Sobald die Anwendungen aber komfortabler als Bargeld werden, dürften Nutzer ihre Sicherheitsbedenken hintanstellen, sagt Bajorat: „Auch gegen das Chatprogramm WhatsApp haben viele Nutzer rebelliert. Sie nutzen es aber weiter, weil es einfach zu bequem ist“, sagt er. „Das wird beim mobilen Bezahlen auch passieren.“
Der Übergang vom Bargeld in die digitale Zukunft könnte in drei Phasen laufen – von der Zahlkarte über das Smartphone bis hin zu digitalen Währungen. Die USA oder Schweden sind weit vorn. Die Deutschen sträuben sich noch gegen die erste Phase.
6,5 Millionen Passagiere fahren jeden Tag mit Bussen durch London. Heute gehöre ich dazu. Am Tower steige ich in die Touristenlinie Nummer 15, vorbei an der St. Paul’s Cathedral bis Piccadilly Circus. Anstatt mit Pfundmünzen mein Busticket beim Fahrer zu kaufen, halte ich eine Plastikkarte, die Oystercard, an ein untertassengroßes Lesegerät. Schon werden 2,30 Pfund abgebucht. Phase eins der Zukunft des Geldes. Die Londoner Verkehrsbetriebe machen vor, wie radikal eine Abkehr vom Bargeld funktionieren kann. Seit dem Sommer bekommen auch Touristen in Londoner Bussen keine Tickets mehr gegen Bargeld. Sie müssen entweder mit einer Oystercard bezahlen, oder sie nutzen ihre Kreditkarte, die für kontaktloses Zahlen (NFC) ausgerüstet ist. Bei kleinen Beträgen bis maximal 25 Euro muss eine solche Zahlung nicht einmal mit PIN oder Unterschrift bestätigt werden.
Aus welchen Gründen Amerikaner auf das Bezahlen per Handy verzichten
Befragt wurden 1386 US-Amerikaner über 18, die auf das mobile Bezahlen per App verzichteten.
Quelle: Thrive Analytics/Statista
7 Prozent fanden es zu zeitaufwändig, ihr Smartphone für mobiles Bezahlen einzurichten.
8 Prozent sagten, ihr Handy biete nicht die nötigen Voraussetzungen, um mobile Bezahldienste zu nutzen.
18 Prozent sahen keinen Vorteil in der neuen Zahlungsmethode.
32 Prozent sagten, sie hätten schlichtweg noch nicht darüber nachgedacht.
37 Prozent antworteten, sie fänden es einfacher, mit Geld- oder Kreditkarte zu zahlen.
46 Prozent gaben an, auf das Bezahlen per Handy zu verzichten, weil sie sich Sorgen um die Sicherheit dieser Zahlungsmethode machen.
6 Prozent nannten "andere Gründe".
Das Unternehmen Exceet entwickelt und fertigt in seinen Werken nicht nur die Londoner Oystercards sondern auch NFC-Kreditkarten. Aus einem Stapel Plastikbögen, dünn wie Papier, die stetig das Bargeld ersetzen. Aufbauend auf den Erfahrungen mit der Zahlkarte aus London, entwickelt Exceet-Chef Ulrich Reutner gerade mit der Stadt Stuttgart eine Multifunktionskarte. Kunden der BW Bank sollen ab Sommer mit ihrer Karte auch Leihautos bei Car2go von Mercedes bekommen, ihre Bus-Tickets speichern, Bücher in der Bibliothek ausleihen und Eintritt fürs Schwimmbad abrechnen.
Dass Smartphones solche Zahlkarten bald ersetzen, mag Reutner nicht glauben. Die Mobil-Fraktion sieht das naturgemäß anders: „Projekte wie das in Stuttgart sind interessant, aber nur Übergangslösungen“, sagt Bajorat von Figo. „Karten sind erst mal offline, Updates lassen sich dort schwieriger umsetzen als bei digitalen Karten auf dem Smartphone“, sagt Christian von Hammel-Bonten, Manager für Mobile Payment bei Wirecard in München.
Zurück in Berlin. Bei Polly Paper, einem „umweltfreundlichen Schreibwarenladen“ suche ich mir eine Fairtrade-Klappkarte für 5,90 Euro aus, gehe zur Kasse und hole wieder mein Smartphone aus der Tasche. Wie im Café der Buchhandlung kann ich auch hier mit der PayPal-App bezahlen. Der Konzern testet seit 2013 in Berlin die Zahlung via Smartphone. In der App können Kunden digitales Guthaben aufladen oder ihre Kredit- und EC-Kartendaten hinterlegen, um zu bezahlen. Die zweite Phase der Zukunft unseres Geldes. An der Kasse kommt mein Handy nicht ins Internet – noch bin ich mittellos, kann in der PayPal-App nicht mal das Geschäft anwählen, in dem ich einkaufe. Ich warte. „Vielleicht ist die Verbindung vor der Tür besser?“, fragt Besitzerin Polly Schmincke. Tatsächlich: Draußen kann ich den Laden anklicken. Zurück am Kassen-Tablet sehen Schmincke und womöglich auch andere Kunden auf dem Tablet, dass Sebastian K. hier bezahlen möchte. Dazu wird mein Profilfoto aus der App gezeigt. Schmincke vergleicht mein Gesicht mit dem Foto, okay. Wisch über das Display, und schon poppt die Zahlung in der App auf. Wirklich einfach.
Doch dann werde ich überrumpelt. Auch die Geschäftsführerin kann in ihrer E-Mail-Bestätigung alle Details zur Zahlung sehen, mit meinem vollen Namen und der Mailadresse. Dass meine Daten bei PayPal liegen, weiß ich, dass die Kasse alles preisgibt, hatte ich nicht erwartet.
Händler sparen mit den neuen Zahlmethoden vor allem Zeit an der Kasse und Kosten. Die Zahlung über die App ist für sie kostenlos – noch. Für jede Kreditkartenzahlung werden Händlern dagegen 1,5 bis 3,0 Prozent des Umsatzes berechnet. Die EU will die Gebühren bei 0,3 Prozent deckeln.