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Die blasse Lindner-FDP

Bettina Röhl Publizistin

Nach der Bundestagswahl kündigte die FDP gar eine "APO-Bewegung" an. Doch bis jetzt bleibt die FDP blass. Was die Partei jetzt konkret im Auge behalten muss.

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Christian Lindner ist Bundesvorsitzender der FDP. Quelle: dpa

FDP, das heißt "Freie demokratische Partei Deutschlands". Das weiß noch jeder. Die Redundanz, die in den Begriffen "frei" und "demokratisch" liegt, musste früher niemanden stören. Frei und demokratisch, das war die Bekräftigung gelebter Individualität als wesentlicher Bestandteil für Freiheit. 

Guido Westerwelle hat 2005 wahre Größe bewiesen, als er auf seine persönliche Machtteilhabe und die seiner Partei verzichtete und lieber die Große Koalition zu Gunsten Deutschlands passieren ließ (als das Land mit einem rot-gelb-grünen Regierungsmonstrum zu traktieren). Er hat auch wahre Größe bewiesen, als er 2011 die Bundeswehr aus der leicht euphorisierten westlichen Militärallianz, die damals den Lybienkrieg gegen Gaddhafi führte, heraus hielt und damals heftiger Kritik aus dem In-und Ausland standhielt.

Weniger Fortune hatte Westerwelle als FDP-Parteichef. 2009 war es ihm zwar gelungen, die FDP noch vor den Grünen und der Linkspartei mit sensationellen 14,6  Prozent in den Bundestag einziehen zu lassen, aber diesen Höhenflug verwandelte Westerwelle innerhalb einer Legislaturperiode in einen furchtbaren Absturz von nahezu zehn Prozent unter die Fünf-Prozent-Hürde.

Um den massiven Zustimmungsschwund einzudämmen, der praktisch sofort nach dem Erfolg 2009 einsetzte, wurde Westerwelle von der Parteispitze verdrängt. Sein glückloser Nachfolger Philipp Rösler konnte das Ruder nicht rumreißen. Sicher machte er auch eigene Fehler, aber es war der Wurm drin, in der FDP, so dass ihm der Verlust der Bundestagswahl 2013 nur zu einem geringeren Teil wird angerechnet werden können. Die FDP jagte Philipp Rösler aus dem Amt, ein bisschen wohl in der Hoffnung mit ihm auch die Probleme vor die Tür setzen zu können. Eine etwas irreale Idee, die den neuen starken Mann der FDP, Christian Lindner, seither überlastet.

Das "Bambi" Lindner und die Tradition der FDP

Die Krisen der Freien Demokraten
Retter Brüderle?Als starker Mann in der Partei gilt derzeit Fraktionschef Rainer Brüderle (hier mit dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler am 17.04.2013 in Berlin während eines Empfangs zum Geburtstag von Dirk Niebel). Die Aufschrei-Affäre um sein angeblich sexistisches Verhalten gegenüber einer Journalistin brachte ihn zwar zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Bedrängnis. Aber peinlich war die Indiskretion für den Spitzenkandidaten in jedem Fall. Zumal sie wohl auch die Erinnerung an seinen alten Ruf als „Weinköniginnenküsser“ beförderte. Brüderle war als rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister auch für den Weinbau zuständig. Und er galt seinerzeit nicht gerade als politisches Schwergewicht. Quelle: dpa
Der Riesenerfolg 2009 - und der steile Absturz danachDer damalige FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle, rechts, und der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher, links, am 3. September 2009 beim Auftakt des bundesweiten Wahlkampfes. Es war das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten, das die FDP feiern konnte: 14,6 Prozent. Fünf Minister konnte sie im Koalitionsvertrag mit Angela Merkel durchsetzen. Doch schnell stürzte die FDP in den Umfragen auf Minus-Rekorde. Die Kritik an Parteichef Guido Westerwelle spitzte sich nach schwachen Landtagswahlergebnissen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu. Aber auch der neue Parteichef Philipp Rösler steht seither unter medialer Dauerkritik. Auch innerhalb der Partei halten ihn viele für  führungsschwach und wenig überzeugend. Quelle: AP
Die PlagiatorinDie einst von Westerwelle protegierte EU-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehrin stürzte im Mai 2011, über ihre abgeschriebene Doktorarbeit. Schon vorher hatte sich Koch-Mehrin in Talkshows durch offensichtliche Inkompetenz und in Brüssel durch Abwesenheit bei Sitzungen diskreditiert. Hier ist sie am 16. Mai 2009 vor ihrem Wahlplakat auf dem FDP Bundesparteitag in Hannover zu sehen. Der Doktor-Titel fehlte auf keinem Plakat. Quelle: AP
Der PlagiatorAuch EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis fiel vor allem durch häufige Talkshow-Auftritte (hier bei "Anne Will") und geschwätzige Wortmeldungen auf. Unter anderem schlug er vor, nicht mehr von „Griechenland“ zu sprechen sondern von „Hellas“, um das Image des Landes zu heben. Sein eigenes Image leidet seit Juli 2011 unter dem Entzug des Doktortitels aufgrund der zum größten Teil abgeschriebenen Doktorarbeit.    Quelle: dapd
Möllemann stürzt abJürgen Möllemann war die wohl kontroverseste Persönlichkeit der bisherigen FDP-Geschichte. Der Fallschirmjäger-Oberleutnant. Nach der „Briefbogen-Affäre“ und seinem Rücktritt als Bundeswirtschaftsminister 1993 gelang ihm als Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen 2000 ein erstaunlicher Wahlerfolg. Möllemann galt als Kopf hinter der Strategie 18. 2002 eskalierte dann ein Konflikt um seine Unterstützung für einen palästinensischen Aktivisten, der Israel einen „Vernichtungskrieg“ vorwarf. Möllemann wurde vom Zentralrat der Juden scharf angegriffen. Hildegard Hamm-Brücher trat seinetwegen aus der FDP aus.  Nach einem Flugblatt mit erneuten Vorwürfen gegen die israelische Regierung drehte sich die Stimmung innerhalb der FDP zuungunsten Möllemanns, der aus der Partei austrat. Am 5. Juni 2003 starb er bei einem Fallschirmabsturz, vermutlich wählte er den Freitod. Quelle: dpa
Projekt 18So nannte die FDP ihre Wahlkampfstrategie zur Bundestagswahl 2002, beschlossen im Mai 2001 auf dem Düsseldorfer Bundesparteitag unter wesentlicher Mitwirkung von Jürgen Möllemann (Bild). Ziel: „mit neuen Formen der Kommunikation und Darstellung … neue Wählerschichten“ für die Partei erschließen und die FDP als eigenständige und unabhängige politische Kraft außerhalb eines vorgegebenen Lagers darstellen. Der Name bezog sich auf das Ziel, den Anteil an den Wählerstimmen von 6 auf 18 Prozent zu verdreifachen. Viele empfanden die Kampagne als Inbegriff einer plakativen Spaß-Politik.
Guido im ContainerEine Aura des Unernsthaftigkeit verpasste sich die FDP-Führung spätestens zu Anfang des neuen Jahrtausends. Als Sinnbild der damals neuen politischen Spaßkultur wurde vor allem der Besuch des damaligen Generalsekretärs Westerwelle im Big-Brother-Container 2000 gesehen. Als Mitbringsel hatte er Alkoholika und Zigaretten dabei. Quelle: dpa

Das "Bambi", wie sich Christian Lindner in seiner bei Friedrich Schiller entlehnten Antrittsrede als Ritter wider den tierischen Ernst 2014 in Aachen selber nannte, hat eine sehr schwierige Aufgabe übernommen und ist seit seinem Amtsantritt am 7. Dezember 2013 noch keinen wesentlichen Schritt nach vorn gekommen. Die FDP pegelte sich in den vergangenen zwei Monaten bei vier Prozent noch leicht unter ihrem Bundestagswahlergebnis ein und liegt damit in der Tendenz noch unterhalb der AfD, die zu sechs Prozent tendiert. 

Bis Ende der sechziger Jahre war die FDP eine sehr liberale, stramm konservative, weltoffene Bürgerpartei. Dann erlebte sie ihren bis heute nicht recht erklärten, heftigen 68er-Bruch unter dem damals  neuen Tandem Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher. In den siebziger Jahren kam es mehr als einmal vor, dass aus der FDP heraus Positionen vertreten wurden, die links von der damals durchaus linken SPD lagen.

Die FPD als Karriereschmiede

1982 beendete Genscher das 13-jährige sozialliberale Intermezzo und führte die FDP zurück an die Seite der CDU Helmut Kohls. Mit einem gewissen Recht konnte die FDP stets für sich in Anspruch nehmen, ihre unterschiedlichen, größeren Koalitionspartner jeweils zu liberalen Korrekturen veranlasst zu haben. Das ist nicht viel, aber es ist auch nicht wenig für eine kleine Partei und die FDP war vor allem dank der Konstanz ihrer parlamentarischen Vertretung auch eine gute Karriereschmiede. Man lernte innerhalb der FDP, wie Politik geht, und entsprechend brachte die Partei auch immer das geeignete Personal in ausreichender Zahl hervor.

Auch Guido Westerwelle hat sich in dieser FDP-Schule in vergleichsweise jungen Jahren zu einem guten Debattenredner entwickelt. Sein womöglich größter Fehler war allerdings, dass er die FDP in seiner Zeit als Parteichef zu der angepasstesten und auf inhaltliche Unauffälligkeit getrimmtesten Partei in der Bundesrepublik machte. Mit lautem Getöse inszenierte sich Westerwelle selbst(herrlich) und seine Partei als Hüter und Hort des Liberalismus, der Freiheit, der Individualität, der Eigenverantwortung, der Demokratie, der Marktwirtschaft und natürlich der Steuersenkungen für Großkapital und Mittelstand. 

Doch jenseits dieser Worthülsen blieb von der FDP nichts übrig. Innerparteiliche Mitdenker wurden schnell zu bloßen Ja-Sagern. Vom Liberalismus, von welchem auch immer, war am Ende der Amtszeit als Parteilenker nichts übrig geblieben. Viel Reden, bei Westerwelle wurde das gerne auch Krähen genannt, aber nichts Konkretes sagen, das wurde zum Markenzeichen der FDP, an dem sie geistig erstickte, weshalb sehr viele Wähler am 22. September 2013 beschlossen, dass die FDP überflüssig sei.

FDP, du bist überflüssig

Wenn es erst einmal zum Dreh-und Angelpunkt einer Partei geworden ist, nichts mehr zu sagen, sich nicht mehr festzulegen und eine solche Haltung Parteikonsens wird, dann wird auch sehr schnell nichts mehr gedacht und erst recht nichts mehr riskiert. So hat Christian Lindner eine FDP übernommen, die kaum noch die Kriterien erfüllt, die eine Partei kraft Definition aber erfüllen sollte. Denn zu einer Partei gehört nicht nur, in einem ganz formalistischen Sinn ein Parteiprogramm, sondern das Programm muss auch tatsächlich eines sein. Es muss eine Eigenständigkeit entwickelt haben und es muss die gelebte, umstrittene, mitreißende und inspirierende Parteiwirklichkeit abbilden, orientieren und voraus denken. Und gerade an dieser Parteiwirklichkeit hapert es in der FDP. Schlank, unauffällig, in alle Richtungen kompatibel, medienfreundlich und mit einer Sprache, die auch formal Reizthemen vermeidet, immer die Vokabeln bedient, die gerade in sind, kommt die FDP eben nachhaltig nur als eine Vier-Prozent-Partei daher.

War Westerwelle über Jahre der Spitzenreiter in Sachen Teilnahme an Talkshows, hat ihm diese Rolle inzwischen mit großer Wahrscheinlichkeit der AfD-Vormann Bernd Lucke abgenommen. Jedenfalls sitzen weder Rösler noch Lindner in den Talkshows, obwohl sie natürlich auch eingeladen wurden und werden. Dabei hat die FDP ein mordsmäßiges Glück mit Christian Lindner. Ihm fehlt zwar noch der It-Fakor des Volkstribun, des Wählermagneten, aber in fast jeder anderen Hinsicht ist Lindner prädestiniert für eine Führungsaufgabe in der FDP.

Lieber Kapitän Lindner als ein Lakai Merkels

Lindner hat das Zeug zu einem sehr guten Wein, der allerdings noch etwas reifen muss. Er ist schnell, gewandt, er kann laut sein. Er versteht das politische Ping-Pong-Spiel leicht und locker zu spielen und er ist zu allem Überfluss auch noch netter als man von außen zuschauend denken könnte. Lindner muss große Lust haben, dicke Bretter zu bohren, denn sonst wäre er längst zur CDU oder SPD gegangen, um dort eine einfachere Karriere zu machen. Er ist offenbar lieber Kapitän auf seinem kleineren Schiff als etwa Merkels Lakai.

Auf Fragen der Kolumnistin zum Stand der FDP und zu den Zielen, antwortet er lässig, prompt und sehr kooperativ. Und man ist erleichtert, dass man es mit einem jungen Politiker zu tun hat, der auch auf eine sehr junge Art mit der Welt kommuniziert. So gesehen müsste doch der Blick in die mittelfristige Zukunft der FDP ganz rosig sein. 

Darauf allerdings zu wetten, könnte dennoch ein riskantes Spiel sein. Denn auch Lindner bleibt in der Sache auf Linie, jedenfalls bis jetzt. Auf die Unterstellung, dass sich die FDP zur Zeit nicht gerade einzigartig  von der Großen Koalition unterschiede, kein wirkliches Profil erkennen lasse, antwortete Lindner in einer Mail mit dem Scherz: "Hand aufs Herz - haben Sie eine Originalquelle ausgewertet?" und betonte sofort, dass sich die FDP entschiedener als andere Parteien zum Beispiel gegen die aktuell im Raum stehende Mietpreisbremse einsetzte und in Sachen Rente mit 63, "vor der Kündigung des Generationenvertrags durch das Rentenpaket" warnen würde. "Deutschland kann mit gestalterischer Politik seine gegenwärtige Stärke erhalten und ausbauen, aber leider wird die Chance durch eine defensive Status-Quo-Orientierung verschenkt. Sie schreiben vom "bürgerlichen Lager" - was aber bitte ist an der CDU noch "bürgerlich"? (...)Wir plädieren für die Aufhebung der Subventionsmaschine EEG, weil unsere Energiepolitik durch die einseitige Fixierung auf den Klimaschutz vollständig irrational ist - wer sagt das sonst so klar? Schäubles Griff in die Sozialkassen und seine gefährliche Nachsicht gegenüber den neuen Schulden in Frankreich thematisiere ich bei jeder Gelegenheit."

Auch bei der FDP werden die großen Themen ausgeklammert

Deutschlands skurrilste Wahlplakate
Dieses Plakat der Piraten erreichte uns gleich mehrfach. Als gebe es einen Wettbewerb um unrealistische Wahlversprechen fordern die Piraten einfach "einen Wombat in jedem Haushalt". Sinnvoll oder einfach nur Papierverschwendung? Quelle: Piratenpartei
Auch der CDU-Abgeordnete Karl Schiewerling aus dem Wahlkreis Coesfeld/Steinfurt II verzichtet lieber gleich auf ein Wahlversprechen und wünscht seinen potenziellen Wählern lieber schöne Ferien. Auf seiner Homepage wirbt er dafür mit dem Slogan "Ihr Abgeordneter. Hält Wort."
Die Piratenpartei ist unter den skurrilen Plakaten gleich mehrfach vertreten, denn auch der Slogan "Themen statt Möpse" irritierte so manchen Wähler. Auch wenn der Mops mit ins Bild gerückt wurde, die Anspielung auf das freizügige Wahlplakat der CDU-Politikerin Vera Lengsfeld liegt nur allzu nah. Quelle: Stefan Butz
Dieses Plakat erinnerte unseren Leser an eine Situation am Grenzübergang in Salzburg vor vielen Jahren. "Warum wollen Sie denn nach Deutschland, bleiben Sie doch in Bayern", fragte der Grenzbeamte. Das Plakat zeigt, dass die Frage für einige immer noch aktuell ist. Quelle: Ernst Fojcik
Ein Beispiel dafür, dass Wahlplakate für sich allein hochseriös sein können, zusammen aber komisch wirken. Dieses Bild bekamen wir von einer Leserin aus Leipzig, unter dem Motto: "Drei Parteien, eine Brille". Quelle: Ulrike Bertus
Die Freien Wähler haben Kreativität bewiesen - und vor allem Fingerspitzengefühl bei der Positionierung des Plakats, es hängt nämlich direkt vor dem Springer-Haus in Hamburg. Quelle: Wolfgang Beecken
Ein Problem vieler Politiker und aller Parteien: Oft werden die Plakate verschandelt und sind schon nach kurzer Zeit nicht mehr wiederzuerkennen. Quelle: Martin Fuchs

Schön und gut. Das alles macht natürlich noch Niemanden heiß bei der nächsten Wahl sein Kreuz für die Liberalen an die richtige Stelle zu setzen. Die emotionale Bindung oder gar der Enthusiasmus fehlen ganz einfach. Gleichzeitig werden die großen Themen der Zeit ausgeklammert, wie bei der CDU und der SPD und bei allen anderen Parteien auch. Alle Welt redet von Bildung und dass die Bildung das schlechthinnige Standbein der Zukunft des Landes wäre. Und alle Welt weiß, dass die Bildungssysteme alles dazu beitragen die Bildungssysteme zu verflachen und nach unten zu nivellieren. Bei einem Maximum an Input, sprich Geld, das die Wirtschaft und die Gesellschaft erarbeiten müssen, gibt es ein immer kleiner werdendes Minimum an Output. Von Ausnahmen abgesehen sinkt das Leistungsniveau der Schulabgänger, auch der Abiturienten und das hat System. Es handelt sich um einen Systemfehler, der aber aufgrund eines politischen Ungeistes gewollt ist, ohne natürlich von den Betroffenen gewollt zu sein.

Und was tut nun die FDP gegen die Verflachung der Bildung und für die Zukunft des deutschen Wirtschaftsstandortes? Und wie sieht es mit der Euro-Politik aus? Benennt die FDP die bestehenden und noch entstehenden Risiken und Verpflichtungen aus der Euro-Politik und zwar so, dass der Bürger die Sache auch versteht? Auch wer uneingeschränkt für den Euro plädiert, muss doch Rechenschaft ablegen, wie er denn nun tatsächlich ist und muss auch immer wieder einen Kassensturz machen und sagen, wo der Euro ganz genau steht.

Das Moment der Aufklärung der Bürger vermisst man auch in Sachen Genderpolitik. Für eine freiheitliche Gesellschaft, für eine offen gelebte individuelle Sexualität Politik machen zu wollen, ist nicht identisch mit Genderpolitik. Es wäre ein großer Irrtum zu behaupten, dass dieser Riesenüberbau, den man Gender Mainstreaming nennt, der einzig zielführende Weg wäre. Eher hat es den Anschein, als sei Gender in mancherlei Hinsicht kontraproduktiv.

Bildung, Euro, Gender-und Migrationspolitik

Wie steht es mit der Verbesserung der Migrationspolitik? Wie soll die Gesellschaft von Morgen aussehen? Wie wird Europa gestaltet? Da fehlt es bei der FDP an fast allem. Jedenfalls dann, wenn es um die Konkretisierung geht. Die Polizei moniert gerade aktuell fehlende Unterstützung von Politik und Justiz und auch fehlende Unterstützung des Gesetzgebers, der tätig werden müsste.

Was Schwarz-Gelb nicht geschafft hat

Die Bürger würden gern wissen, ob die Polizei spinnt, dann müssten die Parteien die Polizei zur Ordnung rufen. Jedenfalls könnte auch einer APO-Partei eine Meinung zu diesem rechtsstaatlichen Thema gut stehen. Schöne Worte haben alle Parteien im Gepäck und fairerweise muss man sagen, dass auch die anderen Parteien stark im Vagen bleiben. Aber die FDP ist in der konkreten Situation, wieder in den Bundestag einziehen, ergo über die Fünf-Prozent-Marke kommen zu wollen. Und dies verlässlich und in allen Parlamenten.

Das Problem der FDP mit der AfD

Berufliche Perspektiven für Ex-Abgeordnete
Die Fünfzig gerade überschritten und noch nie in einem Unternehmen gearbeitet: Wäre Dirk Niebel in den Neunzigerjahren jemand mit einem solchen Lebenslauf untergekommen, er hätte ihn vermutlich eher früher als später in die Kartei "Arbeitnehmer mit Vermittlungshemmnissen" einsortiert. Heute steht der ehemalige Jobvermittler und Noch-Entwicklungshilfeminister selbst vor diesem Problem: Er braucht einen Job - mit eben diesem Profil. Als Minister und Abgeordneter hat er ausgedient, aber bis zum offiziellen Rentenalter noch mehr als anderthalb Jahrzehnte vor sich. "Ein B-Kandidat", sagt der Frankfurter Personalvermittler Heiner Fischer. "Für Niebel sind die fetten Jahre vorbei." Der 45-Jährige ist Partner der auf Top-Managementpositionen spezialisierten Personalvermittlung Herbold Fischer Associates und hat für die WirtschaftsWoche die Lebensläufe der rund 200 Abgeordneten durchforstet, die nicht mehr im neuen Bundestag vertreten sein werden: Welche Ausbildung haben sie durchlaufen? Wie viel berufliche Praxis haben sie gesammelt, bevor sie zum Berufspolitiker mutierten? Wo könnten sie unterkommen? Und wie viel könnten sie verdienen? "Am schwersten wird es bei denen, die fast ihr ganzes Leben als Politiker gearbeitet haben", sagt Personalberater Fischer. "Die haben ja nie was Solides gelernt." Quelle: dapd
Dirk Niebel Quelle: dpa
Philipp Rösler Quelle: REUTERS
Guido Westerwelle Quelle: AP
Astrid Klug Quelle: Deutscher Bundestag Photothek Thomas Trutschel
Anton Schaaf Quelle: Deutscher Bundestag/Lichtblick/Achim Melde
Gabriele Groneberg Quelle: Deutscher Bundestag/Lichtblick/Achim Melde

Die FDP ist sicher durch das Entstehen und Wachsen der AfD geschröpft worden und gewiss hat die Partei auch wegen der AfD den Einzug in den Bundestag nicht geschafft. Aber eine Fixiertheit der FDP auf eine gewisse Feindseligkeit gegenüber der AfD macht weder Inhalt noch lockt es Wähler zurück. Letzterer Punkt könnte aktuell vielleicht zum Wichtigsten werden. Wenn nämlich die AfD, die aus allen Parteien Wähler geworben hat, im wahrsten Sinne des Wortes implodieren sollte. Die innere Verfasstheit der AfD scheint nämlich aktuell desolat, ganz im Gegensatz zu ihrer Noch-Stärke bei den Wählern. Zudem hat die AfD auch ein inhaltliches Problem. Sie deckt einige Themenfelder ab, viele lässt sie offen und sie ermöglicht deswegen keine nachhaltige Identifikation. Und auch die AfD, die sich sogar "Alternative" nennt, vermeidet es allzu alternativ zu werden. Das liegt im Fall der AfD vor allem daran, dass sie nicht nach rechts eingeordnet werden will.

Es gibt eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland

Wenn die AfD ihre Vertreter ins Europa-Parlament schickt, sich aber über kurz oder lang selbst zerfleddert, gibt es ein nicht unerhebliches Wählerpotenzial, das nicht automatisch zur FDP zurück läuft, sondern dass die FDP im positivsten Sinne des Wortes wieder einsammeln müsste.

Eine Partei, die sich mit der Existenzfrage konfrontiert sieht, kann im Elfenbeinturm bleiben oder sie kann sich überlegen in die harte Realität der Gesellschaft einzutreten. Christian Lindner weist sicherlich zu Recht darauf hin, dass die Merkel-CDU nur noch Merkel und sonst gar nichts ist, aber unabhängig von Merkel, gibt es eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland und zwar gestützt auf alle soziologisch unterscheidbaren Gruppen, auf alle Regionen bezogen und auch alle Altersstufen betreffend. Die Abweichungen sind marginaler als man denkt und Ausnahmen bestätigen die Regel.

2013 hat da bürgerliche Lager durch das Nichterreichen der Fünf-Prozent-Hürde durch FDP und AfD zehn Prozent  der Wählerstimmen verschenkt. Wenn das 2017 anders werden soll, dann muss sich die FDP jetzt etwas einfallen lassen und sich nicht damit beruhigen, dass die APO-Rolle, auf der sich die FDP, Witz komm raus, du bist umzingelt, noch viel zu sehr ausruht, Schuld am derzeitigen Stillstand wäre.

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