Berlin intern

Ein sehr praktischer Virus

Die Absage seiner Iran-Reise kommt Minister Gabriel politisch gelegen.

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Gabriel Quelle: REUTERS

Selbst im Normalfall ist der Aufwand groß, wenn ein Vizekanzler eine Reise tut: Der Stab fertigt für alle Mitreisenden ein gebundenes Heftchen an, darin stehen sämtliche Programmpunkte mit exakten Uhrzeiten und alle relevanten Telefonnummern – bis zur Durchwahl des Gefechtsstands am Berliner Flughafen Tegel, militärischer Teil. Normal sollte die Ministerreise nach Teheran aber keineswegs sein, eher schon eine Mission der Superlative. Gleich zwei Airbusse A340–313 stellte die Luftwaffe Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Wochenbeginn bereit, Hunderte deutscher Manager wollten im Windschatten des Politikers über Teherans roten Teppich laufen. Gabriel hätte als Kopf der Riesendelegation deutscher Unternehmer zeigen können, wie gut er, der Sozialdemokrat, die Sprache der Wirtschaft beherrscht.
Nur leider wurde Gabriel krank. Ein viraler Infekt, las man umständlich in einer sonntäglichen Pressemitteilung, mache einen Klinikaufenthalt unumgänglich und eine Reise unmöglich. Die Absage könnte jedoch nicht allein medizinisch notwendig, sondern auch politisch opportun gewesen sein.

Denn die große PR-Show, die Gabriels Stab seit Monaten plant, hätte wohl kaum stattgefunden. In Teheran geraten derzeit die moderaten Politiker ins Hintertreffen, da sie auch drei Monate nach dem Abbau der EU-Sanktionen kaum ökonomische Erfolge präsentieren können. Der Handel kommt nicht in Schwung, Investitionen bleiben aus, und mancher iranische Minister kommt sich vor wie im Zoo: Ständig kreuzen Delegationen deutscher Unternehmer auf, die alles anschauen wollen, aber am Ende keine Verträge unterschreiben. Also hinterfragen islamistische Hardliner, ob so wenig Aufschwung die Abkehr vom Atomprogramm wert war – und testen Raketen, um zu zeigen, dass sie auch noch da sind.
Gerade von Deutschland hatte sich der Iran mehr erhofft. Deutsche Banken wagen es aber bislang nicht, auch nur Überweisungen in den Iran abzuwickeln, von Finanzierungen ganz zu schweigen.

Lieferanten tun sich schwerer als vor einem Jahr, Ausfuhrgenehmigungen für Dichtungen oder Chemikalien zu erhalten, weil das seit Januar gültige neue Teilembargo der EU voller Unklarheiten steckt. Hermes-Bürgschaften des Bundes, die Gabriel in Teheran zusagen wollte, wird es auch nicht geben, weil der Iran – aus Ärger über die zaudernden Deutschen – Altschulden aus der Zeit vor den Sanktionen nicht überweist.
Teherans Reformer fragen sich: Warum lässt der mächtige deutsche Vizekanzler Deckungen, Finanzierungen, Überweisungen nicht wieder anlaufen? Es müsse doch auch im Interesse des Westens sein, dass die Modernisierung gelinge. Für EU-Bürokratie oder Risikoabwägungen von Banken herrscht im Iran wenig Verständnis – und schon gar nicht für die Tatsache, dass die wahren Gründe der deutschen Zurückhaltung in den USA wurzeln. Wenn hiesige Banken mit einer Dollar-Transaktion gegen deren Embargo verstoßen, drohen ihnen in den USA Millionenstrafen, auch wenn das Geschäft mit dem EU-Recht im Einklang steht. Diese exterritoriale Rechtsdurchsetzung der Amerikaner blockiert den Iran-Handel. Aber das zu heilen dürfte weit länger dauern als die Genesung des verhinderten Handelsreisenden Gabriel.

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