Die Unionsparteien, die seit Bestehen der Bundesrepublik ein Potenzial zur absoluten Mehrheit haben, können dieses Potenzial schon seit langem nicht mehr ausschöpfen. Der tragische Irrtum der CDU besteht darin, dass sie ihrer großen Vorsitzenden Angela Merkel wundersame Eigenschaften zuschreibt, die Merkel nicht hat. Die Mehrheitsmeinung in der CDU geht dahin, dass Merkel, die in diesen niedlichen kleinen Umfragen die beliebteste Politikerin Deutschlands wäre, unersetzlich und ein Glücksfall für die Partei sei. Merkel garantierte ihrer Partei, so die Meinung, singulär als einzige alternativlose Frontfrau ein Wahlergebnis bei plusminus 40 Prozent. Das ist die eine Betrachtungsweise.
Die andere Betrachtungsweise, die der Realität wesentlich näher kommt, basiert auf der Erkenntnis, dass Merkel ihre Partei um zehn Prozent-Punkte von der absoluten Mehrheit runter auf 40 Prozent drückt. Eine kühne These? Immerhin: Außer Adenauer hat noch nie ein CDU-Spitzenmann eine absolute Mehrheit für seine Partei generieren können. Dennoch: die Deutschen sind mehrheitlich konservativ, aber konservative Wähler sind verunsichert und viele wissen nicht einmal, dass sie konservativ sind. Sie trauen sich nicht konservativ zu sein. Die fehlende Traute besteht allerdings nicht darin, dass sie unfähig sind sich öffentlich zum Konservativsein zu bekennen, sondern komplexerweise darin, dass sich viele konservative Menschen vor sich selbst im stillsten Kämmerlein und eben nicht nur in der Wahlkabine nicht eingestehen mögen, dass sie konservativ sind. Viele Menschen haben verlernt, was konservativ ist.
Konservativ geht eigentlich gar nicht
150 Jahre Kommunismus, Sozialismus und oft genug auch Sozialdemokratismus haben viele Menschen verunsichert. Wertezerstörung und das permanente Werteinfragestellen, ohne werthaltige Alternativen zu liefern, permanentes Besserwissen und permanentes und sehr aggressives Zurschaustellen der eigenen moralischen Überlegenheit, haben in den Köpfen der Menschen gewirkt. Im Prinzip heißt die Gleichung: links ist gut, besser, am besten. Konservativ dagegen geht eigentlich gar nicht. Konservativ ist schlecht, böse und ewig gestrig.
Konservativ heißt im Prinzip wirtschaftliche und politische Unterdrückung der großen Mehrheiten bis hin zur Inkaufnahme von Mord und Völkermord, natürlich im Herzen immer eiskalt. Der Kapitalismus der Konservativen macht Kriege. Der Sozialismus schafft Gerechtigkeit und Frieden auf Erden.
Wer möchte da schon konservativ sein? Wer ist da in den letzten sechzig Jahren nicht gern zum linken Lager konvertiert? Konservativ ist im Prinzip ein Schimpfwort. Und die Paranoia, mit der der Konservativismus immer wieder regelrecht verfolgt wurde, hat in der Tat zu einer Sinnentleerung des Konservativismus bis zur Unkenntlichkeit geführt.
Dass die Kommunisten und Sozialisten in Sachen Völkermord selbst noch die Nationalsozialismus im vergangenen Jahrhundert in den Schatten gestellt haben, ist eine bekannte Tatsache, die frei nach Stalins Propagandaschule mit der Bemerkung herunter gefahren wird, dass über irgendwelche Verbrechen Stalins doch sowieso alles bekannt und dass das Wissen über ein paar Gulags nichts Neues sei. Aber ihr Kapitalisten seid die Bösen.