Berlin intern

Angela Merkel muss mal wieder Europa retten

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Flüchtlinge, Koalitionszoff, Terrorangst – da war doch noch was? Stimmt, Kanzlerin Angela Merkel muss die EU retten.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa

Europa, gerade der südlichere Teil, macht noch fleißig Urlaub. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann keinen Urlaub von Europa nehmen. Am Donnerstag hat sie in Berlin EU-Ratspräsident Donald Tusk empfangen, am Montag darauf erwartet Italiens Premier Matteo Renzi sie. Weitere Treffen mit kleineren Mitgliedstaaten werden bald folgen.

Alle Gespräche dürften um jene neue Gretchenfrage kreisen, die Merkel abseits von Flüchtlingskrise, Koalitionszoff, Terrorangst und Umfragen-Absturz in den kommenden Monaten am meisten beschäftigten wird: Wie halten wir es in Europa nach dem Brexit? Für den 16. September ist im slowakischen Bratislava ein Sondergipfel angesetzt, ohne die Briten. Dann sollen die verbleibenden Mitgliedstaaten entscheiden, wie sich auch ohne London ein europäischer Neustart, eine Art kollektives „Jetzt erst recht“ vorleben lässt. Unter anderem wollen die Regierungschefs über Vorschläge der Kommission debattieren, wie man den Bürgern den Nutzen Europas auf dem ganzen Kontinent besser erklären kann.

Noch brüten viele kluge Köpfe über Ideen, auf Brüsseler Entscheider-Ebene herrschte Urlaubssperre. Doch fest steht schon, dass das „Jetzt erst recht“ keinesfalls mit einem störrischen „Nur weiter so“ verwechselt werden darf. Eine Änderung der EU-Verträge, die (noch) mehr Integration ermöglichte, will Merkel auf keinen Fall. Und auch ein Europa der flexiblen Geschwindigkeiten, in dem etwa einzelne Mitgliedstaaten sich enger zusammenschließen, sieht sie offenbar eher skeptisch. Alle müssten erst mal an einem Strang ziehen, heißt es, schließlich wolle man nicht noch ein Mitgliedsland verlieren.

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Die Kanzlerin kann sich höchstens homöopathische Europa-Dosen vorstellen, etwa Signale dazu, wie sich die Kommunikation zwischen Europäischer Kommission und den Mitgliedstaaten verbessern lasse – ein Unterfangen, das freilich schon häufig angegangen wurde.

Zudem sind gemeinsame Maßnahmen denkbar, die den Sicherheitssorgen der Bürger Rechnung tragen, zum Beispiel die elektronische Erfassung der Daten von Einreisenden aus anderen Weltregionen. Oder aber ein Programm zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, schließlich kratzt diese quer über den Kontinent immer noch an der 20-Prozent-Grenze.

Ähnliche Programme sind freilich bislang ohne große Wirkung verpufft. Am konkretesten wirken da die Gedanken zur Außen- und Sicherheitspolitik. So ist die Errichtung eines militärischen Hauptquartiers denkbar, was die Briten lange blockiert haben. Auch Rüstungsforschung und Waffeneinkauf könnten künftig EU-weit gemeinsam, vor allem aber effektiver laufen.

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So eine Initiative sparte gewiss den einen oder anderen Schuss Munition ein. Aber sie ist weit weg von der Forderung nach einem großen Wurf für Europa, die etwa EU-Parlamentspräsident Martin Schulz seit dem Brexit erhebt. In Merkels Umfeld sieht man dieses Auseinanderklaffen jedoch sehr gelassen. Schließlich sei der SPD-Mann Schulz in Europa bald Geschichte, wenn die Christdemokraten in Brüssel ihn entschlossen an sein Versprechen erinnerten, den Parlamentsvorsitz 2017 abzugeben. „Statt mehr Europa haben wir dann vor allem weniger Schulz“, heißt es schadenfroh von einem führenden Christdemokraten.

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