Auflösung der Saar-AfD „Eine Amputation, die die gesamte Partei schwächt“

Die Spitze der Saar-AfD ist für den Geschmack der Bundespartei zu weit nach rechts abgedriftet. Dass nun der Landesverband aufgelöst wird, birgt jedoch Risiken für die gesamte Partei, sagt ein Parteienrechtler.

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Alle gegen einen: Der AfD-Bundesvorstand hat die Auflösung des saarländischen Landesverbandes beschlossen. Quelle: dpa

Berlin Nach Einschätzung des Düsseldorfer Parteienrechtlers Martin Morlok könnten der AfD mit der Auflösung des saarländischen Landesverbandes wirtschaftliche Nachteile entstehen. „Die Auflösung des Landesverbands ist wie eine Amputation, wodurch die gesamte Partei geschwächt wird. Denn ein Landesverband, der nicht mehr existiert, kann keine Spenden mehr einwerben“, sagte Morlok dem Handelsblatt.

Zudem könnten auch keine Kandidaten mehr aufgestellt werden - weder für eine Landtags- noch für eine Bundestagswahl, auch wenn die Mitglieder des Landesverbands weiter der AfD angehörten. „Die AfD“, so Morlok, „nimmt eine Selbstschädigung in organisatorischer Hinsicht in Kauf, um den politischen Schaden zu begrenzen.“ In der vergangenen Woche hatte der AfD-Bundesvorstand den Saar-Landesverband der rechtspopulistischen Partei wegen angeblicher Kontakte zu Rechtsextremen aufgelöst.

Morlok sprach von einer ungewöhnlich harten Maßnahme der AfD-Spitze. „Wenn einzelne Vorstandsmitglieder gegen die Parteiordnung verstoßen, wäre als milderes Mittel auch die Amtsenthebung des Landesvorstands möglich gewesen“, sagte er. „Aber wahrscheinlich gibt es mehr faule Eier in dem Landesverband.“ Gleichwohl sei die Verbandsauflösung nicht ohne Risiko. „Wenn der Bundesparteitag die Auflösung nicht bestätigt, ist der Beschluss unwirksam. Das Schiedsgericht könnte den Auflösungsbeschluss schon vorher aufheben“, sagte Morlok.

Der Auflösung des Landesverbandes sollen nach dem Willen der AfD-Bundesspitze weitere Schritte folgen. Sie will den entmachteten Saar-Landesvorsitzenden Josef Dörr und dessen Vize Lutz Hecker aus der Partei rauswerfen. Der Bundesvorstand habe ein Parteiausschlussverfahren gegen die beiden in die Wege geleitet, bestätigte AfD-Sprecher Christian Lüth am Mittwoch.

„Ich weiß noch nichts von einem Parteiausschlussverfahren“, sagte Dörr dazu der Nachrichtenagentur dpa. Wenn es so wäre, würde er dagegen Einspruch einlegen. „Das ist ungerechtfertigt, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen“, sagte er zu den Vorwürfen.

Dörr hatte bereits gegen die Auflösung des Landesverbandes protestiert. „Die Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen“, sagte er. „Deshalb haben wir das Bundesschiedsgericht angerufen, um eine aufschiebende Wirkung zu beantragen und natürlich, um der Sache an sich zu widersprechen.“


„Das ist so eine etwas sonderbare Kultur“

Kontakt mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry oder anderen Mitgliedern des Bundesvorstands habe er nach dem Beschluss nicht gehabt. In seiner einjährigen Amtszeit habe er noch nie einen Anruf von einem Mitglied aus dem Bundesvorstand bekommen. „Das ist so eine etwas sonderbare Kultur“, sagte Dörr.

Der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland (AfD) hatte seinen Schritt am Donnerstag damit begründet, dass es „schwerwiegende Verstöße gegen die politische Zielsetzung und die innere Ordnung der Partei“ gegeben habe. Vorausgegangen waren Recherchen des Magazins „Stern“ über Beziehungen von Dörr und seinem Stellvertreter Hecker zu Rechtsextremen.

Beide standen demnach im vergangenen Herbst in engem Kontakt zum früheren stellvertretenden rheinland-pfälzischen NPD-Vorsitzenden Sascha Wagner und zu Ulrike Reinhardt, einer Aktivistin der „Pfälzer Spaziergänger“. Diese Gruppierung protestiert gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und wird nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ebenfalls von der NPD dominiert.

In der AfD-Mitteilung hieß es nun, nachdem ein „Investigativ-Magazin“ handfeste Belege getwittert habe, erführen mehrere Vorgänge im Landesverband eine Neubewertung. Als Ergebnis sehe der Bundesvorstand keine andere Möglichkeit als die Auflösung des Landesverbandes.


„Wir mussten hier durchgreifen“

Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen sagte: „Wir mussten hier durchgreifen. In der AfD gibt es keine Duldung von Kontakten in das rechtsextreme Milieu.“ Wer dagegen verstoße, müsse die Konsequenzen tragen.

Der Sprecher des Landesverbandes, Rolf Müller, erklärte, man werde auf jeden Fall vor das Bundesschiedsgericht ziehen. „Wir sind uns keiner Schuld bewusst.“ Seinen Angaben zufolge hat die AfD im Saarland rund 320 Mitglieder.

Der Bundesvorstand hatte die Vorgänge im Saarland eigenen Angaben zufolge seit Monaten untersucht. Die Parteispitze sei gewillt, die politischen Grundsätze und die innere Ordnung der Partei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu wahren, teilte die AfD mit.

Dörr und Hecker hatten auf Drängen des Bundesvorstandes zunächst ihre Ämter ruhen lassen, später aber erklärt, sie seien wieder im Amt. Einem Bericht der „Saarbrücker Zeitung“ zufolge plante der Landesvorstand, bei einem Parteitag am 17. April geschlossen zurück- und dann gleich wieder zur Neuwahl anzutreten.

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