Berlin intern

Brauchen wir eine Obergrenze für Merkel?

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Kanzlerin Angela Merkel mag ihre neuerliche Kandidatur noch nicht erklären – und heizt so eine Amtszeit-Debatte an.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Quelle: dpa

Politik ist das geduldige Bohren dicker Bretter, lernt jeder Politikstudent im ersten Semester. Deutsche Spitzenpolitiker, etwa die Bundeskanzler, zeigen auch viel Geduld, vor allem mit sich selbst. Vorstandsvorsitzende großer Konzerne regieren im Schnitt nur etwa sechs Jahre durch. Helmut Kohl hingegen stand der Deutschland AG 16 Jahre lang vor, bei Angela Merkel sind es bereits fast elf. Selbst Gerhard Schröder, im Vergleich zu den beiden beinahe ein Zwischenmieter im Kanzleramt, lag noch über dem CEO-Schnitt.

Kann man so lange so mächtig sein und mächtig wirkungsvoll bleiben? Noch dazu in einem Job ohne echten Urlaub, ohne wahren Feierabend, mit mindestens 80 Millionen besorgten Kleinaktionären? In diesen Wochen, da Angela Merkel sich nicht auf eine vierte Kandidatur verpflichten mag, taucht er wieder auf, dieser Gedanke: Wäre eine Begrenzung der Amtszeiten nicht sinnvoll? Sollten wir es halten wie die Amerikaner, die jeden Präsidenten nach spätestens acht Jahren verabschieden?

Der Vergleich hinkt. Selbst Amerikas Gründerväter, die nach ihrer Befreiung von adelsfixierten Briten vor allem die Angst vor einem neuen Monarchen umtrieb, wollten die Dienstzeit ihres Präsidenten noch nicht begrenzen. Erst nachdem sich Franklin D. Roosevelt durch vier Amtszeiten und den Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte, erließen sie einen entsprechenden Verfassungszusatz.

Der Erfolg war durchwachsen. Nur wenige US-Präsidenten können auf eine erfolgreiche zweite Amtszeit zurückblicken. Sie müssen dann zwar nicht mehr auf Umfragen schielen. Aber da ihr Abschied sich ankündigt, verlieren sie auch rasant an Einfluss. Zudem nehmen die Amerikaner so in Kauf, dass selbst höchstbegabte Politiker – wie etwa Bill Clinton oder nun Barack Obama – mit gerade einmal Mitte 50 den Rest ihres Lebens außer Dienst verbringen müssen.

Auch die Gründerväter der Bundesrepublik hätten eine Dienstzeit-Obergrenze ins Grundgesetz schreiben können. Sie wollten es aber nicht. Und belastbare Daten, dass die Deutschen dies befürworten, existieren nicht. Eine Infratest-Umfrage ergab zwar vor Kurzem, 46 Prozent seien dafür. Aber nähere Betrachtung zeigte, dass es sich dabei vor allem um Anhänger von Nicht-Merkel-Parteien handelte. Sie wollten eine Obergrenze für die aktuelle Kanzlerin, keine aus Prinzip.

Dennoch weht ein Hauch von Endzeitstimmung durch Berlin. Sollte Merkel noch einmal antreten, dann auch aus Mangel an Alternativen in ihrer Partei. Kein Ministerpräsident, kein Kabinettsmitglied drängt sich wirklich auf. Dass der britische „Guardian“ den gerade einmal 36 Jahre alten Finanzstaatssekretär Jens Spahn soeben zum möglichen Merkel-Nachfolger ausrief, zeigt das Dilemma der Union. Spahn ist ein sehr begabter Politiker, aber vom Kanzlerbüro im Moment so weit weg wie ein deutscher 100-Meter-Sprinter von Usain Bolt.

Sollte Merkel sich selbst begrenzen und nicht mehr antreten, wäre das also nicht unbedingt ein Problem für sie. Ganz unbedingt aber eines für ihre Partei. Nach der Ablösung von CEOs, auch das belegen Studien, kommt übrigens am ehesten ein externer Kandidat als Nachfolger zum Zug. Einer, der aufräumen soll. Doch diese Art von Import ist für die deutsche Politik (noch) nicht vorgesehen.

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