Besteuerung Den Reichen geht es an den Kragen

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Hausbesuche vom Fiskus

Doch auf den Gleichheitsgrundsatz pfeifen die Finanzminister und ihre Beamten, wenn es ums Geld geht. Sie angeln verständlicherweise dort, wo die dicksten Fische schwimmen. Das beginnt schon beim Einstellen der Risikomanagementsysteme in den Finanzämtern. Diese funktionieren ähnlich wie die Rasterfahndung bei der Terrorismusbekämpfung, nur dass es der Finanzverwaltung darum geht, aus dem Millionenheer der Steuerpflichtigen per Computerprogramm verdächtige Fälle herauszufiltern. Als Raster dienen Parameter, die jede Finanzverwaltung selbst auswählt und die wie ein Staatsgeheimnis gehütet werden, damit Steuer-Schummler sich darauf nicht einstellen können. Ein Parameter ist jedoch bei allen gleich: Steuererklärungen für ein Jahreseinkommen über 500.000 Euro werden automatisch herausgefischt und von den Finanzbeamten genau geprüft. Erklärungen für Einkommen bis zu 40.000 Euro flutschen hingegen in der Regel sofort mit einem Häkchen versehen durch.

Damit nicht genug. Während Normalverdiener hierzulande in aller Regel keinen Finanzbeamten mehr zu Gesicht bekommen, erhalten Einkommensmillionäre immer häufiger Hausbesuche vom Fiskus. In Baden-Württemberg klopfen die Prüfer im Schnitt alle sieben Jahre bei den „Fällen mit besonderen Einkünften“ an, in Hessen lassen sie zwischen zwei Besuchen nur fünfeinhalb Jahre verstreichen. Dabei filzen die Beamten sämtliche Unterlagen der vergangenen drei Jahre. Einkommensmillionäre werden damit viel häufiger vom Fiskus heimgesucht als mittelständische Betriebe (die müssen damit nur alle 15 Jahre rechnen).

Natürlich haben die Reichen in der Regel ausgebuffte Steuerberater an ihrer Seite, die sich im Dickicht der Abschreibungs- und sonstigen Steuersparmöglichkeiten gut auskennen. Doch die Finanzbeamten konterten durchaus auf Augenhöhe, meint Minister Walter-Borjans unter Verweis auf die Ergebnisse in seinem Bundesland: „Die Prüfung der Einkommensmillionäre hat 2014 in 307 Fällen zu Mehreinnahmen von insgesamt 49 Millionen Euro geführt – im Schnitt 160.000 Euro je Fall.“

Rechnungshof tobt

Seit den spektakulären Verfahren gegen den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel und Fußball-Boss Uli Hoeneß wissen Millionäre zudem sehr genau, wie riskant, teuer und unangenehm Steuerhinterziehung sein kann. Stoßen Prüfer auf Hinweise, alarmieren sie sofort die Steuerfahnder, die dann, oft flankiert von der Staatsanwaltschaft, einrücken. Mehr als 110.000 Selbstanzeigen binnen weniger Jahre belegen, wie sehr Steuerhinterzieher mittlerweile den deutschen Fiskus fürchten.

Diese Prominenten haben ein Konto in der Schweiz
Logo der Schweizer HSBC-Bank Quelle: REUTERS
Unter den Kunden der Schweizer HSBC-Tochter befindet sich laut den Recherchen auch Gennadi Timtschenko. Er ist ein russisch-finnischer Oligarch im Ölhandel und ein Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Timtschenko wohnt in Genf. Sein Vermögen soll sich auf rund 14 Milliarden US-Dollar belaufen und er steht laut „Süddeutscher Zeitung“ auf der US-Sanktionsliste. Quelle: Handelsblatt Online
Der italienische Sport- und Industriemanager wurde bekannt als Teamchef des Formel-1-Rennstalls von Renault. Mehr als 73 Millionen Dollar soll Briatore bei der HSBC geparkt haben. In den enthüllten Dokumenten taucht sein Name im Zusammenhang mit neun Kundenkonten auf. Unter anderem gehöre ihm ein Nummernkonto, das 2005 geschlossen wurde, heißt es in den Berichten. Bei mindestens sechs Konten sei er als Inhaber aufgeführt – damit steht er in Verbindung mit 38 Bankkonten. Quelle: dpa
Der Banker war Inhaber der griechischen Proton Bank. Lavrentis Lavrentiadis (rechts) saß bereits in Haft wegen Verdachts auf Mord und Geldwäsche. Sein Name steht in Zusammenhang mit sieben HSBC-Kundenkonten, davon zwei Nummernkonten. Quelle: Handelsblatt Online
Der US-amerikanischer Schauspieler Christian Slater hat bereits an der Seite von Tom Cruise und Brad Pitt gearbeitet. 1996 ist er mit Jon Travolta im Action-Film „Broken Arrow“ zu sehen. Er ist vorbestraft wegen Körperverletzung und Alkohol am Steuer. Der Schauspieler wird in Verbindung gebracht mit einem HSBC-Konto namens „Captain Kirk”. Es wurde 1996 eröffnet und bereits ein Jahr später wieder geschlossen. Die enthüllten Dokumente geben allerdings keinen Aufschluss über Slaters genaue Rolle in Verbindung mit dem Konto. Quelle: Handelsblatt Online
Der spanische Formel-1-Pilot Fernando Alonso ist seit 2002 Kunde der HSBC. Er hat vier Jahre in der Schweiz gelebt. Seiner Kundendatei lassen sich vier Bankkonten zuordnen, die in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt 42,3 Millionen Dollar Wert waren. Sein Manager erklärt, dass Alonso in mehreren Ländern steuerlich registriert sei – aber überall immer korrekte Angaben mache. Auch Kollege Heikki Kovalainen zählt zu den Kunden der HSBC. Quelle: REUTERS
Li Xiaolin ist eine chinesische Geschäftsfrau und Vorsitzende der China Power Investment Corporation. Die Multimillionärin ist die Tochter des chinesischen Ex-Premiers Li Peng und ist seit 2001 Kundin bei der Schweizer HSBC-Tochter. Mit ihrem Mann unterhielt sie 2006/2007 fünf Bankkonten mit einem Wert von insgesamt 2,48 Millionen Dollar. Die Konten liefen unter dem Namen der „Metralco Overseas S.A.“, einer in Panama registrierten Firma. Die Firma wurde 2012 aufgelöst. Quelle: Handelsblatt Online

Das sieht auch der oberste Steuergewerkschafter so. Thomas Eigenthaler erklärt mit Blick auf die OECD-Kritik: „Wir brauchen keine Sondereinheiten für Reiche.“ Selbst der Bundesrechnungshof, der vor einigen Jahren noch Kritik an der Gerechtigkeit des deutschen Steuerwesens übte, erkennt an: „Der Gesetzgeber hat auf die Kritik des Bundesrechnungshofes reagiert und die Prüfung der Einkommensmillionäre verbessert.“

Dagegen vermittelt die OECD in ihrer jüngsten Studie den Eindruck, in Deutschland tue sich so gut wie nichts. Positiv heben die Berichterstatter dagegen ausgerechnet Griechenland hervor, weil die dortige Finanzverwaltung nun Sonderabteilungen für Superreiche eingerichtet habe. Ob diese aber wirklich die katastrophale Zahlungsmoral unter griechischen Steuersündern verbessern, ist noch völlig unklar. Die Auswertung der von der Schweiz übermittelten Daten über Tausende mögliche Steuerhinterzieher etwa stockt in Athen nach wie vor.

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