In Deutschland gehen laut einer Studie bis 2030 deutlich mehr Kinder in die Schule als bislang angenommen. Nach einer am Mittwoch vorgestellten Berechnung der Bertelsmann-Stiftung steigt die Zahl der Schüler in den nächsten 13 Jahren um 8 Prozent an. Demnach müssten die Länder und Kommunen mit jährlich 4,7 Milliarden Euro höheren Bildungskosten rechnen.
Bislang basieren die Berechnungen der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder auf Zahlen aus dem Jahr 2012. Seitdem aber ist die Geburtenrate zum fünften Mal in Folge gestiegen und die Flüchtlingswelle hat zusätzliche neue und zukünftige Schüler nach Deutschland gebracht.
Beim Abgleich der bisherigen Prognose der KMK und der neuen Zahlen ergeben sich große Differenzen.
Steigende Schülerzahlen in Deutschland - wo ist das Problem?
Schreckensszenario oder wichtige Warnung? Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung steigen die Schülerzahlen in Deutschland bis zum Jahr 2030 viel stärker an als bislang angenommen. Unter dem Titel „Demographischer Wandel ade - Aktuelle Bevölkerungsentwicklung und Folgen für die allgemeinbildenden Schulen“ listen die Forscher aus Gütersloh auf, was an zusätzlichen Kosten auf Länder und Kommunen zukommt und wie gegengesteuert werden kann. Nach ihrer Prognose gibt es bis 2025 rund 4 Prozent mehr Schüler, bis 2030 ist ein Plus von 8 Prozent.
Laut Studienautor Dirk Zorn beruht die offizielle Schülerprognose der Kultusministerkonferenz noch auf Zahlen aus dem Jahr 2012. „Seitdem sind aber zwei Dinge passiert: Fünfmal in Folge ist die Zahl der Geburten gestiegen und wir hatten deutlich höhere Zuwanderungszahlen als erwartet“, sagt der Autor.
Ein Umsteuern im Schulsystem braucht erheblichen zeitlichen Vorlauf. Experten gehen in der Regel von rund sieben Jahren aus, um reagieren zu können. „Das gilt für zusätzliche Lehrkräfte genauso wie für neue Schulgebäude. Die veränderte demografische Entwicklung mit ihren Folgen für die Schülerzahlen muss deshalb jetzt auf die politische Agenda“, sagt Zorn als Fazit.
Berlin plant bereits den Bau von zahlreichen zusätzlichen Schulen. Grund ist hier die seit Jahren ansteigende Bevölkerungszahl in der Hauptstadt.
Die Ausbildung von neuen Lehrern liegt in der Hand der Länder, der Bau von neuen Schulen ist Aufgabe der Kommunen. „Damit sich die Bildungsverwaltung auf die zusätzlichen Schüler einstellen kann, müssen deshalb beide Seiten gut zusammenarbeiten“, sagt Zorn. Terhart dagegen verweist auch auf die persönliche Lebensplanung von angehenden Lehrern. „Hier ist ein sehr genauer Blick nötig. Wir haben heute zum Beispiel einen großen Lehrermangel an Berufsschulen und Grundschulen, aber eben nicht am Gymnasium für die Fächer Deutsch und Geschichte“, sagt der Experte der Uni Münster.
„Der Anstieg der Schülerzahlen war so nicht absehbar. Auch wir haben vor ein paar Jahren noch mit weiter sinkenden Zahlen gerechnet“, sagt Dirk Zorn, der mit Professor Klaus Klemm die Studie erstellt hat. Ewald Terhart von der Universität Münster bezeichnet die Studie als gut und sehr interessant. Aber: Es gebe Grenzen und Lücken. Der Professor warnt davor, die alten und heute falschen Zahlen der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2012 mit der unsicheren Prognose der Bertelsmann-Stiftung im Vergleich zu vermischen.
Nein, es gibt starke regionale Unterschiede. Ländliche Bereiche sind weniger betroffen als Großstädte und Metropolen. „Hier helfen den Verantwortlichen bei der Planung nur regelmäßig aktualisierte Vorausschätzungen auf kommunaler Ebene“, sagt Zorn. „Wir müssen hier noch zu einer viel feinkörnigeren Betrachtung kommen“, sagt auch Terhart.
Laut Bertelsmann-Stiftung würde es im Jahr 2020 mit 7,87 Millionen Schülern im Gegensatz zur alten Prognose ein Plus von 470.000 geben. 2025 steigt die Schülerzahl demnach auf 8,26 Millionen an, die Lücke in der Prognose erweitert sich auf eine Million. 2030 würde es laut Studie 8,59 Millionen Schüler geben. Da die KMK-Prognose 2025 endet, ist hier kein Abgleich mehr möglich.
Der Münsteraner Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart warnt vor einem Vergleich der alten und heute falschen Zahlen der KMK mit unsicheren Prognosen. „Die Studie ist gut, aber wir müssen auch die Lücken und Grenzen sehen“, sagt der Professor der Uni Münster.