Auch Schulz greift den US-Präsidenten an Deutschland wendet sich von Trumps Amerika ab

Martin Schulz greift Trump an – und unterstützt damit auch ungewollt die Bundeskanzlerin. So viel Einigkeit gibt es derzeit selten im politischen Berlin: Eine stärkere Abkoppelung Europas von den USA scheint unausweichlich.

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Der US-Präsident hast sich von seinen europäischen Partnern in vielen Punkten nicht umstimmen lassen. Quelle: Reuters

Berlin/Washington Nach den weitgehend gescheiterten Gipfeln von G7 und Nato besteht in Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit, dass sich Europa stärker von den USA emanzipieren muss. Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierten SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wie auch Spitzenpolitiker von Linken und Grünen für mehr Eigenständigkeit der Europäischen Union in der internationalen Politik.

Bei den Gipfeltreffen waren massive Differenzen zwischen US-Präsident Donald Trump und seinen Verbündeten bei Militärausgaben, Klimaschutz oder in der Flüchtlingspolitik deutlich geworden. Merkel hatte anschließend gesagt: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ Die Zeiten, in denen man sich auf andere völlig verlassen könne, seien „ein Stück weit vorbei“.

SPD-Chef Schulz warf Trump sogar „politische Erpressung“ vor. „Der neue US-Präsident setzt nicht auf internationale Kooperation, sondern auf Isolationismus und das vermeintliche Recht des Stärkeren“, schreibt Schulz in einem Beitrag für den „Tagesspiegel“. Auch er plädiert für ein stärkeres Europa.

Trumps Slogan „America first“ sei nicht nur ein Angriff auf das Prinzip des freien Handels. „America first“ heißt in der Trump'schen Logik auch: Abschied von der mühsam ausgehandelten Pariser Klimaschutzvereinbarung, Demontage der Vereinten Nationen, politische Erpressung statt internationale Diplomatie.“

Europa müsse mit Realismus, vor allem aber mit Selbstbewusstsein auf Trump reagieren, forderte Schulz. „Wir Europäer dürfen uns der Aufrüstungslogik eines Donald Trump nicht unterwerfen. Wir dürfen unser Ziel, die Globalisierung fair zu gestalten, nicht aufgeben.“ Schulz rief die Staats- und Regierungschefs dazu auf, das Pariser Klimaabkommen auf dem G-20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli gegen Trump zu verteidigen.

Kanzlerin Angela Merkel hält nach Worten ihres Sprechers Steffen Seibert auch nach dem G7-Gipfel in Taormina an engen Beziehungen zu den USA fest, macht aber auch Unterschiede deutlich. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien „ein fester Pfeiler unserer Außenpolitik“, sagte der Regierungssprecher am Montag in Berlin. Im Interesse der Beziehungen sei es aber auch wichtig, Differenzen deutlich zu benennen.


„Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen“

Linke-Chefin Katja Kipping bezeichnete Trump als „infantilen Narzissten“. Deutschland müsse nun „mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA“ aufhören und „eine klare Kante gegen das Aufrüstungs-Diktat von Trump“ zeigen, sagte sie der „Bild“-Zeitung (Montag).Der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin stellte sogar die Partnerschaft mit Trump in der „Bild“ grundsätzlich in Frage: „Ein Nationalist kann kein Partner sein in einer Welt, die nach mehr und nicht nach weniger internationaler Kooperation verlangt.“

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, erwartet angesichts der Blockadepolitik von US-Präsident Donald Trump „unangenehme Zeiten“. Europa müsse jetzt unter deutscher und französischer Führung vorangehen, sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk Kultur.

In den USA wurde Merkels Rede mit großer Aufmerksamkeit registriert. In den wichtigen Medien war sie eines der größten Themen und löste eine größere Debatte aus, die wiederum von einigen Kommentatoren als übertrieben bezeichnet wurde.

Die Kolumnistin Anne Applebaum schrieb auf Twitter: „Seit 1945 haben erst die UdSSR und dann Russland versucht, einen Keil zwischen Deutschland und die USA zu treiben. Dank Trump hat Putin es geschafft.“ Der New Yorker Medienwissenschaftler Jeff Jarvis kommentierte Merkels Ansprache auf Twitter: „Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte. Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern – und Trump.“

Dike britische Innenministerin Amber Rudd der Kanzlerin trotz des geplanten Brexits ihre volle Unterstützung zugesagt. Großbritannien werde Deutschland und Europa weiter als starker Partner in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen zur Seite stehen, sagte Rudd dem Sender BBC am Montag. „Wir können Frau Merkel versichern, dass wir eine tiefgehende und besondere Partnerschaft anstreben, um die Sicherheit in ganz Europa weiterhin aufrechterhalten zu können“, so die britische Innenministerin. Es gelte, „uns alle gegen Terroristen aus dem Ausland zu schützen“ sowie gegen Gefahren im eigenen Land. Die bevorstehenden Gespräche zum EU-Austritt seien die wichtigsten Verhandlungen in Großbritannien seit Jahrzehnten, sagte Rudd dem Sender. Dabei wolle man alles richtig machen.

Nach dem G7-Gipfel hatte die CDU-Vorsitzende Merkel am Sonntag bei einer Wahlkampfveranstaltung in München gesagt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Daher müssten die Europäer in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.

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