Berlin kontra Athen „In Schäuble hat Varoufakis seinen Meister gefunden“

Schäuble hat Athen abblitzen lassen. Damit hat er seinem griechischen Amtskollegen Varoufakis klar gemacht, wer das Sagen in Europa hat. Allerdings riskiert der Deutsche, am Ende doch Zugeständnisse machen zu müssen.

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Schäuble (l.) zu Varoufakis: „Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.“ Quelle: AFP

Berlin In der Griechenland-Frage gibt Wolfgang Schäuble (CDU) den Ton an. Das passt der Regierung in Athen nicht. Dass der deutsche Finanzminister den neuen Hilfsantrag der Griechen brüsk zurückgewiesen hat, löste dort erhebliche Missstimmung aus. Regierungschef Alexis Tsipras machte seinem Ärger in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Luft. Den Antragsbrief als „trojanisches Pferd“ zu bezeichnen, „helfe in keiner Weise bei den echten Diskussionen“, wird Tsipras zitiert.

Schäuble dürfte das wenig beeindrucken. Einzelne Akteure der neuen griechischen Links-Rechts-Koalition waren in den vergangen Tagen mit ihm auch nicht gerade zimperlich umgegangen und hatten ihn mit Nazi-Vergleichen geschmäht. Sein Sprecher nennt solche Seitenhiebe treffend „unverschämt“ und „widerwärtig“. Schäuble selbst konzentriert sich lieber auf die Sache. Und hier zeigt sich Deutschlands oberster Kassenwart hart und unnachgiebig – vor allem dann, wenn er den Eindruck hat, man wolle ihn über den Tisch ziehen.

„Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag“, ließ Schäuble am Donnerstag seinen Sprecher mitteilen. In Wahrheit ziele der Antrag auf eine Brückenfinanzierung, ohne die Anforderungen des Programms zu erfüllen: „Das Schreiben entspricht nicht den am Montag in der Euro-Gruppe vereinbarten Kriterien.“

Die Ablehnung kommt nicht überraschend. Man erinnere sich nur an das erste Treffen Schäubles mit dem neuen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis in Berlin. Als Schäuble angesichts der Differenzen in die Kameras sagte: „We agree to disagree“ („Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.“) konterte der Grieche prompt: „Wir sind uns nach meinem Verständnis nicht einmal darin einig.“

Der Dissens zwischen Schäuble und den Griechen löste ein unterschiedliches Echo aus. Frankreich widersprach der Einschätzung des deutschen Finanzministers: Ministerpräsident Manuel Valls nannte den Brief aus Athen am Donnerstag ein „sehr ermutigendes Zeichen“. Portugals Finanzministerin Maria Luis Albuquerque sagte dem Handelsblatt, im Rahmen des Hilfsprogramms könne es Zugeständnisse geben. Und auch in der Berliner Koalition gibt es erstmals einen handfesten Krach in der Griechenland-Krise: „Ich bin dafür, dass wir jetzt nicht zu schnell Ja oder Nein sagen“, konterte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Schäubles Nein.


„Deutschland sagt Danke, Wolfgang Schäuble!“

Auch in der Presse fand die Causa Schäuble versus Athen ihren Niederhall. Die „Bild“-Zeitung, die von jeher für eine überaus griechenkritische Position steht, lobte Schäuble für seine unnachgiebige Haltung. Mit der Zeile „Deutschland sagt Danke, Wolfgang Schäuble!“ erhöht das Boulevardblatt zugleich den Druck auf den Finanzminister, jetzt bloß nicht einzuknicken und in der Griechenland-Frage zu Lasten der deutschen Steuerzahler kleinbeizugeben.

Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ steht auf Schäubles Seite. „In ihm hat Pokerface Varoufakis seinen Meister gefunden“, kommentiert das Blatt und wünscht dem CDU-Politiker, jetzt „starke Nerven“ zu beweisen. Die EU müsse auf der Einhaltung der vereinbarten Bedingungen beharren. „Ein Aufweichen hälfe Griechenland nicht, schadete aber der ganzen Union.“

Die „Welt“ sieht im Statement des deutschen Finanzministers einen „Weckruf“ gegen die „Brüsseler Konsensmaschine“, die von den Vertretern der neuen griechischen Links-Rechts-Regierung seit Wochen mit Vergnügen zum Heißlaufen gebracht werde. „Kein anderer seiner Kollegen hätte sich Derartiges getraut“, schreibt die Zeitung. „Es ist genau die Sprache, die Athen versteht.“

Schäuble dürfte sich dessen, was er tut und was er damit auslöst, recht sicher sein. Wenn der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, nach dem Hilfsantrag der Hellenen in Brüssel Optimismus verbreitet, dann nimmt er das allenfalls zur Kenntnis. Denn er weiß: Weder die Kommission noch Athen haben im Schuldendrama das letzte Wort, sondern die Euro-Länder - an vorderster Front der Hauptgeldgeber - und das ist das größte Euro-Land Deutschland.

An den Märkten kommt das Kräftemessen zwischen Athen und dem Rest der Euro-Gruppe nicht so gut an. Der deutsche Leitindex Dax knickte kurz ein. Die Sorge vor einer Eskalation ist groß, obwohl Investoren sich zunehmend auf einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone („Grexit“) eingestellt haben. Will es die Bundesregierung tatsächlich soweit kommen lassen?

Merkel lässt Schäuble bisher gewähren. „Der Finanzminister macht einen großartigen Job“, ließ sie ihre Sprecherin mitteilen. Tatsächlich gilt das Finanzministerium auch als zentrale Stelle im Machtgefüge jeder Bundesregierung. Durch die Euro-Krise ist der Einfluss in den vergangenen Jahren nochmals gestiegen.

Und die Kanzlerin weiß, was sie an Schäuble hat: In der Euro-Krise war er eine der zentralen Säulen in ihrem Kabinett. Das ist bemerkenswert, denn das Verhältnis zu Merkel gilt als schwer vorbelastet. Schäuble ist ihr gegenüber aber stets loyal geblieben und wurde ihr wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise.

Als Krisenmanager überzeugte Schäuble selbst die Grünen und die SPD, die damals noch die größte Oppositionsfraktion stellte. Schäuble sei er in der Krise des Europäischen Währungssystems ein „zentraler politischer Akteur und ganz sicher im Bundeskabinett der Einäugige unter den Blinden“, attestierte ihm einst der SPD-Haushälter Carsten Schneider.

Und die Grünen-Politikern Priska Hinz zollte ihm schon großen Respekt für seine politische Willenskraft, mit der er seit Jahrzehnten in verantwortlichen Positionen die Idee der Europäischen Einigung hochhalte. „Fast als einziger im Kabinett tritt Schäuble entschieden für eine proeuropäische Ausrichtung Deutschlands ein“, konstatierte Hinz.


„Schäuble spaltet Europa“

Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Schneider, inzwischen SPD-Fraktionsvize, kann dem umgehenden Nein von Schäuble zum Antrag Griechenlands auf Verlängerung der Finanzhilfen nicht viel abgewinnen. Er spricht von „nicht diplomatisch“ und einer „Überreaktion“, zumal der Antrag „ein erster Schritt“ in die richtige Richtung sei, sagte Schneider am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Darauf sollte man zugehen und nicht brüsk zurückweisen.“

Die Euro-Finanzminister beraten an diesem Freitag in Brüssel über den Antrag der Regierung in Athen. Schäuble wird da wohl nicht auf die Griechen zugehen, er erwartet vielmehr, dass die Griechen sich bewegen. Das dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, das die Regierung unter Premier Tsipras nun schon mehrfach mit angeblich belastbaren Lösungsvorschlägen vorpreschte. Auch versuchten Tsipras, Varoufakis & Co. wiederholt, einen Keil zwischen Kommission und Euro-Gruppe zu treiben.

Immer wieder kursierten unterschiedliche, zum Teil nicht abgestimmte Papiere aus den Verhandlungen. Dass man die Sache freilich auch ganz anders sehen kann, zeigt ein Blick in die griechische Presse.

Die Parteizeitung des regierenden Linksbündnisses „I Avgi“ titelt: „Schäuble spaltet Europa“. Das Blatt hat ein großes Trojanisches Pferd auf seiner ersten Seite. Das dogmatische Bestehen Berlins auf die Sparpolitik untergrabe die Kohärenz Europas, meint das Blatt.

Die konservative Zeitung „Eleftheros Typos“ stellt klar, dass Athen eine „Kehrtwende um 180 Grad“ gemacht habe und fordert. „Nun muss Berlin zustimmen.“ Die voreilige Ablehnung des griechischen Vorschlags seitens Schäubles sei eine Provokation.

Nun dürfte es am heute in Brüssel zum Showdown um die Zukunft Griechenlands kommen. Bisher stehen die anderen 18 Euro-Partner geschlossen zusammen. Die kleineren Länder aus Osteuropa dürften kaum bereit sein, von den eingeforderten Zusagen abzurücken, um letztlich Wahlgeschenke der griechischen Regierung zu finanzieren. Auch Spanien und Portugal, die selbst harte Reformen im Gegenzug für Milliardenhilfen durchziehen mussten, dürften sich wenig großzügig zeigen.

Fraglich ist, ob Frankreich und Italien bis zum Schluss an der Seite der harten Kritiker Athens bleiben. Es könnte eine lange Krisennacht in Brüssel werden. Die Zeit läuft ab. Bis 28. Februar muss eine Lösung stehen, sonst droht Athen die Staatspleite. Wie schon Schäuble sagte: „Am 28., 24.00 Uhr, is over.“

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