Professor Siekmann, Politiker wollen den Bargeldverkehr einschränken. Geht das so einfach? Schließlich ist Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel.
Helmut Siekmann: Die Politik nimmt die kleinen Münzen und besonders großen Scheine ins Visier. Gleich eine komplette Abschaffung zu fordern, würde sich in Deutschland wohl noch kein Politiker trauen. Für einen solchen Schritt müsste Deutschland das Bundesbankgesetz ändern und die Europäische Union den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Das wäre nur mit Zustimmung aller EU-Staaten möglich.
Was bedeutet die Definition des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel?
Diese Definition hat an erster Stelle Bedeutung für zivilrechtliche Schuldverhältnisse. Gläubiger müssen Euro-Banknoten zur Begleichung ihrer Forderungen annehmen. Lieferanten, Vermieter oder Arbeitnehmer können also keine anderen Gegenleistungen verlangen als Bargeld, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist. Staatliche Kassen müssen ebenfalls eine Zahlstelle anbieten, bei der öffentlich Abgaben bar und entgeltfrei geleistet werden können.
Ist Bargeld nicht genau das, was die Gläubiger wollen? Der Staat muss doch niemanden verpflichten, es anzunehmen.
Da muss ich Sie korrigieren. Längst nicht alle Gläubiger wollen Bargeld. Die meisten verlangen Banküberweisungen, weil das für sie praktischer und billiger ist. Das gilt auch für staatliche Einrichtungen. Auch bei Arbeitnehmern waren Lohntüten sehr beliebt. Die Umstellung auf bargeldlose Zahlungen wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass die Genossenschaftsbanken mit ihrer Institutssicherung und die Sparkassen, gesichert durch die öffentlich-rechtliche Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, entgeltfreie Gehaltskonten anboten. Später kamen die ebenfalls sicheren Bankdienste der damaligen Deutschen Bundespost hinzu.
Zur Person
Helmut Siekmann ist seit 2006 Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht am Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) an der Goethe-Universität Frankfurt.
Ist der Banknotenzwang noch zeitgemäß? Gerade bei großen Beträgen und räumlicher Distanz zwischen Schuldner und Gläubiger ist Bargeld doch ungeheuer umständlich.
Richtig. Andererseits macht Bargeld die Bürger unabhängiger vom Bankensystem. Die Scheine sind ein Weg, Kontoguthaben wieder aus dem Finanzsektor abzuziehen. Und Personen, die kein Konto bekommen, ermöglicht erst Bargeld die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben. Anders als Banken diskriminieren gesetzliche Zahlungsmittel nicht. Das trifft zum Beispiel auf Geringverdiener zu oder auf Besucher, Einwanderer oder politisch missliebige Personen. Ihnen wurde und wird immer wieder die Einrichtung eines Kontos verweigert oder bestehende Konten gekündigt.
Bargeld-Abschaffung verfassungsrechtlich bedenklich
Für die vernachlässigte Zielgruppe will die Regierung den Banken sogenannte Jedermann-Konten vorschreiben.
Diese Konten gab es bereits bei der ehemaligen Bundespost und sie waren sehr kostengünstig und insolvenzsicher. Im Grundsatz waren auch die öffentlich-rechtlichen Sparkassen zur Einrichtung solcher Konten verpflichtet, sie haben es aber immer wieder auf Gerichtsverfahren ankommen lassen. Deshalb sehe ich Anzeichen, dass die Einschränkung oder Abschaffung des Bargelds von der Regierung strategisch vorbereitet ist. Denn wenn sie die Banknoten abschafft, muss sie jedem Bürger ein Konto garantieren. Anders hätte die zuvor auf Bargeld angewiesene Zielgruppe keine Chance mehr, am Finanzverkehr teilzunehmen. Aber auch dann bleibt das Insolvenzrisiko, da Anstaltslast und Gewährträgerhaftung sowie die Bankdienste der Post abgeschafft worden sind. Die bisher geschaffenen Einrichtungen der Einlagensicherung sind kein hinreichender Ersatz dafür. Als nächster Schritt müsste zudem der Besitz von Münzen und Edelmetallen oder ausländischem Geld verboten werden. Auch das hat es in der Vergangenheit schon gegeben, vor allem in totalitären Herrschaftssystemen.
Die interessante Frage an Sie als Juristen wäre jetzt, ob aus der Definition des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel eine Verpflichtung des Staates abzuleiten ist, dessen Bestand zu garantieren?
Es ist bisher im rechtswissenschaftlichen Schrifttum kaum diskutiert worden, ob es gesetzliche Zahlungsmittel in der Form von physischen Geldzeichen, also meist Noten und Münzen, geben muss. Eine ersatzlose Abschaffung wäre jedenfalls nach meiner Auffassung kaum mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, sofern es mit einem Verbot des Besitzes und der Verwendung von Edelmetallen und ausländischen Zahlungsmitteln verbunden wäre.
Ist denn die jüngst diskutierte Einschränkung des Bargeldverkehrs rechtswidrig, also die Abschaffung der 500er-Scheine oder der Kleinmünzen und die Limitierung von Barzahlungen auf 5000 Euro?
Die Abschaffung der 500-Euro-Scheine wäre auf den ersten Blick nicht rechtswidrig. Allerdings zielt diese Maßnahme wohl auch darauf ab, das Horten von Bargeld teurer zu machen, um damit höhere Negativzinsen durchsetzen zu können. Es stellt sich dann aber die Frage, ob die EZB ein „Inflationsziel“ verfolgen darf und ob sie nicht Wirtschaftspolitik betreibt, für die sie nicht zuständig ist. Das Verbot der Bezahlung von Forderungen über 5000 Euro ist europarechtlich und verfassungsrechtlich noch bedenklicher.