Berlin intern

Feier-Abend für lau

Henning Krumrey Ehem. Redakteur

Als hätte es die Wulff-Affäre nie gegeben: Bei ihren Sommerfesten präsentieren sich Bundesländer und Fraktionen üppig wie eh und je – dank ihrer Sponsoren.

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David McAllister, Angela Merkel, Philipp Rösler, Ursula von der Leyen Quelle: dpa

So geht Sommer: Liegestühle auf weißem Sand, brutzelnde Koteletts auf dem Grill, dröhnende Musik und ebensolche Cocktails, Eis am Stiel und mancher ohne Stil. In der Hauptstadt ist Festsaison. In Sitzungswochen des Bundestages, wenn die zu umgarnenden Abgeordneten vor Ort sind, ist jeden Abend Party-Zeit. Drei, vier, fünf Termine liegen täglich an, man tingelt von der Niedersachsen-Sause (jedes Jahr die beste Musik) über das Sommer-Biwak des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU (PKM) zum Hoffest der SPD-Fraktion.

Nicht nur die Gäste lassen sich einladen, auch die Gastgeber. Ohne die Wirtschaft fiele jeder Polit-Auflauf angesichts leerer Staatskassen aus. Die Veranstalter freuen sich nicht nur über das kostenlos ausgeschenkte Bier oder die frei angelieferten Steaks, sondern vor allem über das Bare, das jeder Sponsor mitbringen muss. Denn davon finanzieren die Gastgeber die Bühne, die Künstler, das Sicherheitspersonal.

Dieses Jahr war jedes Fest eine Zitterpartie. Nicht wegen des Wetters, sondern wegen Christian Wulff. Sein Nord-Süd-Dialog als Landesvater in Hannover und manche Vergünstigung für den Präsent-Präsidenten hatten das Sponsoring in Verruf gebracht. Die Deutsche Bahn zog aus politischen Gründen die Notbremse und ließ die Hilfe ausfallen wie die Klimaanlage im ICE. Air Berlin hat seine Sponsor-Aktivitäten eingestellt, wenn auch vor allem aus Kostengründen. Neben den Partys kappte der neue Chef Hartmut Mehdorn auch gleich die VIP-Tickets für Promis sowie die Rabatttarife für Journalisten. Lediglich zu den Sausen der Länder Berlin und Brandenburg schickte die Fluglinie ihre Stewardessen samt Currywurst und Schokoherzen – aus Verbundenheit zum künftigen Großflughafen.

Die Landesvertretungen bekamen die Zurückhaltung unterschiedlich zu spüren. Niedersachsen, das 2011 den Rekordwert von 200.000 Euro bejubelte, musste in diesem Jahr kräftig sparen: Nur noch 130.000 Euro kamen zusammen. Neben der Bahn und Air Berlin standen auch der umstrittene Finanzdienstleister AWD, der Reifenbauer Continental und der Reisekonzern TUI auf der Verlustliste. Also schrumpfte der ausufernde Sandstrand zum Fleck im Grünen.

Transparenz feit vor Kritik. Hessen (nur noch 54 statt über 60 Unterstützer) nennt Einnahmen und Gönner später im Sponsoringbericht. Eine Preisliste regelt, wie viel welcher Stand auf dem Freigelände der Landesvertretung kostet, was für das Firmenlogo auf der Einladungskarte zu berappen ist. Beim Steuerzahler blieben für 2000 Gäste 25.000 Euro hängen. Krösus sind Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die rund 400.000 Euro einwerben.

Insgesamt war der Rückgang viel geringer als erwartet. Während börsennotierte Unternehmen den Reputationsschaden fürchten, ist mancher Mittelständler froh, wenn er sich in der Hauptstadt präsentieren darf. Die meisten Unterstützer hatte, wieder einmal, der PKM. 69 Sponsoren listet die Einladungskarte auf, von A wie ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) bis Z wie Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks.

Enthaltsam agiert Wulffs Nachfolger Joachim Gauck. Statt der Gartenparty für die Berliner Polit-Gesellschaft bittet er im September zum Bürgerfest – ganz ohne finanzielle Zuwendungen der Wirtschaft. Dafür macht er in seinem Etat 500.000 Euro locker. Wein und Wurst lässt auch er für lau liefern – freilich nur von Unternehmen, die sich verantwortungsbewusst für Deutschland engagieren. Gaucks Vorteil: Im Bellevue will jeder gerne Sponsor sein.

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