Für immer mehr Deutsche und andere Europäer verlieren die EU und der Euro ihre Bedeutung für wirtschaftlichen Wohlstand und Stabilität. So ist die Mehrheit der Deutschen der Auffassung, dass es ihnen mit der D-Mark heute besser ginge. Das geht aus eine Studie des Meinungsforsuchungsinstitus TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor. Danach antworteten 65 Prozent der Befragten, dass ihre persönliche Lebenssituation mit der D-Mark heute „viel besser“ oder „etwas besser“ wäre. Der Studie zufolge sind 49 Prozent der Deutschen auch der Meinung, dass es ihnen persönlich ohne die Europäische Union heute besser ginge. Nur 29 Prozent glauben, dass die EU ihr Leben verbessere.
Und 52 Prozent der Befragten glauben, dass ihre Job-Chancen nicht von der EU beeinflusst seien. Ohne das politische Bündnis seien ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt genauso gut wie jetzt, wenn nicht sogar besser. Nur 28 Prozent glauben, dass sie ohne die EU auf dem Arbeitsmarkt schlechter dastünden.
Geschichte des Europaparlaments
Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) wurde auch eine „Gemeinsame Versammlung“ geschaffen. Am Anfang hatte sie 78 Parlamentarier, die ausschließlich beratende Funktion hatten - und von den nationalen Parlamenten entsandt wurden.
Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurden die beratenden Aufgaben der Versammlung ausgebaut. Seit 1962 trägt sie inoffiziell den Namen „Europäisches Parlament“ – seit 1986 auch offiziell.
Das Europaparlament bekommt ein Mitsprachrecht an den Haushaltsverfahren der Gemeinschaft.
Erstmals wird das Europaparlament direkt gewählt.
Durch die Einheitliche Europäische Akte erhält das Europaparlament zusätzliche Kompetenzen – zum Beispiel in der Gesetzgebung zur Einrichtung des Binnenmarktes.
Das Europaparlament erhält weitere Mitentscheidungsrechte. Außerdem muss es der Ernennung einer neuen Kommission zustimmen.
Seit dem Vertrag von Amsterdam bedürfen alle wichtigen Personalentscheidungen auf EU-Ebene der Zustimmung des Parlaments.
Auch der Vertrag von Lissabon stärkt die Rechte des Parlaments. Bei wichtigen Gesetzen bekommt das Parlament ein Mitentscheidungsrecht. Auch bei internationalen Handelsabkommen muss das Parlament jetzt zustimmen. Als weiteres demokratisches Element wird die "Europäische Bürgerinitiative" als direkte Möglichkeit für Bürgerbeteiligung eingeführt.
"Gefordert ist eine politische Antwort, ein überzeugendes Konzept für eine vertiefte und damit bessere Union", sagt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Für ihn sind die Umfrageergebnisse ein Alarmzeichen für die Politik. Und Tanja Börzel, Inhaberin des Lehrstuhls für Europäische Integration an der Freien Universität Berlin bestätigt: "In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das Frustpotenzial der Bürger enorm hoch."
Auffällig ist, dass die Deutschen der EU und der Gemeinschaftswährung wesentlich skeptischer gegenüber stehen, als die Nachbarn in Frankreich und Polen. So glauben beispielsweise nur 34 Prozent der Franzosen, dass es ihnen ohne die EU persönlich besser ginge, 36 Prozent glauben, dass sie mit der alten Währung besser dran wären. "Viele Bürger sind unzufrieden mit dem Fiskalpakt, dem vielleicht sicht- und greifbarsten Teilaspekt des europäischen Krisenmanagements", sagt Börzel. "Ironischerweise wird der Frust über den Sparkurs auf Brüssel übertragen, dabei haben die Nationalstaaten diesen Pakt ja außerhalb der EU-Verträge beschlossen."
EU gefährde sozialen Frieden
Bei den Deutschen zeigt sich dagegen Pessimismus auf allen Ebenen: 48 Prozent glauben, dass die Europäische Union über Kurz oder Lang den sozialen Frieden innerhalb Europas gefährde und 50 Prozent sind sich sicher, dass in der EU das Verhältnis von Marktwirtschaft und sozialer Verantwortung aus den Fugen geraten sei. Zwei Drittel der Deutschen wollen außerdem die D-Mark zurück. "Die Europäer und insbesondere die Deutschen wollen als Ersatz für die untergangene D-Mark und den bewährten Nationalstaat der Nachkriegszeit einen Euro als Gewähr für Wohlstand und eine gefestigte EU als Anker für Stabilität und Gerechtigkeit. Nur das wird sie wirklich überzeugen", bekräftigt De Geus.
EU als Wettbewerbshüter gefragt
Bei der Studie fiel allerdings auf, dass die Euroskepsis der Deutschen in den mittleren und höheren Altersgruppen sowie bei Menschen mit geringer Bildung und geringerem Einkommen besonders ausgeprägt war. Junge Menschen mit guter Bildung und gutem Einkommen blickten eher positiv auf das politische Konstrukt der EU. Was die Mehrheit der Befragten eint, ist dagegen die fehlende europäische Identität: Die Menschen sind Deutsche, Polen oder Franzosen, nicht aber Europäer.
Die 10 Gebote für die Euro-Zone
Kein Staat darf sein Defizit über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen lassen. Tut er es doch, wird automatisch eine Geldstrafe gegen ihn verhängt.
Der EU-Finanzministerrat darf Strafverfahren gegen Haushaltssünder nur noch in absoluten Ausnahmefällen stoppen - und dann nur mit Zweidrittelmehrheit. Das wird im neuen EU-Vertrag von Lissabon festgeschrieben.
Jeder Euro-Staat muss eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankern. Der europäische Pump-Kapitalismus gehört der Vergangenheit an.
Euro-Länder, die die Schuldenbremse nicht vorschriftsgemäß in ihrer Verfassung verankert haben, können vor dem europäischen Gerichtshof verklagt werden. Damit bekommt Europa in Finanzfragen Vorrang vor den Nationalstaaten.
Der griechische Schuldenschnitt bleibt ein einmaliger Sündenfall, der sich nicht wiederholen darf. Rechtsicherheit für Investoren wird im Gründungsvertrag des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM festgeschrieben.
Die Euro-Zone bekommt eine echte Wirtschaftsregierung: Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich jeden Monat zu einem Gipfel, um ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren und das Wachstum gemeinsam anzukurbeln.
Die Europäische Zentralbank ist und bleibt unabhängig. Sie entscheidet selbst, ob und wie viele Staatsanleihen sie ankauft. Die Regierungen der Euro-Zone äußern sich dazu nicht.
Euro-Bonds sind nicht geeignet, die Schuldenkrise zu lösen. Sie werden vorläufig nicht eingeführt. Jeder Euro-Staat haftet weiter individuell für seine Schulden.
Deutschland und Frankreich übernehmen als größte Volkswirtschaften de facto die politische Führung in der Euro-Zone. Das steht so nirgends, wird aber von fast allen akzeptiert.
Die Euro-Zone marschiert voran in Richtung Fiskalunion und lässt dabei notfalls die zehn Nicht-Euro-Länder hinter sich. Wenn EU-Vertragsänderungen nicht mit allen 27 Staaten machbar sind, werden sie eben von den 17 Euro-Ländern allein beschlossen.
Auf die Frage "Können Sie sich etwas unter einer 'europäischen Lebensart' vorstellen?" sagten 66 Prozent der Polen "Ja", bei den Deutschen immerhin noch 44 Prozent, aber nur noch 26 Prozent der Franzosen. "So schlecht haben die Menschen die EU und den Euro insbesondere in Deutschland noch nie beurteilt", sagt De Geus.
Vertrauen hatten die Befragten in die EU nur als Beschützer des Wettbewerbs. 59 Prozent sagen, dass Deutschland ohne die EU Probleme hätte, sich beispielsweise gegenüber den Schwellenländern zu behaupten. Polen und Franzosen sind noch stärker davon überzeugt, die EU im globalisierten Handel zu brauchen. Die politische Führung müsse jetzt das Modell für eine Wirtschafts-, Politik- und Sozial-Union in den "Vereinigten Staaten von Europa" präsentieren, sagt De Geus. Um das zu erreichen, müsse zuerst die europäische Finanzkrise überwunden werden - und zwar mit einem Währungs- und Fiskalpakt. Besonders wichtig sei aber auch, dass der europäische Bürger nicht mehr nur ohnmächtiger Zuschauer und Konsument sei, sondern auch ein Mitspracherecht bekäme. Der Bürger müsse in Europa wieder souverän werden, damit er die EU akzeptieren kann.
ked