Bauboom in Deutschland Geplante Finanzspritzen treiben Immobilienpreise

Die Bundesregierung will den Traum von den eigenen vier Wänden finanziell mal wieder fördern. Doch die Pläne treiben gleichzeitig die Kosten, statt sie bezahlbar zu machen.

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Mieten oder kaufen? Die größten deutschen Städte im Test
Das Essener Wahrzeichen, der Förderturm der ehemaligen Zeche und des heutigen Museums Zeche Zollverein Quelle: dpa
Das "U" auf dem Dach der Unions-Brauerei Quelle: dpa
Skyline von Düsseldorf im Winter Quelle: dpa
Bremer Marktplatz Quelle: dpa
Blick über den Rhein auf Köln Quelle: dpa
Menschen auf dem Schlossplatz in Stuttgart Quelle: dpa
Neues Rathaus in Hannover Quelle: dpa

Die Immobilienpreise? Kennen seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Die Steuern, die beim Kauf fällig sind? Klettern und klettern. Wer lieber selber bauen möchte? Muss immer strengere und damit teurere Energiesparauflagen erfüllen. Wer jetzt überhaupt noch in Boomgegenden ins Rennen um eine Wohnung oder ein Häuschen einsteigt, bei dem stellt sich schnell Ernüchterung ein: Für viele Deutsche, auch und gerade aus der Mittelschicht, bleibt der Lebenstraum vom Eigentum unerfüllbar. Trotz extrem niedriger Hypothekenzinsen.

Wie wohnst du – das ist wieder eine soziale Frage geworden. Und die große Koalition ist offenbar fest entschlossen, noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 milliardenschwere Antworten anzubieten, vor allem für Familien mit Wunsch nach Eigentum.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) war die Erste, die konkret wurde. Die Sozialdemokratin stellte ein Baukindergeld zwischen 8000 und 20 000 Euro in Aussicht – variabel je nach Zahl der Sprösslinge und konzentriert auf Regionen mit hohen Baupreisen. Hendricks, so heißt es in Regierungskreisen, will noch vor Weihnachten ihr Konzept für bau- und kaufwillige Familien vorstellen, abgestimmt mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Die teuersten und günstigsten Stadtteile der Metropolen

Offenbar ist die Koalition sogar willens, Familien nicht nur in überhitzten Märkten unter die Arme zu greifen, sondern weiter zu gehen. „Wir diskutieren, die Förderung auch auf Regionen auszuweiten, die schrumpfen“, heißt es in Regierungskreisen. Möglicherweise wird der Zuschuss sogar ganz ohne Einschränkungen bundesweit gezahlt, wenn Schäuble genügend Geld bewilligt. Noch aber gibt es keine Einigung, betont das Finanzministerium.

SPD- und Unionspolitiker sind sich im Grundsatz weitgehend einig. Die CDU will auf ihrem Parteitag Anfang Dezember beschließen, dass Familien überall in Deutschland in den Genuss „einer ergänzenden kinderbezogenen Zahlung“ kommen, die „die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum finanziell erleichtern soll“. Der fürs Bauen zuständige Unionsfraktionsvize im Bundestag, Georg Nüßlein (CSU), verlangt: „Wir müssen für alle Familien etwas tun, auch für die im ländlichen Raum.“

Voll aufs Eigenkapital

Gut zehn Jahre nach Ende der Eigenheimzulage ist damit offenbar die Zeit für eine Wiederauflage der privaten Wohnungsbauförderung gekommen. Dabei gab es damals gute Gründe, die teure Subvention zu beenden: Die Baubranche preiste die Zuschüsse gleich mit ein, was Immobilien verteuerte.

Nun aber ist das politische Bedürfnis nach Wahlkampf-Argumenten größer als die ökonomischen Bedenken. Zumal die Befürworter mit dem Umstand argumentieren, dass Deutschland immer noch Mieterland ist. „Bei uns sterben jedes Jahr so viele Eigentümer, wie neue Immobilienbesitzer dazukommen“, weiß Matthias Günther vom Pestel-Institut, das erforscht, wie gebaut und gewohnt wird. Die Folge: 44 Prozent der Menschen wohnen im Eigenheim – dieser Anteil stagniert seit Jahren. Obwohl Immobilienbesitzer statistisch gesehen die höheren Vermögen aufweisen und im Alter mietfrei wohnen können.

In diesen Regionen zahlen Immobilienbesitzer ihr Häuschen am schnellsten ab
27 Jahre, so lange dauert es, bis ein Durchschnittsverdiener in Deutschland sein Eigenheim abbezahlt hat. Der Tilgungssatz liegt dabei im Schnitt bei 2,89 Prozent. Für die Postbank-Studie, aus der die Bild zitiert, wurden die Kaufpreise in allen 402 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland ins Verhältnis zum jeweiligen Einkommensniveau gesetzt. Voraussetzung ist, dass für die Tilgung wie maximal 40 Prozent des Haushalt-Nettoeinkommensaufgewendet werden, 20 Prozent Eigenkapitalanteil vorhanden waren. Sonderzahlungen wurden nicht berücksichtigt. Quelle: dpa
In weniger als der Hälfte (43 Prozent) der Kreise und kreisfreien Städte zahlen Eigenheimbesitzer die Immobilie wie empfohlen in 30 Jahren ab. In besonders teuren Immobilienstädten wie München oder Köln zahlen Durchschnittsverdiener mit einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.700 und 2.600 Euro dagegen auch einmal mehr als 40 lang, bis 110 Quadratmeter Wohneigentum ihnen gehören. Im westlich von Köln gelegenen Rhein-Erft-Kreis haben sie das notwendige Darlehen für eine 110-Quadratmeter-Wohnung dagegen nach 29 Jahren beglichen. Quelle: dpa
Auch im Nordosten der Republik ist eine 110 Quadratmeter-Immobilie für Durchschnittsverdiener trotz moderater Immobilienpreise kaum erschwinglich: Wegen des geringen Einkommens in der Region zahlen Immobilienbesitzer in Berlin, Potsdam, Rostock & Co. deutlich länger als 40 Jahre ihren Kredit ab. Wer in Berlin arbeitet, findet allerdings im brandenburgischen Kreis Barnim nördlich der Hauptstadt Wohnungen mit 110 Quadratmetern, die in der Regel nach 25 Jahren abbezahlt sind. Quelle: dpa
Wer keine Angst hat, zu pendeln, findet jedoch im Umland der großen Metropolen finanzierbare Immobilien. Selbst in teuren Gegenden rund um Frankfurt am Main gibt es Schnäppchen. Allerdings sind hier die Einkommen im Bundesvergleich auch so hoch, dass sich auch Durchschnittsverdiener eine 110-Quadratmeter-Wohnung leisten können. Quelle: dpa
Auch in den unmittelbar an Hamburg angrenzenden Kreisen Stormarn und Segeberg sowie dem Herzogtum Lauenburg dauert die Tilgung eines Kredits im Schnitt 34 Jahre. Quelle: dpa
In Pirmasens (im Bild), dem Landkreis Altenkirchen (Westerwald) und dem Landkreis Wesermarsch dauert die Tilgung eines Kredites für eine 110-Quadratmeter-Immobilie für den Durchschnittsverdiener rund zwölf Jahre. Quelle: dpa
Im Saale-Orla-Kreis, dem Landkreis Nienburg (Weser), Landkreis Holzminden, dem Unstrut-Hainich-Kreis und dem Vogtlandkreis dauert das Abbezahlen der eigenen vier Wände dagegen elf Jahre. Quelle: dpa

Das neue Werben um kaufwillige Familien trägt aber paradoxe Züge. Denn der Staat selbst hat die Kosten in die Höhe getrieben, die er nun wieder abmildern will. Ausgerechnet Hendricks, auch zuständig für den Umweltschutz, sorgt mit der jüngsten Energieeinsparverordnung Enev 16 dafür, dass Bauen um bis zu neun Prozent teurer werden könnte. Und bei der Klimakonferenz in Marrakesch sagte sie weitere CO2-Einsparungen zu, die mit besser isolierten Häusern erreicht werden müssen.

„Das konterkariert die Bemühungen, bezahlbares Wohnen für alle Bevölkerungsschichten in ganz Deutschland zu sichern“, schrieben daraufhin acht Verbände der Immobilienwirtschaft an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Hendricks.

Quellen: Immobilienscout, Interhyp, eigene Berechnung
*Die Werte beziehen sich auf eine 80qm Wohnung und auf die lokalen Kaufpreise inklusive Grunderwerbsteuer wie vor Ort fällig.

Ein weiteres von der Politik verschuldetes Problem ist die Grunderwerbsteuer, die einige Bundesländer auf 6,5 Prozent hochgetrieben haben. Für viele Bauwillige entspricht das einem Drittel ihres Eigenkapitals. „Die Politik kann nicht auf eine neue Eigenheimförderung setzen und dies durch eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer gleich zunichte machen“, kritisiert Andreas Mattner vom Zentralen Immobilien-Ausschuss.

Unionsfraktionsvize Nüßlein fordert Hendricks deshalb auf, mit den Ländern über eine geringere Grunderwerbsteuer oder wenigstens Freibeträge zu verhandeln. Außerdem solle die lineare Abschreibung (AfA) für Immobilien von derzeit zwei Prozent auf drei Prozent steigen. „Das wäre auch angesichts des tatsächlichen Verschleißes bei Wohnungen angemessen.“

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