Berliner Bürgermeister „Beim Glamour-Faktor ist noch Luft nach oben”

Michael Müller gilt seinen Genossen als erfahren und verlässlich. Politisch dürfte der neue Berliner Bürgermeister an die Politik Wowereits anknüpfen. Zu einer schillernden Politfigur wird er wohl kaum. Ein Porträt.

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„Ich freue mich wahnsinnig, ich bin ganz platt”, kommentierte Müller am Samstag seine 59,1 Prozent beim Votum Berliner SPD-Mitglieder. Der 49-Jährige ist seit 18 Jahren Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus. Quelle: dpa

Berlin Mit der Wahl von Michael Müller zum Nachfolger von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister von Berlin haben sich die SPD-Genossen für den Bewerber mit der größten Erfahrung entschieden. Seit 18 Jahren ist der geborene Berliner Mitglied des Abgeordnetenhauses. Davon war der 49-Jährige zehn Jahre lang Chef der SPD-Fraktion, bevor er Ende 2011 als Bau- und Umweltsenator Mitglied der Wowereit-Regierung wurde. Müller steht klarer als seine unterlegenen Mitbewerber für eine Fortsetzung des bisherigen Politikkurses. „Ich will anknüpfen an 13 erfolgreiche Regierungsjahre”, sagte Müller bei den 14 Mitgliederforen, in denen die drei Bewerber aufeinandergetroffen waren. An der Koalition mit der CDU will er festhalten.

„Ich freue mich wahnsinnig, ich bin ganz platt”, kommentierte Müller am Samstag seine 59,1 Prozent beim Votum der 17.200 Berliner SPD-Mitglieder. Das bedeute viel Vertrauen, aber auch viel Verantwortung. Neben dem Großflughafen Berlin-Brandenburg, für den nach acht Jahren Bauzeit noch immer kein Eröffnungstermin in Sicht ist, dürfte für Müller die Zusammenarbeit mit dem Berliner SPD-Chef Jan Stöß zu einer Herausforderung werden. Stöß und Fraktionschef Raed Saleh wollten ebenfalls Wowereit beerben. Sie unterlagen überraschend deutlich. Vor allem Stöß hatte sich größere Chancen ausgerechnet. Sein Verhältnis zu Müller ist von Konkurrenz geprägt: Der Verwaltungsjurist verdrängte im Juni 2012 in einer Kampfkandidatur überraschend Müller aus dem Parteivorsitz.

Die Zusammenarbeit mit dem SPD-Chef könnte sich schwierig gestalten. Stöß hatte Müller im parteiinternen Bewerberrennen attackiert und mit einem eigens verfassten 100-Tage-Programm „Mut zur Erneuerung” auf die Mobilisierung unzufriedener Genossen gesetzt. „Wir werden mit dem Stil, nur Erfolge aufzuzählen, die Wahlen 2016 nicht gewinnen”, sagte Stöß bei einem der Mitgliederforen. Müller warf er vor, dieser wolle „in Ruhe den Koalitionsvertrag abarbeiten”, und setzte hinzu: „Im Schlafwagen werden wir die Wahl 2016 nicht gewinnen.”


Müller: „Kandidiere nicht als regierender Moderator”

Müller zeigte sich kämpferisch: „Ich kandidiere nicht als regierender Moderator.” Die Erfolge der SPD lasse er sich nicht kaputtreden. Als er als Bausenator angefangen habe, seien jährlich 3000 Wohnungen in der Stadt gebaut worden. Nun seien es 10.000: „Das hat nichts mit Schlafwagen zu tun.”

Das Debakel um den Bau des Berliner Flughafens will Müller weiter als Chefsache betreiben. Er wolle im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft selbst geradestehen und die Zuständigkeit nicht an einen Staatssekretär delegieren. Den Brandenburgern gab er mit auf den Weg, dass er ihnen mehr Verantwortung für den Flughafen abverlangen werde: Es könne nicht sein, dass Brandenburg sich nur für den Lärmschutz der Anwohner zuständig fühle, Berlin aber für alles andere.

Seine größte Niederlage erlitt Müller beim Volksentscheid über die Nutzung des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Der Senat warb für eine teilweise Bebauung des Flugfeldes mitten in der Stadt - und scheiterte damit an der Bevölkerung, weil das Konzept nicht überzeugte. Müller erwarb sich trotz der Niederlage Respekt in den eigenen Reihen, weil er bis zuletzt für die eigene Überzeugung eingestanden habe.

Dem Bürokaufmann Müller, der bei seinem Vater auch das Buchdruckerhandwerk erlernte, haftet in der eigenen Partei das Bild eines eher spröden, trockenen Politikers an. Im Aufeinandertreffen mit seinen Konkurrenten punktete er indes mit Selbstironie. „Ich weiß - beim Glamour-Faktor ist noch Luft nach oben”, sagte er mit Blick auf den Vergleich mit Wowereit. Nach dem Sieg beim SPD-Mitgliedervotum kann sich Müller nun auf einen goldenen Dezember einstellen: Nur zwei Tage nach seinem 50. Geburtstag dürfte ihn das Abgeordnetenhaus am 11. Dezember mit den Stimmen von SPD und CDU zum neuen Regierungschef wählen.

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