Besuch in Deutschland Wie willkommen ist der Emir?

Es ist nicht alles Gold, was glänzt für den Emir von Katar heute in Berlin. Sein Staat ist wichtiger Investor, aber auch der Terrorfinanzierung verdächtig. Entsprechend groß ist der Unmut in der deutschen Politik.

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Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani ist zu Besuch in Berlin. Quelle: Imago

Berlin Großer Bahnhof für den Emir von Katar: Bei seinem Besuch in Berlin wird Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani nicht nur Bundespräsident Joachim Gauck treffen. Auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) wird er empfangen. Der hohe Besuch birgt einige Brisanz. Politiker von SPD, Linken und Grüne fordern, dass in den politischen Gesprächen auch kritische Themen angesprochen werden. Solche gibt es einige.

Al-Thani, der sein Amt im Juni 2013 von seinem Vater übernommen hat, stand zuletzt wegen des Verdachts in der Kritik, die von der Bundesregierung als Terrororganisationen geführten Hamas und Islamischer Staat (IS) zu finanzieren. Außerdem werden Katar Menschenrechtsverletzungen auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 vorgeworfen.

Andererseits ist Deutschland für den Golfstaat ein attraktives Investitionsziel. Kürzlich kaufte sich ein Scheich aus Katar bei der Deutschen Bank ein und wurde so zum größten Einzelaktionär. Bei VW hält die Katar Holding 15,6 Prozent und bei Hochtief hat Katar einen Aktienanteil von zehn Prozent. Zudem investieren die Kataris in Siemens.

Für Deutschland ist Katar ein wichtiger Handelspartner. Dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel dem Wüstenstaat aber keine Panzer mehr liefern will, scheint das Verhältnis nicht zu trüben. Auf der Webseite von Gabriels Ministerium ist von problemfreien bilateralen Wirtschaftsbeziehungen die Rede.

Im Jahr 2012 belief sich der Warenaustausch auf knapp zwei Milliarden Euro. Mineralöl- beziehungsweise chemische Erzeugnisse liefert Katar an Deutschland. Kraftfahrzeuge, Maschinen, elektrotechnische und chemische Erzeugnisse exportieren deutsche Firmen nach Katar. Im Jahr 2012 belegte das Emirat im deutschen Außenhandel bei der Einfuhr den 69. Rang und bei der Ausfuhr der 67. Rang.

Mit Ausbruch der Irak-Krise hat sich jedoch etwas geändert. Der kleine Golfstaat Katar steht unter verschärfter Beobachtung, zumal der Vorwurf im Raum steht, das finanzkräftige Emirat unterstütze die Islamisten-Miliz IS. Wie brisant das Thema ist, konnte man daran sehen, dass sich Bundeskanzlerin Merkel jüngst dazu genötigt sah, Stellung zu beziehen. Sie reagierte damit auf Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der in einem ZDF-Interview im Zusammenhang mit der Finanzierung der IS-Terroristen in Syrien und im Irak das „Stichwort Katar“ genannt hatte. Merkel ging daraufhin auf Distanz und erklärte, die IS-Gruppe sei finanziell sehr gut aufgestellt, ohne, soweit sie das wisse, von einem Staat unterstützt zu werden.


„Fußball-WM in Katar ist eine gravierende Fehlentscheidung“

Vor Müller hatten jedoch auch schon SPD und Grüne von Verbindungen des westlichen Verbündeten zu den IS-Terroristen gesprochen. Selbst Vizekanzler und SPD-Chef Gabriel schaltete sich ein. Ohne Katar direkt beim Namen zu nennen sagte Gabriel: „Die Debatte darüber, wer derzeit und in der Vergangenheit Finanzmittel für ISIS (heute IS) gegeben hat, die steht uns ja noch bevor.“ International werde diese Diskussion längst geführt. Und jetzt könnte sie auch in Deutschland geführt werden, im direkten Austausch mit dem Emir.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass beim Besuch al-Thanis nicht über die Situation im Irak und Syrien gesprochen wird – und über die Rolle Katars in den Konflikten“, sagte der Vize-Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Klaus Barthel (SPD), dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Es gebe „hohen“ Aufklärungsbedarf. „Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit gegenüber darstellt, wer den IS unterstützt und welche Rolle Katar dabei spielt. Dann haben wir zu entscheiden, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen“, so Barthel.

Es sei schon erstaunlich, kritisierte der SPD-Politiker, „mit welchem Eifer bei uns Sanktionen gegen Russland diskutiert werden und wie die Unterstützer des IS-Feldzuges ausgeblendet bleiben“. Anstelle von Waffenlieferungen in den Nord-Irak sei eine politische Lösung für die gesamte Region nötig, die damit beginnen müsse, dass man Terror und Gewalt jegliche Unterstützung entzieht. „Katar kann dabei eine wichtige Rolle spielen.“

Deutliche härter fällt das Urteil von SPD-Bundesvize Ralf Stegner über Katar aus. „Länder, die finanziell oder politisch den Terrorismus des IS unterstützen, dürfen weder deutsche Waffenlieferungen bekommen, noch sollte es mit solchen Staaten privilegierte Wirtschaftsbeziehungen geben“, sagte Stegner dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Auch eine Fußball-WM in Katar ist eine gravierende Fehlentscheidung, die weltweit Kopfschütteln auslösen muss.“

Das sehen die Grünen ähnlich. „Die Bundesregierung darf bei ihren Gesprächen mit dem Emir von Katar nicht einfach zur wirtschaftspolitischen Tagesordnung übergehen“, sagte Fraktionsvize Kerstin Andreae dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

„Ich erwarte, dass Sie mögliche Menschenrechtsverletzungen von ausländischen Arbeitern auf den WM-Baustellen des Landes genauso anspricht, wie die aktuelle Situation im Irak und in Syrien.“ Nach wie vor herrsche Unklarheit über die Rolle Katars als möglichen Finanzier von Terrororganisationen wie dem IS. „Da kann es für die Bundesregierung nicht nur um neue Aufträge für die deutsche Wirtschaft gehen“, betonte die Grünen-Politikerin. „Gerade von Bundespräsident Gauck, den wir immer wieder als umsichtigen und kritischen Politiker erleben, erhoffe ich mir klare Worte.“


„Unerträglich, dass Berlin den roten Teppich ausrollt“

Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, findet es gar „unerträglich, dass Berlin dem blutigen Diktator Katars, Herrn Al Thani, den roten Teppich ausrollt“. Sie forderte Merkel und Gauck auf, sich dafür einzusetzen, dass die WM 2022 nicht in Katar stattfindet.

„Ich habe es bei meinem Besuch in Katar in diesem Jahr mit eigenen Augen gesehen: Katar ist ein Sklavenstaat, der die Arbeiter auf den Baustellen regelrecht zu Tode ausbeutet“, sagte die Linkspartei-Politikerin. „Sklavenarbeit darf aber nicht die Grundlage für ein Fußballfest sein.“

Tatsächlich produzierte das Emirat zuletzt Negativschlagzeilen wegen der Umstände bei der Vergabe der Fußball-WM. Ein katarischer Offizieller soll fünf Millionen Dollar (umgerechnet etwa 3,67 Millionen Euro) Bestechungsgelder gezahlt haben, um die WM an den persischen Golf zu holen. Die Arbeiter auf den Stadionbaustellen klagen zudem über erbärmliche Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Bestechungs-, aber vor allem die Terrorvorwürfe kratzen am Image Katars.

Mit Blick auf die Massaker des IS an Jesiden, Christen und anderen Minderheiten im Irak und in Syrien sprach die Linkspartei-Politikerin Dagdelen von einer „mutmaßlichen Finanzierung“ des IS durch Al-Thani, die „schlicht kriminell“ sei. „Im besten Falle hat er nichts dagegen unternommen, dass die Terrorbande IS aus Katar finanziert wird“, sagte sie und fügte hinzu: „Herr Al Thani gehört deshalb auch nicht auf das diplomatische Parkett in Berlin, sondern vor den Internationalen Strafgerichtshof.“

Dagdelen fordert von der Bundesregierung zudem, den Einfluss der Kataris auf die deutsche Wirtschaft zu überprüfen. „Die zahlreichen Beteiligungen in zentralen deutschen Unternehmen sprechen dafür, dass Katar hier in Deutschland politischen Einfluss zu gewinnen und für seine finsteren Interessen einzuspannen versucht“, sagte die Linke-Politikerin. „Hier muss die Bundesregierung ein deutliches Stoppzeichen setzen, wenn sie sich nicht zum Gehilfen einer blutigen Diktatur machen will.“

Katar versuchte bereits mehrfach die Terrorvorwürfe zu entkräften. Man unterstütze „in keiner Weise“ extremistische Gruppen. „Wir finanzieren weder die IS noch andere extremistische Gruppen“, schrieb der Außenminister des Golfemirats, Chaled Al-Attijah, kürzlich in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Katar lehne die Ansichten dieser Extremisten, ihre gewaltsamen Methoden und ihre Ziele ab. „Durch entschlossenes und gemeinsames Handeln müssen wir der sektiererischen Gewalt im Irak und in Syrien ein Ende setzen“, lautete der Appell des Politikers.


Katar als umtriebiger Krisenvermittler

In Deutschland begegnet die Politik der Verteidigungsrede Al-Attijahs allerdings mit großer Skepsis. Vor Dagdelen stellte auch der CDU-Bundesvize Thomas Strobl Katar als Investor in Deutschland infrage. „ist ein großes Problem, wenn es von denen, die an deutschen Unternehmen beteiligt sind, eine finanzielle Unterstützung für Terroristen gibt“, hatte Strobl dem Handelsblatt gesagt. „Das gilt umso mehr, als die Terroristen unsere Werteordnung bekämpfen.“ Damit gehe es um „essenzielle Sicherheitsinteressen“ Deutschlands. „Ich rate allen Unternehmen, ein wachsames Auge zu haben und noch wachsamer zu sein, wenn sie sich Investoren ins Boot holen.“

Katar würde die im Raum stehenden Vorwürfe am liebsten vergessen machen. Daher wir das Emirat auch nicht müde, sich bei mächtigen Staaten nützlich zu machen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Dass ein in Syrien seit 2012 vermisste US-Journalist jüngst von seinen Entführern freigelassen wurde, könnte wohl auch auf Bemühungen des Golfemirats zurückzuführen sein. Ein Informant aus Katar sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Geheimdienste des Emirats hätten bei der Freilassung eine Rolle gespielt. Auch als die USA ihren Gefangenenaustausch mit den afghanischen Taliban einfädelten, der letztlich zur Freilassung des US-Soldaten Bowe Bergdahl führte, mischte Katar als Vermittler hinter den Kulissen mit.

Katar tritt aber nicht nur als Vermittler in Entführungsfällen in Erscheinung. Der Luftwaffenstützpunkt Al-Udeid nahe der Hauptstadt Doha dient den US-Luftstreitkräften als Oberkommando und Logistikzentrale für die Region. 2011 unterstützte Katar die Nato-Angriffe gegen die Truppen des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi.

Die USA fühlen sich Katar nicht zuletzt auch deswegen verbunden, weil das Emirat 2005 etwa hundert Millionen US-Dollar nach Washington überwies - als Aufbauhilfe nach dem Wirbelsturm Katrina. Andererseits beobachten die Amerikaner misstrauisch die Sendungen des in Katar beheimateten Fernsehsenders Al-Dschasira, den Kritiker im Verdacht haben, anti-amerikanische Propaganda zu verbreiten.

Manchmal verspekulieren sich Katars Diplomaten aber auch. So engagierte sich das Land stark für die ägyptische Muslimbruderschaft. Als deren Kandidat Mohammed Mursi zum Präsidenten gewählt wurde, konnte er auf Milliardenhilfen aus Katar zurückgreifen. Seit Mursis Sturz im vergangenen Jahr ist Katar in Ägypten kaltgestellt.  

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