100 Prozent – auf diese Zahl ist Heike Bojunga stolz. Viele der 54 Beschäftigten der Dresdener Medienagentur Sandstein haben Kinder, insgesamt sind es 64 Sprösslinge, zwei Frauen sind schwanger. Manche aus diesem Kreis gut ausgebildeter Akademiker sind in den vergangenen Jahren erst Eltern geworden – und alle sind in ihren Job zurückgekehrt. 100 Prozent.
"Bei uns gelten Kinder als Teil des Lebens und nicht als Handicap im Beruf", wirbt Geschäftsleiterin Bojunga. In Sachsens Hauptstadt mag es mehr Krippenplätze, Kitas und Hortplätze für Schüler geben als in westdeutschen Großstädten. „Aber es reicht ja nicht, dass es genug Plätze zur Kinderbetreuung gibt“, weiß die 45-Jährige. "Was nützt das den Frauen, wenn sie nach der Babypause im Unternehmen kein wichtiges Projekt mehr bekommen?"
Jungen Eltern geht es längst nicht mehr nur um das, was ihnen die Politik seit dem 1. August anbietet – den Anspruch auf einen Krippenplatz oder die Betreuung bei einer Tagesmutter nach dem ersten Geburtstag. Zudem gibt es zunächst 100 und bald 150 Euro Betreuungsgeld für jedes ein- bis zweijährige Kind, das nicht in einer Krippe betreut wird. Damit sind zufriedene Kinder und eine Rückkehr in den Job aber noch nicht erreicht.
Kreativ sein für Fachkräfte
Unternehmen und Eltern sind der Politik voraus. Gerade kleine und mittlere Firmen werden kreativ, um beim Werben um Fachkräfte mithalten zu können. Große haben teils Betriebskitas gegründet oder bezahlen Plätze in öffentlichen Einrichtungen.
Während sich Bürgermeister und Kämmerer noch den Kopf über Krippen-Klagen von Eltern zerbrechen und Notgruppen bei Tagesmüttern einrichten, während die Opposition über das Betreuungsgeld wettert, das schon wegen der Vorgaben in den nächsten Monaten spärlich ausgezahlt wird, sind Unternehmen oft weiter. Personalchefs lassen sich vermehrt auf flexible Arbeitszeiten und mobilen Einsatz auch von zu Hause ein. Sie kümmern sich um Kurzzeithilfe, wenn ein Kind krank ist. Mütter und Väter suchen derweil für ihre Schulkinder händeringend nach einer Betreuung nachmittags und in den Ferien.
Heike Bojunga spricht als Teilhaberin einer Firma, die IT-Fachleute und Medienspezialisten an sich binden will. In Sachsen kann sie keine Gehälter wie in Frankfurt oder München zahlen. Also muss die Agentur mit guter Atmosphäre und maßgeschneiderten Jobs Eindruck machen. Zwei, die sich einen Job teilen, Vertrauensarbeitszeit und Arbeit am Firmennetzwerk von zu Hause aus – alles schon da gewesen und selbstverständlich. Im Notfall bringen Eltern ihre Kinder mit ins Büro. Schließlich muss die Agentur termingetreu und zur Zufriedenheit der Kundschaft liefern.