Berlin intern

Heißer Sommer für den Freihandel

Gregor Peter Schmitz
Gregor Peter Schmitz Ehem. Leiter Hauptstadtbüro WirtschaftsWoche (Berlin)

Der Abschied der Briten schwächt die Chancen von TTIP weiter. Und jetzt droht noch Ärger mit Kanada.

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TTIP CETA Quelle: dpa

Was hat es die Deutschen erregt, dass sich viele Briten offensichtlich erst nach dem Brexit-Referendum per Google über mögliche Folgen informierten. Wir sind da wissbegieriger, allerdings auch einseitiger. Wie eine ZDF-Analyse des Suchverhaltens der Bundesbürger gerade ergab, googeln diese etwa zum Freihandelsabkommen TTIP ausgesprochen gerne, allerdings fast nur Negatives. Die Kombination „TTIP und Vorteile“ landete abgeschlagen auf Platz 14 der deutschen Suchanfragen.

Dieser Trend dürfte sich nach der Brexit-Entscheidung eher verschärfen, schließlich gehörten die Briten zu den wenigen klaren Befürwortern des Freihandelsabkommens. Zwar versuchen die europäisch-amerikanischen Verhandler offiziell weiterhin, bis zum Jahresende – und vor dem Ablauf der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama – einen Vertragstext zu erstellen. „Doch ich kenne niemanden, der glaubt, dass das gelingen wird“, sagt einer der hochrangigsten Handelsexperten in Washington. In Berlin sind sogar pessimistischere Töne zu vernehmen, schließlich hat sich dort die öffentliche Unterstützung dramatisch verschlechtert.

Wo die großen Brexit-Baustellen sind

Nur 17 Prozent der Deutschen halten das Abkommen noch für eine richtig gute Idee. Deutsche Antifreihandelsaktivisten sagen offen, sich mittlerweile eher auf Überzeugungsarbeit im Nachbarland Frankreich konzentrieren zu können. Viel Arbeit ist dort nicht mehr zu verrichten. Gerade erklärte der französische Premier Manuel Valls, man solle TTIP beerdigen.

Hierzulande hält Kanzlerin Angela Merkel, die zu den frühesten Fans einer Handelseinigung gehörte, offiziell an dem Projekt fest. Doch selbst sie lässt mittlerweile Skepsis durchblicken. Der Wirtschaftsrat der Kanzlerinnenpartei CDU, sonst vehementer Unterstützer von freiem Handel, hat vor Kurzem eine TTIP-Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt.

Kritik der Umweltschützer an TTIP

Das niederschmetternde Ergebnis: 40 Prozent sahen eine Einigung dazu als wenig wichtig an.

Auch der Wirtschaftsminister – und mutmaßliche SPD-Kanzlerkandidat – Sigmar Gabriel, der lautstark für das Abkommen trommelte, hat seine Prioritäten rund ein Jahr vor der Bundestagswahl neu sortiert – weg von zu viel Wirtschaftskompetenz, hin zu einer möglichen linken Mehrheit in Deutschland. Überschwänglicher Jubel für TTIP passt dazu nicht so gut.

Gabriel hat zudem längst ein anderes Problem, namens Ceta. Das bislang wenig beachtete Handelsabkommen mit Kanada soll laut EU-Kommission in nationalen Parlamenten nicht mehr zustimmungspflichtig sein. In Brüssel besteht die Sorge, einzelne Parlamente könnten sonst Europas Handelspolitik blockieren.

Der Kommissions-Kurs erzürnt neben Kanzlerin Merkel auch Gabriel, schließlich wissen beide, dass Freihandelskritiker auf so eine Steilvorlage nur warten.

Daher gilt im Wirtschaftsministerium nun die Ansage, wer ein ordentliches TTIP wolle, müsse ein Ceta ohne Mitbestimmung des Bundestages stoppen. Das „dumme Durchdrücken“ werde Verschwörungstheorien zum Freihandel „explodieren“ lassen, sagt Gabriel. „Wenn die EU-Kommission das macht, ist TTIP tot.“ Ein heißer Sommer für den Freihandel, allerdings ohne kühle Köpfe.

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