Bettina Röhl direkt

Das wahre Gesicht des Populismus

Bettina Röhl Publizistin

Die gefährlichsten Populisten sind diejenigen, die das Wort "Populismus" in herabwürdigender Weise gegenüber selektierten Minderheiten verwenden. Diese Form des öffentlich zelebrierten, wahren Populismus ist vor allem eins: ein öffentlicher Kotau des Einzelnen unter die Macht und die Mächtigen im Staat.

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Bernd Lucke Quelle: dpa

Da eine gesetzliche Definition fehlt, was Populismus sein könnte, die Vokabel "Populismus" aber eine beherrschende Rolle im politischen Diskurs spielt (und in den öffentlich-rechtlichen Medien sogar als offiziöse Bezeichnung für einzelne Parteien und Gruppierungen Verwendung findet), wird es zunehmend bedeutsamer, dieses im Prinzip auf Vernichtung abzielende Hass- und Verleumdungswort zu entzaubern.

Weder gibt es eine ausreichend randscharfe Definition des Begriffs "Populismus", noch wohnt dem Wort, so wie es verwendet wird, irgendeine Legitimität oder Moral inne. Diejenigen, die das Wort "Populismus" routiniert gegen andere Menschen mit herabwertender Absicht verwenden, sind höchst selber "Populisten" und sie sind die gefährlichsten Populisten noch dazu.

"Politisch-korrekter Mainstream" ist ein Synonym für "Populismus"

Der politisch-korrekte Mainstream ist der sichere Hinterhalt, aus dem heraus die Korrekten auf die von ihnen ausgemachten Unkorrekten, natürlich vollkommen "souverän" und im Vollbesitze ihrer geistig-moralischen "Überlegenheit", lustvoll schießen. Dies tun sie ohne Skrupel und ohne sich groß darum zu scheren, was sie anrichten. Der politisch-korrekte Mainstream ist geradezu ein Synonym für "Populismus". Oder umgekehrt: "Populismus" entleert sich im politisch korrekten Mainstream, treibt und beschleunigt diesen. Das allerdings ist nicht der "Populismus", gegen den sich die Meinungsmanipulateure unter Verwendung der Vokabel Populismus wenden.

Wenn man den Populismus mit einem faulen Ei vergleicht, dann existiert im öffentlichen Diskurs bestenfalls ein halbes faules Ei. Die andere Hälfte des faulen Eies ist die Munition, mit der die Mainstreamer oder die wahren Populisten auf die von ihnen auserkorenen "Feinde" mit großem Hass und jener Mischung aus Alarmismus und demonstrativer Gelassenheit und unendlicher Überlegenheit heraus gelegentlich aus allen Rohren feuern.

Die umstrittensten Zitate aus dem Sarrazin-Buch
Sarrazin zum Vorwurf des Rassismus"Die beliebteste Verunglimpfungsmasche ist dabei der Vorwurf des Rassismus. Natürlich ist es stets richtig, nicht die eigene Gruppe zu überhöhen, um die andere zu verteufeln. Falsch aber ist es, mit einer Gleichheitsideologie die Existenz von Unterschieden per se zu tabuisieren bzw. als einizge Erklärung einen Mangel an Gerechtigkeit zuzulassen. In dieser Perspektive gibt es einen "Rassismus der Intelligenz", einen "Rassismus des Geschlechts", einen "Rassismus gegen Muslime", und wenn man etwa auf die unterdurchschnittlichen PISA-Ergebnisse von Schülern türkischer Herkunft in Deutschland verweist, so ist dies selbstverständlich "Rassismus gegen Türken"." Quelle: dpa/dpaweb
Sprache und 'Political Correctness' als Instrument der Meinungslenkung"Ein Beispiel aus der Gegenwart ist Angela Merkels Standardsatz "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa". Er dient dem Zweck der Meinungslenkung und Beeinflussung. Aus Sicht der meisten Bürger ist ja "Europa" fraglos etwas Gutes. Wer vom Euro nicht viel hält, ist also offenbar gegen das Gute und damit gleich moralisch verdächtig. Vorgaben zur Wahl der Worte dienen dazu, eine bestimmte Sicht durchzusetzen, ohne groß zur Sache zu argumentieren." Quelle: dpa
Bildungsreformen"Die Hilfsschule hieß deshalb Hilfsschule, weil die Schüler, die dort waren, besondere Hilfe benötigten. Dies so offen zu sagen empfand man irgendwie als taktlos bzw. diskriminierend. So wurde die Hilfsschule zuerst zur Sonderschule - das klang aber immer noch zu abgesondert - und schließlich zur Förderschule. Das klang besser, war aber sachlich ganz unsinnig, denn jede gute Schule sollte eine Förderschule sein, indem sie das vorhandene Begabungspotential bestmöglich zur Geltung bringt. Zudem wurde ja die grundlegende Diskriminierung nicht abgeschafft, dass man Kinder nach ihren Begabungen sortierte. [...] Durch diese Operationen sind die sichtbaren Formen der Ungleichheit zwischen begabten und weniger begabten Schülern abgeschafft worden." Quelle: dpa
Bildungsreformen und Leistungsunterschiede"Einerseits soll das Lernen mit Begabten die Unbegabten fördern, andererseits wird heftig bestritten, dass das Lernen mit Unbegabten den Lernfortschritt der Begabten beeinträchtigen könne. Nach dieser Logik könnte ja der FC Bayern München seine Profimannschaft gemeinsam mit der Kreisklasse trainieren. Und die GSG9 könnte auch Übergewichtige und unsportliche beschäftigen, dem Training ihrer Spitzenkräfte würde es nicht schaden." Quelle: dpa
Politische Reaktionen auf 'Deutschland schafft sich ab'"Eine spontan negative Reaktion auf Deutschland schafft sich ab konnte ich bei vielen Politikern noch am ehesten verstehen. Sie waren durch viele der darin enthaltenen Analysen auf dem falschen Fuß erwischt worden. Sie sollte plötzlich Antworten auf Probleme geben, deren Existenz sie am liebsten leugneten und für deren Lösung sie auch gar keine Konzepte hatten." Quelle: dpa
Falschaussagen und Fehlzitate?"Diese in den Medien über viele Monate (eigentlich bis heute) wiederholten Falschaussagen und Falschzitate führte ich zunächst darauf zurück, dass viele Journalisten nicht selber lesen, sondern das übernehmen, was sie woanders gelesen oder gehört haben." Quelle: dpa
Ist Ungleichheit unvermeidbar?"Eine bestimmte Ungleichheit von Einkommen und Vermögen ist die unvermeidliche Folge einer jeden funktionierenden Marktwirtschaft. Der Korrektur durch staatliche Eingriffe seid deshalb stets Grenzen zu setzen." Quelle: AP

Natürlich gibt es, um es verkürzt zu sagen, rechte und eben auch linke Populisten. Das faule Ei hat also ebenfalls durchaus eine rechte und eine linke Seite. Im öffentlichen Diskurs hat allerdings der Linkspopulismus schon seit ein paar Jahrzehnten gesiegt, weshalb er schon lange nicht mehr als "links" empfunden wird und auch schon lange nicht mehr mit linken Attitüden auftritt. Heutige "Linkspopulisten" gerieren sich schon lange als neutrale, objektive und richtige Mitte-Mainstreamer. Es handelt sich also um eine Art Mainstream-Populismus, deren Protagonisten sich schon lange an alle Privilegien der Kapitalisten gewöhnt haben, aber gleichzeitig in schizophrener Weise weiter linksradikale Denk-und Handlungsschemata verfolgen, die sie heute als so eine Art "Normal Null" verkaufen.

Der frühere Linkspopulismus, der heute längst zu einer Art gigantischen Mainstreampopulismus aufgeblasen ist, ist tatsächlich so mächtig geworden, dass er den Rechtspopulismus selber zunehmend marginalisiert.  Diejenigen, die ex kathedra als die großen Meinungsbildner in der Gesellschaft ganze Salven von Populismus-Beschimpfungen politisch korrekt bis zum Stehkragen abschießen, tun alles, um ihren eigenen Populismus unter einer perfekt funktionierenden Tarnkappe zu verstecken.

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