Automatisiertes Fahren SPD verärgert über Dobrindt-Vorstoß

Obwohl Verkehrsminister Dobrindt viele offene Fragen der SPD zum automatisierten noch nicht beantwortet, hat sich offenbar in der Haftungsfrage festgelegt. Das sorgt für Unmut – auch in der Opposition.

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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) testet in Ingolstadt (Bayern) einen selbstfahrenden Audi A7 (Archivbild vom 10.04.2015). Quelle: dpa

Berlin In der Debatte um fahrerlose Autos bahnt sich ein neuer Streit an. Grund ist, dass sich das Bundesverkehrsministerium in Bezug auf Haftungsfragen offenbar festgelegt hat. Das geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Obwohl die Ressortabstimmung über einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes noch andauert, erklärt das Ressort von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun in seiner Antwort: „Die ordnungsgemäße Nutzung automatisierter und vernetzter Fahrzeuge darf nach Auffassung der Bundesregierung für sich gesehen gegenüber dem Fahrer den Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht begründen; ihm sollen hierdurch keine zusätzlichen Haftungsrisiken aufgebürdet werden.“

Das SPD-geführte Justizministerium war bisher immer der Auffassung, dass Gerichte im Einzelfall entscheiden sollten, ob für einen Unfall der Fahrer oder das Fahrzeug verantwortlich zu machen ist. Entsprechen gereizt reagieren nun die Sozialdemokraten.

Dobrindt sei „noch immer Antworten schuldig auf einen Fragenkatalog, die wir Abgeordnete seitens der SPD an das Verkehrsministerium gesandt haben“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem Handelsblatt.  Dies betreffe auch Fragen bezüglich der Haftung der verschiedenen Beteiligten. „Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass das Haus von Bundesminister Dobrindt nun angeblich diese Vorfestlegungen trifft“, kritisierte Fechner. „Aus meiner Sicht sind noch zahlreiche Fragen offen.“

In der Haftungsfrage hatte Dobrindt sich schon vor Monaten positioniert. In einem Strategiepapier schrieb er damals fest, dass Autofahrer in Deutschland künftig einen Teil ihrer rechtlichen Verantwortung an den Computer abgeben können, wenn sie automatisierte Fahrsysteme nutzen. Verursacht ein Autopilot einen Unfall, könnte demnach der Fahrer dann nicht mehr beschuldigt werden, seine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.

Dobrindt will auch verbindliche ethische Regeln für die Computersteuerung der Fahrzeuge ohne Fahrer festlegen. Dafür soll, so der Plan, eine Ethik-Kommission Leitlinien für Algorithmen entwickeln, nach denen Autos in Risikosituationen reagieren. Die Automobilbranche stehe vor der „größten Mobilitätsrevolution seit Jahrzehnten“, hieß es damals in dem Papier des Ministers.


Grüne: Bundesregierung will Parlament übergehen

Der Gesetzentwurf, der sich derzeit in der Ressortabstimmung befindet, legt mit Blick auf Haftungsfragen auch  fest, fass in den Fahrzeugen eine Art Blackbox aufzeichnen soll, wann der Computer gesteuert hat und wann der Mensch. Die Daten soll die Polizei bei Kontrollen einsehen dürfen - allerdings nicht komplett, sondern nur im „notwendigen Maß“. Dies soll ebenfalls für Unfallgegner gelten, wenn es zu einem Zusammenstoß gekommen ist. Allgemein müssen Daten in dem Speichermedium nach drei Jahren gelöscht werden.

Aus Sicht Fechners müsse „klar geregelt sein, für was der Autofahrer verantwortlich ist“, wenn er die Hände vom Lenkrad nehme und an die Technik abgebe.  „Angesichts der derzeit noch beschränkten Fähigkeiten der Technik muss der Fahrer immer in der Lage sein, in kritischen Situationen rechtzeitig die Steuerung des Autos wieder zu übernehmen.“ Ob tatsächlich Änderungsbedarf im bewährten Haftungssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht, sei noch offen, so Fechner weiter. „Gerichte werden allerdings auch zukünftig im Einzelfall prüfen, ob Unfallbeteiligte Sorgfaltspflichten verletzt haben“, betonte er.

Mit Blick auf den Datenschutz besteht die SPD darauf, dass keine Bewegungsprofile von Personen ohne deren Einwilligung erstellt werden können. „Personenbezogene Daten dürfen deshalb nur mit Zustimmung der Fahrer weitergegeben werden“, sagte Fechner. Er teile daher die Einschätzung des Verkehrsgerichtstags, dass Verbraucher umfassend aufgeklärt werden müssten, welche Daten erhoben werden und wer diese Daten erhalten soll. „Der Verbraucher muss über seine personenbezogenen Daten die Hoheit behalten“, betonte der SPD-Politiker. „Nur so lässt sich die Gefahr des Datenmissbrauchs verhindern.“

Die Grünen-Politikerin Künast warf der Bundesregierung vor, das Parlament bei der „Sicherstellung des Datenschutzes und der Datensicherheit in automatisierten und vernetzten Fahrzeugen“ zu übergehen. Das Verkehrsministerium verweise lediglich auf Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts und spreche gleichzeitig von einer „historischen Mobilitätsrevolution“. „Die Zuleitung des Gesetzentwurfes an das Parlament und die Öffentlichkeit ist überfällig“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses dem Handelsblatt. „Doch hier wird hinter verschlossenen Türen über die Zukunft unserer Daten verhandelt.“

Als „besonders enttäuschend“ bezeichnete es Künast zudem, dass Dobrindt auch grundlegende Fragen in der Ethikkommission zum automatisierten Fahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit klären wolle. „Was wir dringend brauchen ist aber eine breite öffentliche Debatte zu Fragen des Datenschutzes und zur Haftung“, sagte die Grünen-Politikerin.

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