Beispielsweise die Chinesen bauen die markttauglicheren Photovoltaikanlagen und Windräder. Daran ändern auch Subventionen der chinesischen Regierung zu Gunsten der heimischen Industrie nichts. Und wer zahlt die grüne Energiezeche? Der Energieverbraucher und der Steuerzahler. Und auch das wird jetzt plötzlich wahrgenommen, unbeschadet der Tatsache, dass sich die Grünen aktuell wieder einmal mit ihrer besonderen Energieexpertise dem Wähler empfehlen.
Der vom Hardcore-Radikalinski zum Schmusebär mutierte Winfried Kretschmann hat im Ländle dafür gesorgt, dass der grüne Lack angekratzt und die grün-bürgerlichen Wähler angesäuert sind. Der grüne Dilettantismus ist von der Gesellschaft jahrzehntelang ausgeblendet worden und durch eine fiktive ökologische, moralische und sonstige Überlegenheit der Grünen ersetzt worden. Die positiven Zuschreibungen, die den Grünen zu immer neuen Höhenflügen verhalfen, faden raus aus der Gesellschaft. Der grüne Heißluftballon bekommt keinen Brennstoff mehr.
Jahrzehntelang wären die Grünen mit Trittins Steuererhöhungsplänen in vergleichbarer Situation programmatisch perfekt für die Wahl am 22.September aufgestellt gewesen. Jetzt plötzlich murrt das grüne Wahlvolk und wandert ab. Die Grünen sehen sich unmittelbar vor der Bundestagswahl angesichts abnehmender Umfragewerte gezwungen von der Steuernummer abzulenken und sich eilig auf ihre besagte selbstattestierte Energiewandel-Kompetenz zu berufen. Sie kündigen an, dass sie nach der Wahl - im Fall einer Regierungsbeteiligung - ein neues Ministerium für Energiewende gründen wollen.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Dank des grünen Drucks, dem sich Merkel beugte, fließt der Strom aus natürlichen Energiequellen, gerne regenerativ oder erneuerbar genannt, hierzulande gelegentlich zu doll und über weite Strecken nicht ausreichend. Dass Sonne und Wind machen, was sie wollen und nicht, was die Grünen wollen, ist eine Tatsache, die auch mit grüner Ideologie bisher nur mühsam in den Hintergrund gedrängt werden konnte. Fehlende Netzkapazitäten, die derzeit diskutiert werden, sind auch eine Tatsache, die mit grüner Ideologie nur mühsam vom Tisch gewischt werden konnte. Jetzt werden die von den Grünen verkauften Energieutopien sichtbar und benennbar.
Cohn-Bendits irres Manifest
Und jetzt kurz vor der Bundestagswahl platzt, von der Öffentlichkeit noch nicht wirklich wahrgenommen, der grüne Vordenker Daniel Cohn-Bendit mit seiner europäischen "Bombe" ("Big Bäng") in den Wahlkampf hinein. Gleichzeitig in fünf verschiedenen Ländern, in Polen, Frankreich, Österreich, den USA und in Deutschland erschien in diversen Medien das sogenannte Manifest von Cohn-Bendit und einem Co-Autoren Felix Marquardt, das seine Neuerfindung Europas propagiert.