „Die unteren 40 Prozent der Beschäftigten haben 2015 real weniger verdient als Mitte der 90er Jahre.“ Zuvor hatte das Kabinett nach einigem Hin und Her den von ihr erstellten Fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verabschiedet.

Der Bericht, den die Bundesregierung alle vier Jahre erstellt, enthüllt zudem große Unterschiede beim Vermögen der Deutschen. „Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Netto-Vermögens. Die untere Hälfte nur ein Prozent“, erläuterte die Sozialministerin. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Oppermann, erklärte dazu: „Eine übermäßige Ungleichheit bei den Einkommen ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ökonomisch schädlich.“

Nahles legte in ihrem Bericht erstmals ein besonderes Augenmerk auf den Reichtum in Deutschland. Zuvor sei dieser in Statistiken unzureichend erfasst gewesen. Unter anderem diese Entscheidung hatte für Widerstand beim Koalitionspartner Union gesorgt.

Besonders prekär sei die Situation der Kinder. „Das Gesicht der Armut in Deutschland ist ein Kindergesicht“, sagte Nahles. Fast zwei Millionen Kinder hierzulande seien armutsgefährdet. Die Gründe dafür lägen insbesondere in eingeschränkter Erwerbstätigkeit der Eltern, heißt es in dem Bericht. So betrage das Armutsrisiko von Kindern 64 Prozent, wenn in der Familie kein Elternteil erwerbstätig ist. Arbeite ein Elternteil in Vollzeit, falle das Risiko deutlich auf etwa 15 Prozent. Die Bildungschancen hingen immer noch stark von der Herkunft ab.

Der Bericht belegt indessen eine insgesamt positive Entwicklung der sozialen Lage in Deutschland. Anhaltendes Wirtschaftswachstum habe zur niedrigsten Arbeitslosigkeit seit der deutschen Einheit beigetragen. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hat sich die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um etwa sechs Millionen Menschen erhöht.

Die Schere bei den Einkommen habe sich zudem seit Einführung des Mindestlohns 2015 wieder ein Stück geschlossen, sagte Nahles. Einen ähnlichen Effekt erhofft sie sich auch von der Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen.

Der Bericht der SPD-Politikerin hatte schon vor seiner Verabschiedung für Aufsehen gesorgt: Die erste Fassung war beim Koalitionspartner Union auf Widerstand gestoßen. In einer zweiten Fassung war dann Medienberichten zufolge unter anderem der Hinweis darauf gestrichen worden, dass einkommensstarke Gesellschaftsgruppen mehr Einfluss auf politische Entscheidungen hätten als einkommensschwache. Ebenfalls gestrichen wurde das Unterkapitel „Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbyarbeit“.

Laut Daten des Statistischen Bundesamts vom Mittwoch haben 2016 etwas weniger Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten als zuvor: rund eine Million. Die Gefahr der Altersarmut in Deutschland sei dennoch nicht gebannt, sagte Ulrike Mascher, Präsidentin den Sozialverbands VdK Deutschland.

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