Bettina Röhl direkt

Sind die öffentlich-rechtlichen Medien verfassungswidrig?

Seite 4/6

Demokratie lebt auch vom Wechsel

Die GEZ heißt künftig ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice. An den Rundfunkgebühren ändert sich dafür nicht viel. Jedenfalls nicht vor 2013. Unternehmen profitieren von der Lösung.

Viele Rampensäue, wie sie sich selber gelegentlich voller Selbstbewunderung ironisch nennen, würden für lau talken, wenn sie sich nur allabendlich vor einem Millionenpublikum spreizen könnten. Das ist vielen wichtiger, als dass sie dafür auch noch Millionen kassieren. Aber der öffentlich-rechtliche Ethos, den man mit demokratischem und sozialem Rechtsstaat übersetzen könnte, lässt das, was öffentlich-rechtliche Medienrealität ist, eigentlich und uneigentlich nicht zu.

Von wegen Demokratie

Im Übrigen: Demokratie lebt auch von Entwicklung und vom Wechsel. Schließlich wären Alternativen keine Alternativen, wenn sie keine Chance hätten. Deswegen waren ja 16 Jahre Helmut Kohl auch grenzwertig, was die Demokratie anbelangt, und die womöglich zwanzig Jahre Merkel werden es am Ende auch gewesen sein.

Im realen Leben, da kommen und gehen die Parteien, die Politiker. Die Piraten entern und kentern und die Halbwertszeit der Amtsperioden des Bundespräsidenten variieren stark. Nur die von den öffentlich-rechtlichen Medien aufgebauten Stars werden eben nicht kraft ihrer Leistung, sondern kraft ihrer Beharrlichkeit, der Stupidität, aber auch der Brutalität, mit der sie immer wieder über die bestbeworbenen Programme des Landes in die Bildschirme und in die Lautsprecher gepresst werden, zu regelrechten Fixsternen am Medienhimmel und zu hemmungslosen Machtmenschen, die andere, zum Beispiel die Politiker, die verdiensttechnisch graue Mäuse sind, vorführen sollen, im mehrfachen Wortsinn.

Darauf wollen Deutsche verzichten
„hart aber fair“ mit Moderator Frank PlasbergDas WDR-Urgestein hat mit seiner seit 2001 laufenden Talkshow eine feste Fangemeinde. Nur acht Prozent der im Auftrag des „Focus“ vom Meinungsforschungsinstitut Emnid befragten Deutschen würden auf Plasberg verzichten wollen. Dafür setzt sich sein montäglicher Talk durch kurze Einspielfilme, die Zuschaueranwältin Brigitte Büscher und den unaufgeregten Stil von Plasberg auch zu deutlich ab. Quelle: dpa/picture alliance
„Günther Jauch“Jeden Sonntag nach dem ARD-Krimi empfängt Jauch 60 Minuten lang unter dem Motto „Der Polittalk aus dem Herzen der Hauptstadt“ Gäste im Berliner Gasometer. Dabei ist das Thema Politik keine allzu strenge Vorgabe, auch gesellschaftliche Aspekte werden behandelt. Nur acht Prozent der Deutschen würden darauf verzichten wollen. Quelle: dpa
„Menschen bei Maischberger“ mit Moderatorin Sandra MaischbergerIm September 2003 übernahm die Münchener Journalistin den Sendeplatz von Alfred Bioleks Sendung „Boulevard Bio“ am Dienstagabend. Bei „Menschen bei Maischberger“ stehen traditionell eher gesellschaftliche Themen und Diskussionen im Vordergrund. 16 Prozent der 1006 Befragten könnten darauf verzichten. Quelle: Screenshot
„Anne Will“2007 startete der Polit-Talk unter dem Slogan „Politisch denken, persönlich fragen“ auf dem sonntäglichen Sendeplatz von Sabine Christiansen, seit Jauchs Rückkehr läuft die Sendung mittwochs um 22.45 Uhr. Anne will auf jeden Fall noch, dafür würden aber 17 Prozent der Zuschauer auf die Talkshow verzichten können. Quelle: dpa/picture alliance
„Beckmann“ mit Moderator Reinhold Beckmann (hier mit Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg) Wenn es nach den deutschen Zuschauern geht, ist das „persönliche, konzentrierte Gespräch mit prominenten und ungewöhnlichen Gästen“ ein Auslaufmodell: 21 Prozent würden die Sendung am Donnerstag - hier mit Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg als Gast - nicht vermissen. Quelle: NDR/Morris Mac Matzen
Kritik an der Talkshow-Schwemme im Ersten hatten zuletzt noch Bundestagspräsident Norbert Lammert und der der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks (WDR) geäußert: Die Flut von Talkshows sei problematisch für das politische Urteilsvermögen der Bevölkerung, sagte Lammert am Dienstag bei der Feier zum 60-jährigen Bestehen des Berliner Presse Clubs. „Das Format schließt aus, dass die Sachverhalte ernsthaft diskutiert werden.“ Zuvor hatte bereits die Vorsitzende des WDR-Rundfunktrats Ruth Hieronymi gefordert, die Zahl der Talkshows zu reduziern. „Der Rundfunkrat hat ja schon, als die fünf Talkshows gestartet sind, die Sorge geäußert, dass das zu viel sein könnte“, sagte sie. Diese Bedenken hätten sich bestätigt. Quelle: picture alliance / dpadpa picture alliance

Talken im Mainstream

Die Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Mediengeschehens, gerade im politischen Bereich, auf wenige Talk-Oligarchen, die sich zufällig seit den Mittsechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im linken Mainstream fortbewegen - links öffentlich-rechtlich reden und rechts privat leben-  bewirken eine Verengung der Berichterstattung und eine Kanalisation des öffentlichen Denkens.

Die politische Korrektheit feiert Urständ in sich selbst moralisch überhöhenden Monopolmedien und niemand kann es mehr merken, weil es eben so ist, wie es präsentiert wird. Und so denkt man am Ende des Tages das, was flächendeckend aus über zwanzig Fernsehkanälen und 70 Rundfunkkanälen 24 Stunden täglich ins Volk gepresst wird.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%