Bettina Röhl direkt

Wie die AfD die Politik verändert

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Ein probater Feind

Das vorläufige amtliche Endergebnis – hier sehen Sie, wie die politische Stimmung im Land ist.

Und dann tauchte ein probater Feind am Horizont auf. Eine neue Partei betrat im April diesen Jahres die Bühne, ihr Name "Alternative für Deutschland." Die bot mit einem Mal den Euro-Ausstieg, die brachte als sogenannte Wirtschafts-Professorenpartei eine Zerlegung des Euro ins Spiel. Das war eine feine Sache. Alle Parteien, beide politische Lager, waren hysterisiert und fürchteten für sich, dass die AfD die 5-Prozent-Hürde am 22.September nehmen könnte und die eigenen Machtträume vereiteln würde.

Unisono und mit einem Maximum an Unglaubwürdigkeit ausgestattet, hackten alle politischen Parteien und hackten auch fast alle Medien auf der AfD herum und dies fast immer frei von ökonomisch fiskalischen Kenntnissen, aber beseelt von moralischer Eiferei und Geiferei. Und während zur Zeit ein brauner (grün-rot oder rot-grün kaschierter) Mob, voll im Bewusstsein im Einklang mit der politischen Einheitspartei der etablierten politischen Kräfte zu stehen, frei jeder Kenntnis der Verfassung den AfD-Wahlkampf aktuell mit Gewaltexzessen stört, hat sich die politische Klasse sukzessive, klammheimlich von der Euro-Kritik der AfD überzeugen lassen und mindestens deren Skepsis übernommen.


Panzerschrank-Mentalität geknackt
AfD-Chef Bernd Lucke hatte die Foren, die ihm die Medien vor allem im Mai und im Juni des Jahres boten, immer wieder dazu benutzt zu verkünden, dass die AfD für einen Schuldenschnitt dergestalt eintritt, dass sämtliche Darlehen, die Griechenland gewährt wurden, in Schenkungen verwandelt würden. Mit diesem Argument, das auch von den Euro-Kritikern offenkundig akzeptiert ist, hat sich die etablierte politische Klasse zwar nicht zu einer differenzierten Betrachtung der Euro-Kritik der AfD oder anderer Euro-Kritiker zu gewendet, aber sie hat sich ganz vorsichtig von ihrer Euro-Verbohrtheit gelöst.

Linksextreme haben einen Wahlkampfauftritt der „Alternative für Deutschland“ attackiert. Parteimitglieder wurden mit Pfefferspray attackiert, Bernd Lucke von der Bühne gestoßen.
von Tim Rahmann

Dazu beigetragen hat auch, dass der AfD-Chef, der entgegen seiner Behauptung zwar kein schlüssiges Konzept für einen geordneten Austritt eines Euro-Landes vorgelegt hat, seine Euro-Kritik plausibel und allgemein verständlich begründen konnte und sämtliche gegen ihn angetretene Politiker und aufgebrezelten Journalisten in der Sache deklassierte.

Wenn die Linkspartei fälschlicherweise behauptet, dass sie, sonst kaum zu etwas Nutze, zumindest den Mindestlohn in die deutsche Politik implementiert hätte, dann darf die AfD allemal für sich in Anspruch nehmen, dass sie durch ihr Auftreten die Panzerschrank-Mentalität der politischen Klasse in Sachen Euro aufgeknackt hat.

Eiskalt, sonnig und als wenn nichts wäre, tönt plötzlich Sigmar Gabriel, Chef jener SPD, die ganz wesentlich am Beitritt Griechenlands zum Euro-Vertrag beteiligt war, dass die Aufnahme der Hellenen im Euro-Währungsverbund ein "Fehler" war. Na, da schau her! Da ist der Sachverstand plötzlich eingeschossen.

FDP-Brüderle will zum Beispiel von den Griechen jetzt echte Reformen sehen, wenn demnächst aber deutlich nach der Bundestageswahl neues Geld nach Griechenland gepumpt werden muss, soll, wird usw. Und ein Austritt Griechenlands aus dem Euro, ist in allen Parteien nichts mehr, was irgendjemanden hinter dem Ofen hervorlockt.

Schäuble sagt vergleichsweise beiläufig, dass es keinen neuerlichen Schuldenschnitt für Griechenland geben werde. Genau der aber wird mit höchster Wahrscheinlichkeit, natürlich lange nach der Bundestagswahl, nötig werden. Kein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland kann auch als Ankündigung gewertet werden, Griechenland dann eben 2014 oder 2015 geordnet aus dem Euro heraus zu kaufen

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