Besteuerung Den Reichen geht es an den Kragen

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Steuereinnahmen auf Rekordniveau

Auf Nachfrage rudert die OECD bei ihrer Kritik an Deutschland zurück. Achim Pross, Steuerexperte der Organisation, nennt Sonderabteilungen für die Überprüfung der Reichen plötzlich nur noch „eine Möglichkeit, aber sicherlich nicht den einzig gangbaren Weg“. Die Studie selbst treffe keine Aussage, „auf deren Grundlage man sagen könne, dass die deutsche Finanzverwaltung bei der Besteuerung von HNWIs besser oder schlechter arbeitet als andere“.

Dafür fehlen international verlässliche Vergleichsmöglichkeiten. Nachbarland Frankreich etwa scheint zwar zumindest auf dem Papier härter mit seinen Reichen umzuspringen. Der sozialistische Präsident François Hollande führte dort 2013 eine Reichensteuer von 75 Prozent für Einkommensmillionäre ein. Prompt kehrten rund 3000 französische Schwerreiche ihrer Heimat den Rücken, etwa Filmstar Gérard Depardieu. Mittlerweile ist die Zusatzsteuer ausgelaufen, der reguläre Spitzeneinkommensteuersatz beläuft sich nun auf fast 55 Prozent inklusive einiger Sonderabgaben. Das ist höher als die 47,5 Prozent, die Topverdiener hierzulande zahlen müssen.

Aufkommen an der Einkommensteuer nach Einkommensgruppen in Deutschland. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Aber: Dass das Eintreiben dieser Sätze beim Nachbarn ebenso zuverlässig geschieht wie in Deutschland, bezweifeln Experten wie Stefan Homburg, Steuerberater und Professor an der Universität Hannover. „In der Hölle werden französische Steuergesetze von deutschen Finanzbeamten ausgeführt“, scherzt Homburg. „Penibler als bei uns geht es in keinem anderen Land zu.“

Urteil der Wähler

Dafür spricht auch, wie zufrieden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit den jüngsten Steuereinnahmen ist. Sie sprudeln auf Rekordniveau, und der Beitrag der Reichen daran ist beachtlich. Das oberste Prozent der Steuerbürger (mit Einkünften ab 204.605 Euro) zahlte im vorigen Jahr fast 23 Prozent der gesamten Einkommensteuer, ermittelte das Bundesfinanzministerium. Dabei war deren Anteil am verfügbaren Einkommen mit zehn Prozent deutlich geringer – ein Beleg dafür, dass hierzulande starke Schultern auch höhere Steuerlasten tragen (siehe Grafik).

Ob die Reichen damit genügend Steuern zahlen, darüber lässt sich trefflich streiten. Dass die seit 2009 geltende Abgeltungsteuer von pauschal 25 Prozent (plus Solidaritätszuschlag) auf Kapitaleinkünfte in ungerechtfertigter Weise Reiche begünstige, geben Christdemokrat Schäuble und sein SPD-Vorgänger Peer Steinbrück unisono zu bedenken. Beide verfolgen auch die Debatten um soziale Ungleichheit wachsam, angestoßen etwa vom französischen Ökonomen Thomas Piketty. Und sie wissen, dass die hohen Sozialabgaben in Deutschland die Mittelschicht proportional härter treffen als die Reichen.

Allerdings haben im letzten Bundestagswahlkampf SPD und Grüne für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes um sieben Prozentpunkte geworben. Die Mehrheit der Bundesbürger entschied sich dagegen.

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