Berlin intern

Wie die Kanzlerin ihre Koalitionspartner verschleißt

Christian Ramthun
Christian Ramthun Redakteur Wirtschaft & Politik (Berlin)

Angela Merkel hat ihre Juniorpartner verschlissen. Nun fehlt ihr die FDP. Kungel-Kohl war das nicht passiert.

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Merkel Quelle: dpa

Ein Schaulaufen der besonderen Art haben die Parteien in dieser Woche veranstaltet. Die Haushaltsdebatte des Bundestages markierte nicht nur die Wiederaufnahme des politischen Betriebes nach der parlamentarischen Sommerpause. Dieses Mal ist die Debatte auch ein Casting für den nächsten Bundestag, der im Herbst 2017 neu gewählt wird. Eine Prüfdisziplin ist dabei der Umgang mit unseren Steuergeldern. Oder genauer: der Umgang mit unseren zu viel gezahlten Steuern. Rot-Rot-Grün scheint hier am besten zu harmonieren, die drei Parteien wollen Geringverdiener entlasten, aber für alle anderen am liebsten nix ändern.

Die Schwarzen fallen aus dem Rahmen, weil sie mittlere Einkommensbezieher mit berücksichtigen und den Spitzensteuersatz erst später zuschnappen lassen wollen. Für solche Pläne wäre abseits der Union allerdings nur eine Partei zu begeistern. „Mit der FDP wäre das möglich gewesen“, seufzt CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs, „mit unserem Koalitionspartner SPD und den Grünen leider nicht.“

Tja, dumm gelaufen. Die Liberalen flogen bei der letzten Bundestagswahl aus dem Hohen Haus. Verantwortlich war nicht zuletzt die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel. Sie gönnte ihrem Juniorpartner nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln, sprich: eine klitzekleine Steuersenkungsankündigung, wie Freidemokraten bitter resümieren. Aber es gab auch ein institutionelles Problem, an dem die Liberalen selbst schuld waren (und unter dem heute die Sozialdemokraten leiden), meint Urgestein Hermann Otto Solms (75), ein Strippenzieher der alten Schule, der in den nächsten Bundestag wieder einziehen will. FDP-Mann Solms saß in den Neunzigerjahren, als Helmut Kohl in Bonn regierte, im legendären Koalitionsausschuss.

Diese Runde aus den Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP besprach jede Woche vor der Kabinettssitzung alle wichtigen Themen. „Alles wurde einvernehmlich geklärt, Probleme nicht auf die lange Bank geschoben. Wir agierten als Juniorpartner auf Augenhöhe, für alle sichtbar“, sagt Solms. Und als es Richtung Bundestagswahl ging, gönnte Kohl seinem Juniorpartner immer noch einen kleinen Erfolg, so etwa eine Senkung des Solidaritätszuschlags um zwei Prozentpunkte Anfang 1998. Das sicherte den Liberalen damals das parlamentarische Überleben.

Ganz anders Merkel. Bei ihr treffen sich die Koalitionsspitzen zweimal im Jahr, bei Bedarf auch etwas öfter, und noch öfter scheinen dabei die Fetzen zu fliegen. Ansonsten heimst Merkel selbst für sozialdemokratische Erfolge die öffentliche Zustimmung ein. Auf diese Weise hat sie die SPD schon einmal von 2005 bis 2009 kleinregiert und scheint dies aktuell zu wiederholen, auch wenn die Sozialdemokraten nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern plötzlich Morgenluft zu wittern glauben.

Niemand drängt danach, mit der schwarzen Witwe im nächsten Jahr eine Liaison als Juniorpartner einzugehen. Selbst die Liberalen bekommen eine Gänsehaut, wenn sie daran denken, wieder mit der Union zu koalieren. Und eigentlich wären nun die Grünen an der Reihe, ihre Koalitionserfahrung mit Merkel zu machen. Vielleicht hat sich die Kanzlerin aber auch mit ihrem Koalitionsstil ins Abseits regiert?

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