Auszeichnung Wer bekommt den Wirtschaftsnobelpreis?

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Die möglichen Preisträger

Kleine und große Nobelpreis-Skandale
Barack ObamaAls der frischgewählte US-Präsident Barack Obama 2009 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, hagelte es Kritik. Kritiker fragte, für welche Leistung er den Preis erhält. Für Guantanamo? Für Afghanistan? Für den Irak? All diese Kriege und Menschenrechtsverletzungen gehen auch auf die Kappe Barack Obamas. Das fünfköpfige Nobelpreiskomitee begründete seine Wahl Mit den Worten: "Barack Obama erhält den Preis für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen Völkern zu stärken". Selten zuvor habe eine Persönlichkeit so sehr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermittelt und die Aufmerksamkeit der Welt in Bann gezogen. Quelle: AP
Jean-Paul Sartre1964 lehnte der französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre als bisher einziger der seit 1901 ausgewählten Preisträgern den Nobelpreis für Literatur freiwillig ab. Er erklärte stolz: "Jeder Preis macht abhängig." Das Preisgeld hätte er elf Jahre später trotzdem gerne gehabt. Mitte der 70er Jahre fragte Sartre beim Nobelkomitee diskret an, ob man ihm nicht nachträglich die Dotierung von 273.000 schwedischen Kronen überweisen könne. Quelle: AP
Ralph M. Steinman Als das Komitee 2011 den Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin bekannt gab, war der Preisträger Ralph M. Steinman bereits seit drei Tagen tot. Wie es dazu kommen konnte, dass Steinman neben seinen Kollegen Bruce A. Beutler und Jules A. Hoffmann als Preisträger verkündet wurde, konnten die überrumpelten Schweden damals nicht erklären. Der Tod des Kanadiers war ihnen nicht bekannt gewesen. Der Preis wurde Steinman postum verliehen. Quelle: REUTERS
Boris PasternakVor Jean-Paul Sartre lehnte auch der Schriftsteller Boris Pasternak den Literaturnobelpreis ab. Allerdings geschah dies nicht freiwillig, sondern 1958 auf Druck des Kreml. Die Sowjetführung hatte damals gemutmaßt, der ausgezeichnete Roman "Dr. Schiwago" sei vom amerikanischen Geheimdienstes CIA finanziell gefördert worden. Quelle: dpa-tmn
Verschmähte LiteratenAls einer der größten Skandale der Nobel-Geschichte gilt die Vergabe des Literaturnobelpreises. Immer wieder machen Kritiker darauf aufmerksam, dass Größen der Literaturgeschichte nie berücksichtigt wurden, während andere zwar den Preis erhielten, danach aber keine Rolle mehr spielten. Weder Leo Tolstoi (im Bild), noch James Joyce, Virginia Woolf, Marcel Proust, Henrik Ibsen oder der Schwede August Strindberg haben den Preis je zuerkannt bekommen. Längst vergessen ist hingegen die italienische Autorin Grazzia Deledda, die 1927 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Quelle: dpa
Dario FoEher ein kleiner Skandal war die Vergabe des Literaturnobelpreises an Dario Fo. Der Italiener erhielt 1996 als erster Dramatiker den begehrten Preis. Damit hatte damals niemand gerechnet. Vor ihm ging die Auszeichnung immer an Romanautoren und Lyriker. Mit einer Ausnahme: 1953 ging der Literaturnobelpreis an den britischen Ex-Premierminister Winston Churchill. Quelle: dpa/dpaweb
Liu Xiaobo2010 gab das Nobelpreis-Komitee bekannt, dass Liu Xiaobo (mit seiner Frau Liu Xia im Bild) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Die Wahl begründeten die Mitglieder mit seinem „langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China“. Zu dieser Zeit saß der Menschenrechtler bereits im Gefängnis. Die chinesische Regierung ließ ihn wegen Untergrabung der Menschenrechte festnehmen. Xiaobo hatte gemeinsam mit über 300 anderen Menschenrechtlern eine Charta zum Internationalen Tag der Menschenrechte veröffentlicht. Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg gratulierte dem Preisträger damals, enthielt sich jedoch jeglicher Kritik an Peking. Quelle: REUTERS

Wen sollte das Nobelkomitee dieses Jahr also aufs Schild heben, um eine Bresche für den Markt zu schlagen? Vier Ökonomen bieten sich an.

Robert Barro:

Barro ist einer der bedeutendsten Ökonomen der Gegenwart. Der an der US-Eliteuni Harvard ausgebildete und dort seit 1986 lehrende Professor hat sich in der Makroökonomie mit bahnbrechenden Arbeiten hervorgetan. So gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Theorie der rationalen Erwartungen, der zufolge die Menschen die ökonomischen Folgen staatlichen Handelns vollständig in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Barros Arbeit von 1974 zu den Folgen der Staatsverschuldung zählt zu den meistzitierten Werken der Ökonomie überhaupt. Zudem hat sich Barro mit den Determinanten des Wirtschaftswachstums und der Real-Business-Cycle-Theorie beschäftigt; diese untersucht, wie sich reale Schocks auf die Konjunktur auswirken. Barro zählt zu den Vertretern der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, die staatlichen Eingriffen skeptisch gegenübersteht. Trotz der weltweiten Renaissance keynesianischen Gedankenguts ist er dieser Linie treu geblieben. Eine Entscheidung für Barro wäre eine Entscheidung gegen den Etatistmus und für freie Märkte.

Alberto Alesina:

Alesina ist Professor für politische Ökonomie an der US-Eliteuni Harvard. Er hat in umfangreichen empirischen und theoretischen Studien die Zusammenhänge zwischen politischen und makroökonomischen Entwicklungen untersucht. Dabei geht es um die Auswirkungen der wirtschaftlichen Situation auf das Wahlverhalten ebenso wie um die Folgen staatlicher Haushaltsdefizite auf das Wachstum. Alesina hat in seinen Forschungsarbeiten sogenannte nicht-keynesianische Effekte der Finanzpolitik nachgewiesen. Danach haben Maßnahmen der staatlichen Haushaltskonsolidierung positive Effekte auf die Konjunktur. Der Grund: Die Bürger rechnen wegen der geringeren Staatsschulden mit einer geringeren Steuerbelastung und höheren Einkommen in der Zukunft - und konsumieren mehr. Die Preisvergabe an Alesina gäbe all jenen Politikern Rückenwind, die die Staatshaushalte sanieren wollen.

John Taylor:

Taylor ist Professor an der Universität in Stanford, USA. Er ist einer der weltweit profiliertesten Experten für Geldtheorie und Geldpolitik. Bereits Ende der Siebzigerjahre legte er die Grundlagen für die Neukeynesianische Ökonomie, die rationale Erwartungen mit der Annahme starrer Löhne und Preise verbindet. Einem breiten Publikum bekannt wurde Taylor durch die von ihm entwickelte Taylor-Regel, die das Zinssetzungsverhalten von Zentralbanken beschreibt. Danach variiert eine effizient handelnde Zentralbank den Zinssatz so, dass die Abweichungen der Inflation und des Wirtschaftswachstums von ihren Zielwerten minimiert werden. Heute dient die Taylor-Regel vielen Zentralbanken als Entscheidungsgrundlage. Taylor ist auch ein politisch denkender und handelnder Mensch. Er war Staatssekretär im US-Finanzministerium unter George W. Bush. Zuletzt hat Taylor für Wirbel gesorgt, weil er der US-Notenbank Fed die Hauptschuld am Entstehen der Finanzkrise gab. Eine Auszeichnung Taylors mit dem Nobelpreis wäre ein Tritt vor das Schienbein all jener Zentralbanker, die in der ungehemmten Ausweitung der Geldmenge ein Allheilmittel gegen die Finanzkrise sehen.

Jagdish Bhagwati:

Der aus Indien stammende Ökonom, der an der Columbia-Universität in New York lehrt, hat zwar nicht die bahnbrechende Neuerung in der Ökonomie entwickelt. Doch als Experte für Außenwirtschafts-, Migrations- und Globalisierungsfragen hat sich Bhagwati wie kein anderer vehement und öffentlichkeitswirksam für die Globalisierung und den Freihandel eingesetzt. Im Laufe seiner Karriere hat Bhagwati sich als wirtschaftspolitischer Berater betätigt, unter anderem für die Welthandelsorganisation und die Vereinten Nationen. Der Nobelpreis für Bhagwati wäre ein starkes Statement für Freihandel und Freizügigkeit, zwei Errungenschaften, die im Zuge der Finanzkrise und der zunehmenden Abschottungstendenzen auf dem Spiel stehen.

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