Beck-Affäre Wenn Politikern der Drogenkonsum vergeben wird

Volker Beck hat nach Vorwürfen des Drogenmissbrauchs seine Ämter niedergelegt. Er ist nicht der erste Politiker, der erwischt wurde. Beispiele aus den USA zeigen, einigen wird vergeben - zum Beispiel Barack Obama.

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Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck hat seine Ämter in der Grünen-Fraktion abgegeben: Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat den Fund eines verdächtigen Stoffs beim 55-Jährigen bestätigt. Quelle: dpa

San Francisco Die Meldung schlug ein wie eine Bombe. Die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch den Fund eines verdächtigen Stoffs bei dem 55-jährigen Politiker Volker Beck. Die „Bild“-Zeitung hatte als Erstes über den Vorfall berichtet. Dem Blatt zufolge soll es sich dabei um die synthetische Droge Crystal Meth handeln, die den Ruf hat, noch gefährlicher als Heroin oder Kokain zu sein. Beck äußerte sich nicht näher zu den Vorwürfen, erklärte aber, dass er seine Ämter in der Grünen-Fraktion zur Verfügung stelle.
Schnell verbreitete sich auf Twitter der Hashtag #BreakingBeck - mit Anspielung auf die erfolgreiche US-TV-Serie „Breaking Bad“, in der ein unbescholtener Hochschullehrer durch unvorhersehbare Ereignisse immer tiefer im Sumpf der Drogen versinkt und sich nicht mehr daraus befreien kann.

Vieles deutet darauf hin, dass es sich jetzt um das Ende der politischen Karriere des Grünen-Politikers handelt. Seit über 30 Jahren als Abgeordneter im Bundestag und langjähriger Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion machte er oft von sich reden und setzte sich vehement für die Rechte von Minderheiten ein, kämpfte gegen Rassismus und Vorurteile. Ob er selbst jetzt noch einmal aus dem Morast der moralischen und sozialen Vorurteile auftauchen wird, ist noch offen. Hebt der Bundestag seine Immunität auf, könnte ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft auf ihn zukommen.
Der Blick in die USA verrät, dass es möglich ist, Drogenvorwürfe politisch zu überleben. Wenn auch nicht immer unbeschadet. Es kommt darauf an, wie die Betroffenen damit umgehen.
Die USA in den 60er und 70er Jahren: Vietnamkrieg, Flower-Power, San Francisco, freie Liebe und Drogen, Eric Clapton macht den Song „Cocaine“ von JJ Cale weltberühmt. Viele der jungen Männer und Frauen, die damals aufgewachsen sind, bekleiden heute politische Ämter.

So gefährlich ist Crystal Meth

Journalisten und politische Gegner wissen, was sich damals in High Schools oder Freiluftkonzerten abgespielt hat. Darum gehört die Frage nach dem Drogengebrauch längst zum Standardrepertoire. Die einen gestehen, die andern nicht, andere werden erwischt. Das Urteil der Wähler ist nicht vorherzusehen.

Trey Radel, republikanischer Kongressabgeordneter aus Florida, schrieb im November 2013 Geschichte. Ihm gebührt die Ehre, als erster gewählter Volksvertreter im US-Kongress während seiner Amtszeit wegen eines Drogenvergehens verurteilt worden zu sein. Damals, als 37-Jähriger, war er Undercover-Agenten in die Falle gegangen, als er versuchte, 3,5 Gramm Kokain für 250 Dollar zu kaufen. Um einen langen Prozess unter den Augen der Öffentlichkeit zu vermeiden, bekannte er sich schuldig und bekam eine Gefängnisstrafe auf Bewährung. Aber politisch war er nicht mehr tragbar.

Diese Substanzen sind teurer als Gold
Platz 10: MethamphetaminKosten: 95 Euro pro Gramm Hoher Grammpreis, aber billig im Vergleich zu anderen Drogen: Unter dem Modenamen Crystal Meth gilt Methamphetamin heutzutage als am schnellsten zerstörende Droge überhaupt. Der Gebrauch führt unter anderem zu Karies und Zahnausfall. Quelle: dpa
Platz 9: KokainKosten: 470 Euro pro Gramm Kokain gilt als die Partydroge in besseren Kreisen. Besser Finger weg: Kokain hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Quelle: dpa
Platz 8: LSDKosten: 2.300 Euro pro Gramm Lysergsäurediethylamid, kurz LSD genannt, ist in Deutschland ein nichtverkehrsfähiges Betäubungsmittel. Der unerlaubte Gebrauch ist strafbar. In zahlreichen anderen Ländern, wie den USA, ist die Droge verboten. Quelle: dapd
Platz 7: PlutoniumKosten: 3.150 US-Dollar pro Gramm Die Atombombe, die 1945 auf Nagasaki fiel, trug Plutonium als Spaltmaterial in sich. Außer militärischen Zwecken dient Plutonium auch der Energiegewinnung. Es entsteht aus dem Uran der Brennelemente in Atomkraftwerken.   Quelle: REUTERS
Platz 6: TaaffeitKosten: 2.000 bis 15.750 Euro pro Gramm Der irische Forscher Richrd Taaffe entdeckt den Edelstein bei einem Schmuckkauf 1945. Wegen seiner hohen Seltenheit dient er bis heute nur als Schmuckstück. Quelle: Rob Lavinsky, iRocks, Creative Commons, CC BY-SA 3.0
Platz 5: TritiumKosten: 23.616 Euro pro Gramm Tritium ist ein Nebenprodukt der Kernspaltung und kommt auf natürliche Weise nur in der Stratosphäre vor. Damit lassen sich in der Medizin bestimmte Substanzen markieren. Außerdem ist der Stoff fester Bestandteil von Atombomben. Quelle: dpa
Platz 4: DiamantenKosten: ein farbloser Stein von einem Karat kann über 50.000 Euro pro Gramm kosten Diamanten machen was her und sind der härteste natürliche Stoff der Welt. Ihr Aussehen macht sie zu Kostbarkeiten der Schmuckbranche, ihre Härte zu einem begehrten Schneidstoff in der Industrie. Quelle: AP

Ausgerechnet er war einer der schärfsten Befürworter einer Gesetzesinitiative, nach der sich Sozialhilfeempfänger, die Essensmarken vom Staat bekamen, routinemäßig Drogentests unterziehen sollten. Bei einem positiven Ergebnis sollten die Leistungen gekürzt werden. Die Häme, die ihm, der auch noch alkoholabhängig war, entgegenschlug, war überwältigend. Nach einer Entziehungskur kehrte er in die Politik zurück. Ende Januar 2014 verließ er den Kongress, in dem er zunehmend isoliert war. Es drohte ihm eine Untersuchung der Ethik-Kommission, die ihn wie auch seine Familie und Freunde schwer hätte belasten können. 2015 eröffnete er eine Agentur für Krisenkommunikation.

Jeb Busch und Obama gestehen Jugendsünden


Ein anderer kam glimpflicher davon: „Vor 40 Jahren habe ich Marihuana geraucht und so manch anderer sicherlich auch, aber nicht jeder will es vor 25 Millionen TV-Zuschauern zugeben, aber ich habe es gerade getan und meine Mutter ist jetzt überhaupt nicht erfreut“, erklärte der republikanische Präsidentschaftskandidat Jeb Bush unter schallendem Gelächter und Applaus des Publikums auf offener TV-Bühne. Doch das ist offenbar lange genug her, um der politischen Karriere nicht zu schaden. Dass Bush mittlerweile aus dem Kandidatenrennen ausgeschieden ist, hat viele Gründe. Aber die High-School-Sünde des heute 63-jährigen früheren Gouverneurs von Florida war es nicht, da sind sich alle Beobachter einig.


Das gleiche Glück hatte Barack Obama. In seinem Buch „Dreams from my Father“ in 1995 gestand er, als junger Heranwachsender Marihuana und Kokain ausprobiert zu haben, aber kein Heroin. „Es war eine Reflexion auf die Probleme und Verwirrungen von Teenagern“, sagte er später in einem Interview mit der „New York Times“. „Teenage-Jungs sind regelmäßig verwirrt.“ Die Wähler nahmen es ihm ab. Trotz massiver Kampagnen der republikanischen Seite gelang ihm 2012 eine zweite Amtszeit als US-Präsident.

Unklar ist die Situation beim früheren Gouverneur von New York, David Paterson. Er übernahm das Amt des Wall-Street-Jägers und Gouverneurs von Eliot Spitzer, der 2007 über einen Prostitutionsskandal gestolpert war. 2008 gestand er in einer TV-Show offen ein, im Alter von 22 oder 23 Jahren Kokain ausprobiert zu haben, es aber „seit den späten 70ern“ nicht mehr angerührt zu haben. 2010 wollte er sich dann um eine weitere, volle Amtszeit als Gouverneur bewerben, scheiterte aber. Er ist weiterhin Mitglied der Demokratischen Partei.

Der frühere US-Präsident George W. Bush kämpfte viele Jahre gegen Gerüchte über Drogen und Alkoholmissbrauch. Permanente Fragen von Reportern nach Drogen beantwortete er gerne mit: „Als ich jung und unvernünftig war, war ich jung und unvernünftig.“ Er räumte es nie ein, verneinte es aber auch nicht.
Eine Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt hätte ihn allerdings beinahe die Karriere gekostet. Sie kam ausgerechnet in der heißen Phase des Wahlkampfs 2000 ans Tageslicht. Bush erklärte, er habe sie verheimlicht, weil er nicht wollte, dass seine Tochter davon erfährt. Politische Beobachter glauben, dass ihn das Bekanntwerden des Deliktes viele konservative Stimmen kostete. Auf politischer Linie nahm er stets eine harte Gangart gegen Drogenvergehen ein.

Tragisch ist die Geschichte von Marion Barry, Bürgermeister von Washington, der 1990 in eine Falle des FBI tappte und in einem Hotelzimmer beim Crack-Rauchen erwischt wurde. Er bekam keine Bewährung und musste sechs Monate ins Gefängnis. Doch 1994 gelang es ihm, erneut Bürgermeister zu werden. 2005 wurde bei einem Drogentest erneut der Gebrauch von Marihuana und Kokain festgestellt und es folgte eine dreijährige Bewährungsstrafe. Barry starb im Alter von 78 Jahren in einem Krankenhaus in Washington.

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