Bettina Röhl direkt

Links ist Mist!

Bettina Röhl Publizistin

Auf ihrem Parteitag zeigte sich die SPD als eine neosozialistische Partei ohne Herz und Verstand. Die SPD macht sich für ein Themen-Durcheinander stark, das keine Linie erkennen lässt.

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So langsam müssen Union und SPD vorankommen bei den Koalitionsverhandlungen. Quelle: dpa

Warum die Desorientierung der SPD für die Gesellschaft gefährlich werden könnte. Auch bei der SPD hat sich herum gesprochen, dass die Partei trotz eigentlich günstiger Voraussetzungen bei der Bundestagswahl am 22. September ein außerordentlich schlechtes Ergebnis eingefahren hat. Man kann durchaus von einer Wahlniederlage sprechen. Die Träume der SPD vor der Bundestagswahl waren jedenfalls deutlich größer als die real erreichten 25,7 Prozent, immerhin das zweitschlechteste Ergebnis der Partei seit Bestehen der Republik. Noch haben die Sozialdemokraten ihre Wahlniederlage nicht verdaut und auch die Ursachenanalyse lässt zu wünschen übrig. Fast wie in Trance rotieren die Gedanken der Sozialdemokraten links herum, wenn sie etwas nachbessern wollen oder wenn sie das Erfolgsruder herumreißen möchten. Nach Links rücken, das haben wir seit 150 Jahren immer so gemacht! Das ist also kein alter Hut, sondern das ist unser ewig junges und einziges Erfolgsrezept, so die Denk-Dynamik der Sozis. Das haben sie auch bei ihrem jüngsten Leipziger Parteitag bewiesen, der am Sonntag zu Ende ging. Die SPD bemüht sich nicht, sozial eingestellte konservative Wähler mit zu nehmen oder neu zu gewinnen, sie vollführt stattdessen ein lautes Spektakel mitten in den Koalitionsverhandlungen und tönt, dass sie ab 2017 bevorzugt auch mit der Linkspartei (und den dazu noch ungefragten Grünen) in das politische Bett gehen möchte.

Neosozialistischer Verein ohne Koordinatenkreuz

Jeder halbwegs vernunftbegabte Politiker weiß, dass Wahlen nicht an den Rändern, sondern in der Mitte gewonnen werden. Dennoch hat die SPD, von ihrem ultralinken, öffentlich kaum in Erscheinung tretenden Flügel bis zu ihren prinzipiell eigentlich konservativen Kräften seit den Zeiten der rot-grünen Regierung unter Schröder und Fischer unaufhaltsam einen Linksruck vollzogen, ohne dass ihr dieses Manöver bisher irgendetwas gebracht hätte. Ein Manöver, das zudem noch bloßer Machtgier und Taktik geschuldet war. Auch die Prognosen für die diffusen und widersprüchlichen linken Sehnsüchte der SPD sind, was die Erfolgsaussichten bei zukünftigen Wahlen anbelangt, eher mau.

Der Niedergang der europäischen Sozialdemokratie

Zehn legendäre Sozialdemokraten
Willy Brandt Quelle: AP
Herbert Wehner Quelle: AP
Carlo Schmid Quelle: Bundesarchiv
Kurt Schumacher Quelle: AP
Friedrich Ebert Quelle: Bundesarchiv
Rosa Luxemburg Quelle: gemeinfrei
Karl Liebknecht (1871-1919)Der Sozialismus als Lebensaufgabe war dem dritten Sohn von Wilhelm Liebknecht in die Wiege gelegt. Seine Taufpaten waren Karl Marx und Friedrich Engels. Ab 1900 in den Reichstag gewählt, war der Sohn aber radikaler als sein Vater und gehörte bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu den wenigen Sozialdemokraten, die der kaiserlichen Regierung die Zustimmung verweigerten.  Liebknecht wurde als Kriegsgegner inhaftiert. Nach Kriegsende organisierte er den Spartakus-Aufstand  gegen die SPD-Regierung und wurde dann gemeinsam mit Rosa Luxemburg von Regierungstruppen ermordet.

Die SPD ist von einer sozialdemokratischen Partei - gar Deutschlands - unterwegs in Richtung einer neosozialistischen Vereinigung ohne Programm und Koordinatenkreuz, aber mit einer unendlichen Fülle von Ideen und Ideologismen, die keinem auch nur halbwegs geschlossenen System zuzuordnen sind. Die Sozialdemokratie ist zu einem hohlen Sozialdemokratismus geworden, der nicht ganz ungefährlich ist. Die SPD, eine Partei, von der viele Bürger - Anhänger wie Kontrahenten - immer noch irrig annehmen, dass sie ein ruhender Pol im politischen Spiel sei, wird zu einer Gefahr für die Gesellschaft, wenn sie nur noch zufallsgesteuert und situativ (irgendwelche sogenannten politischen Ziele verfolgend, die irgendwelche Parteifürsten intern aus ihrer politischen Interessenlage heraus formuliert haben) Politik macht. 

Das Herz und der Verstand sind der SPD abhandengekommen. Die SPD handelt permanent populistisch bis zum Anschlag und dazu passt auch, dass sie ihrerseits mit dem Populismusvorwurf auf alles, von der Mitte bis zur konservativen Seite, drauf haut. Auch die CDU ist für die heutige SPD in Wahrheit Populistenpack. Das alles verschweigen die Sozibonzen sogar vor sich selbst, denn sie wollen ja unter Merkel mitregieren.

Die SPD-Wähler sind dagegen mehrheitlich nach wie vor sozialkonservativ eingestellte Traditionalisten, die mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit ignorieren, dass es ihre gute alte SPD schon lange nicht mehr gibt. Der sanfte und gern mal komplett irrlichtende Francois Hollande, mit dem sich SPD-Chef Gabriel im Juni diesen Jahres traf, ist ein symptomatisches Beispiel für den unverständlichen, aber leider unaufhaltsam erscheinenden geistig politischen Niedergang der europäischen Sozialdemokratie. Hollande wurde von einer Mehrheit der Franzosen gewählt, obwohl im Vorwege feststand, dass er die Grande Nation in ein kleines Chaos stürzen würde. Und dessen Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Die Probleme der Sozialdemokraten kann man wie folgt beschreiben: Sie haben vergessen und verlernt, was Sozialdemokratie ist, und verlernt Sozialdemokraten zu sein.

Die SPD hat in ihrer Geschichte einige Auseinandersetzungen mit unterschiedlichstem Linksextremismus hinter sich. Und im Osten der Republik ist sie in Stalins Zwangsverheiratung mit den Kommunisten zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ganz untergegangen. In der Bundesrepublik ist die SPD in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren von radikalen Westlinken unterwandert worden sowie auch nicht ganz erfolglos von Kommunisten aus Ostberlin und Moskau. Helmut Schmidt liebt es diese Tatsache zu bestreiten. Gönnen wir dem Alt-Bundeskanzler seinen Irrtum!

Trotz aller solcher Widrigkeiten hielten Willy Brandt und Helmut Schmidt und zuletzt auch noch Gerhard Schröder, wenn auch schon deutlich verwässert, noch irgendwie sozialdemokratischen Kurs. Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel haben dagegen die Peilung völlig verloren und klotzen nur noch links und rechts und sonst wo wild herum.

Der Mindestlohn und die sozialdemokratische Handschrift

Schwarz-Rote Kompromisse
Gesundheits- und PflegepolitikMit Zustimmung der Parteivorsitzenden vereinbarten die Fachpolitiker, dass der von Krankenkassen erhobene Zusatzbeitrag künftig nicht mehr pauschal, sondern einkommensabhängig erhoben wird. Der allgemeine Beitragssatz soll bei 14,6 Prozent fixiert werden. Heute liegt der Beitragssatz bei 15,5 Prozent. Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 7,3 Prozent eingefroren. Der Pflegebeitragssatz soll spätestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 und später um weitere 0,2 Prozentpunkte erhöht werden.Gefahr: Ein Sozialausgleich aus Steuermitteln ist anders als bei den pauschalen Zusatzbeiträgen nicht mehr vorgesehen. Klamme Krankenkassen könnten mit den Beiträgen nicht auskommen.Folgen: Kassenmitgliedern könnten zusätzliche Lasten aufgebürdet werden. Einzelne Kassen in Finanzsorgen könnten von ihren Mitgliedern einen prozentualen Zusatzbeitrag verlangen. Quelle: dpa
Die Ziffern 8,50, symbolisch fuer die Forderung eines Mindestlohns von 8,50 Euro, stehen in Berlin vor dem Bundeskanzleramt bei einer Aktion des Duetschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Quelle: dapd
Ein Mitarbeiter des Autobauers Mercedes Benz hält am 24.02.2011 in Sindelfingen vor dem Werk ein Plakat mit der Aufschrift «Gleiche Arbeit? Gleiches Geld!» in die Höhe. Quelle: dpa
Zwei Rentner sitzen mit einer jüngeren Dame auf einer Bank am Ammersee. Quelle: dapd
Eine alte Dame sitzt in einem Seniorenheim in Berlin-Kreuzberg und hat Geldscheine in den Händen. Quelle: dpa
Eine Mutter hält beim Kochen ihr Kleinkind auf dem Arm. Quelle: dpa
Stromleitungen und Windkraftanlagen stehen vor dem Kohlekraftwerk in Mehrum (Niedersachsen) Quelle: dpa

Gabriel und seine Verhandlungsmannschaft trumpfen in den Koalitionsverhandlungen immer wieder lautstark auf, dass die von ihnen herbei gesehnte große Koalition prägend eine sozialdemokratische Handschrift haben müsste. Was allerdings "sozialdemokratisch" bedeuten könnte, erschließt sich nicht. Noch am ehesten könnte man auf den Gedanken kommen den Mindestlohn, den Merkel bisher ablehnte, dem sie aber inzwischen schlank zugestimmt hat, als eine typisch sozialdemokratische Forderung anzusehen.

Konkret ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro eine Forderung, die sinnvoll scheint. Allerdings: Ist es wirklich sozialdemokratisch und gerecht einem Mindestlohn-Empfänger in München weniger Netto vom Brutto zuzumuten als einem Mindestlohnempfänger in der Uckermark? Wer die deutlich höheren Lebenshaltungskosten in München von seinem schmalen Mindestlohneinkommen zu tragen hat, hat am Ende ungerechter und unsozialdemokratischerweise weniger frei verfügbares Geld in seinem Portemonnaie als sein Kollege in der Uckermark. Diese bekannte Tatsache ist der SPD (und nun auch der CDU) egal. Die SPD setzt darauf, dass die Wähler nicht so genau nachdenken und die Forderung nach einem flächendeckendem Mindestlohn von 8,50 Euro für pure Sozialdemokratie erachten.

Da ist das deutsche Beamtenrecht, wen wundert es, deutlich sozialdemokratischer: Die Beamtenbesoldung kennt nämlich den sogenannten Ortszuschlag. Ein Beamter, der nicht arbeitet, um Geld zu verdienen, sondern Geld bekommt, damit er arbeiten kann (Alimentationsprinzip) muss nach der Logik der Sache in Hamburg ein bisschen mehr Geld bekommen als in einem entlegenden Landkreis im benachbarten Schleswig-Holstein. Das scheint der SPD unnötig kompliziert zu sein. Sie haut einfach den flächendeckenden, überall gleichen Mindestlohn raus und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Alle Kritik in dieser Richtung ist bisher an der SPD abgeperlt. 

Doppelpass oder keine Koalition?

Was hat Homosexualität mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts. Was hat das Adoptionsrecht der Homosexuellen mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts. Was hat das Wohlergehen von adoptierten Kindern, das bei allen linken Parteien notorisch zu kurz kommt, mit Sozialdemokratie zu tun? Nichts.

Man kann sich aus gutem Grund für das Adoptionsrecht aussprechen und man kann auch die Gegenargumente anerkennen. Aber welches Motiv verfolgt die SPD, die politische Entscheidungen, auf die nicht nur die Deutschen, sondern die gesamte Welt blicken, an das Adoptionsrecht Homosexueller zu koppeln, das im Vergleich dazu nur eine kleine Minderheit interessiert?

Der gespaltene Heimatbegriff der SPD

Was die Große Koalition kosten würde
Ob Mütterrente oder Altersrente mit 63, mehr Geld für Bildung, Forschung und Infrastruktur, Pflegereform, Energiewende, Abbau heimlicher Steuererhöhungen oder die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Die Wunschliste der Koalitionäre ist lang – und würde pro Jahr einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag verschlingen. Mehr Neu-Schulden wollen Union und SPD nicht machen. Auf Steuererhöhungen soll – nach bisherigem Stand jedenfalls – verzichtet werden. Und ein Abbau von Subventionen und Finanzhilfen steht in den Sternen. Sich bei der Finanzierung der zusätzlichen Leistungen allein auf steigende Steuereinnahmen und prall gefüllte Sozialkassen zu verlassen, wäre aber äußerst riskant. Quelle: dpa
AusgangslageSelten konnte eine neue Bundesregierung mit so viel finanziellem Rückenwind starten. Schon für dieses Jahr sagen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute einen Überschuss in den Staatskassen von drei Milliarden Euro voraus, der 2014 auf knapp acht Milliarden Euro klettern dürfte. Die Steuereinnahmen dürften in diesem Jahr höher ausfallen als im Mai geschätzt. Bis zum Jahr 2018 sagen die Top-Ökonomen ein Plus in den Staatskassen von rund 53 Milliarden Euro voraus. Ein beträchtlicher Teil dieses Überschusses aber sei konjunkturbedingt und sollte gemäß Schuldenbremse zum Schuldenabbau genutzt werden. Unterm Strich ergäbe sich ein Spielraum für neue Ausgaben von Schwarz-Rot von knapp 33 Milliarden Euro – vorausgesetzt, es bleibt beim vorhergesagten Konjunkturplus. Quelle: dpa
Kosten der WunschlisteSollte die „Kalte Progression“ vermieden werden, also heimliche Steuererhöhungen nach Lohnplus bei gleichzeitig hoher Preissteigerung, würde dies etwa 19 Milliarden Euro kosten. Die von der CDU geforderte Mütterrente für Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, würde mit 6,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Quelle: dpa
Die SPD-Rentenpläne kosten fast drei Milliarden, eine Pflegereform bis zu vier Milliarden. Quelle: dpa
Würde die Koalition Bildungsausgaben auf OECD-Durchschnitt von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung anheben, ergäbe sich 2018 laut Forschungsinstituten ein Betrag von gut 18 Milliarden Euro. Der Zusatzbedarf bei Verkehrsinvestitionen wird bei jährlich sieben bis acht Milliarden Euro gesehen. Alles in allem: fast 56 Milliarden Euro. Eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ist noch unberücksichtigt – was den Bund auch richtig Geld kosten könnte. Quelle: dpa
RentenpläneJe nach Ausgestaltung kostet eine verbesserte Rente für ältere Mütter zwischen 6,5 und 13 Milliarden Euro im Jahr. Wenn die Beitragszahler dafür nicht aufkommen (was konsequent wäre, da es sich um eine versicherungsfremde Leistung handelt), müsste das Geld aus dem Bundeshaushalt kommen. Der SPD-Plan, die Rente mit 67 für langjährig Versicherte erträglicher zu machen und ihnen den Wechsel in den Ruhestand ohne Abschläge schon mit 63 Jahren zu ermöglichen, könnte langfristig mit rund zwei bis drei Milliarden Euro die Rentenkasse belasten. Würde – wie von der SPD gefordert – auf die sich abzeichnende Senkung des Rentenbeitrags verzichtet, blieben den Rentenkassen bis zu sechs Milliarden Euro Beitragseinnahmen erhalten, die anderenfalls wegfielen. Deren „eiserne Reserve“ ist mit rund 27 Milliarden Euro so gut bestückt wie schon lange nicht mehr. Quelle: dpa
VerkehrUm eine Finanzierungslücke von jährlich mehr als sieben Milliarden Euro beim Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserwegen zu schließen, haben die 16 Bundesländer ein Konzept bis 2019 vorgelegt: Ein Sanierungsfonds aus zusätzlichen Bundesmitteln soll mit 40 Milliarden Euro über 15 Jahre gespeist werden. Eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen könnte 2,3 Milliarden Euro mehr einbringen. Zu prüfen wäre die Vereinbarkeit der von der CSU verlangten Pkw-Maut für ausländische Wagen mit EU-Recht. Quelle: dpa

Jeder weiß, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in Deutschland durch die Zuwanderung in wenigen Jahren so ändern werden, dass sich die Rechte der Homosexuellen realistischerweise im Gesetzeskanon dieser Republik nicht oder kaum noch wieder finden werden. Wenn also Gabriel neben seiner Politik für Homosexuelle dick tönt, Doppelpass oder keine Koalition, dann sendet er die gleichermaßen wirre wie auch auf Verwirrung abzielende Doppelbotschaft, dass er in größtmöglichem Populismus eine Schwulenpolitik durchsetzen will, die gerade nicht den Interessen der Homosexuellen über den Tag hinaus dienlich sein wird.

Den Doppelpass fordert die SPD ausschließlich aus dem Kalkül heraus mehr Migrantenstimmen zu generieren.  Per se hat aber Migration nichts mit einer sozialdemokratischer Politik zu tun. Und die Motivlage, warum welche Migration welche Integration und übrigens auch welche Inklusion gefordert wird, hat bei den Sozialdemokraten nichts mit Sozialdemokratie, sondern vor allem mit Populismus zu tun. Mit dem Doppelpass wird allerdings eine Zuwanderung gefördert, die nicht dem Interesse des Landes dient und auch nicht dem Interesse der hier lebenden Migranten. Es werden Menschen ohne Integrationsinteresse angelockt oder solche, für die das Thema Integration keine Rolle spielt. Die bereits integrierten Migranten lehnen den Doppelpass ab oder dieses Institut ist für sie völlig belanglos. 

Der gespaltene Heimatbegriff der SPD und übrigens auch der Grünen wird hier krass deutlich: Heimat, deutsche Heimat, Heimat der Deutschen sind tendenziell rechtskontaminierte Begriffe. Bezeichnenderweise tauchte der Begriff Heimat aber in der Antrittsrede der neuen grünen Partei-Chefin Simone Peters vor ein paar Wochen gleich zwei Mal auf.

Mit dem ihr eigenen verdeckten Fanatismus und mit Inbrunst sprach sie allerdings ausschließlich von der Heimat der Menschen, die nach Deutschland zuwandern und die diese Zuwanderer verlassen wollten oder müssten. Und ganz in diesem Geist dröhnt auch Sigmar Gabriel, wenn er von der doppelten Staatsbürgerschaft skrupellos und dümmlich zugleich daher redet. Er will den hier geborenen Migrantenkindern, die einen deutschen Pass haben, die Heimat der Eltern zurückgeben. Welch ein schizophrenes Gedankenkonstrukt: Menschen, die nach Deutschland auswandern, ein Deutschland, das selbst keine Heimat sein darf (weder eine alte noch eine neue), hierzulande zeit-und kostenaufwendig integrieren zu wollen und gleichzeitig alles dafür zu tun, dass sie ihre wahre Identität in den Heimatländern sehen, die sie selber kaum oder gar nicht kennen.

Verschweigt die SPD, welche Ziele sie wirklich verfolgt?

"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch"
Begleitet von rund 200 Sympathisanten zogen die Grünen vor 30 Jahren in den Bundestag ein. Unter ihnen waren die Abgeordneten Gert Bastian, Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf (von links nach rechts). Der Bundestag war völlig unvorbereitet auf diese neue Art der Politik. Quelle: dpa
Zwei Tage nach dem 5,6-Prozent-Erfolg der Grünen bei der Wahl am 6. März 1983 kamen die 27 Abgeordneten erstmals zu einer Sitzung zusammen. Der Konferenzsaal des Abgeordnetenhauses am Bonner Tulpenfeld war viel zu eng. Auch Basisvertreter und Nachrücker waren dabei, nach zwei Jahren sollten die frisch gewählten Abgeordneten wieder aus dem Parlament hinausrotieren. Quelle: dpa
Trotz Ermahnungen der politisch Etablierten zu ordnungsgemäßer Kleidung dominierten Strickpullis und Zauselhaare. Nur eine weibliche Abgeordnete erschien mit Anzug und Krawatte. Einige brachten Strickzeug mit in den Bundestag, andere erschienen mit Blumentöpfen zur ersten Sitzung. Quelle: dpa
Auch Blumen gießen gehörte in den Anfangsjahren dazu – hier streng beobachtet von Otto Schily (rechts) und der amüsierten SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier. Über den fehlenden Platz für die Neuparlamentarier verhandelten die Grünen-Fraktionsvorständler Petra Kelly und Otto Schily sowie Fraktionsgeschäftsführer Joschka Fischer mit Bundestagspräsident Richard Stücklen. Die alteingesessenen Parteien zeigten sich skeptisch gegenüber den Neulingen. Helmut Kohl hielt die Grünen nur für eine zwischenzeitliche Episode. „Zwei Jahre gebe ich denen, dann gehen sie Mann für Mann zur SPD über“, sagte er. Quelle: dpa
Doch die Grünen blieben. Schon früh setzten die Grünen themenpolitische Akzente, mit der sie die ganze Republik umkrempelten. Sie sprachen sich nicht nur früh gegen Atomkraft und für den Umweltschutz aus, sondern forderten damals schon gleiche Rechte für Homosexuelle, eine multikulturelle Gesellschaft und die Abschaffung der Wehrpflicht ein – alles Themen, die bis heute auf der Agenda stehen. Waltraud Schoppe (Mitte) sorgte mit ihrer ersten Rede gar für Entsetzen. „Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus in diesem Parlament einzustellen.“ Ein Satz, der ob der Sexismus-Debatte auch 30 Jahre später noch aktuell ist. Quelle: dpa
Zu den ersten Abgeordneten zählten auch Petra Kelly (links, mit Blumen) und Marieluise Beck-Oberdorf (rechts). „Auch wenn wir uns antiautoritär gaben, so hatte doch dieser altehrwürdige Plenarsaal etwas Respekt einflößendes“, sagte Beck-Oberdorf in einem Interview mit tageschau.de. Trotzdem habe es das Gefühl gegeben, man sei keine „normale“ Partei. Quelle: dpa
Grünen-Gründungsmitglied Kelly, hier mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, gehörte zu den Ikonen der grünen Anfangsjahre. Sie prägte zum Beispiel den Ausdruck der „Anti-Parteien-Partei“ und der „Instandbesetzung des Bundestages“. Sie setzte sich besonders für Frieden und Menschenrechte ein. Noch mehr Beachtung als ihr Tun fand ihr Tod. Ihr Lebensgefährte und Mitstreiter Gert Bastian erschoss sie 1992 im Schlaf – und tötete sich selbst ebenfalls. Quelle: dpa

Die SPD lässt sich von aggressiven Migrantenfunktionären wie dem Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland e.V Kenat Kolat politisch vor sich her treiben.

Wenn die SPD zum zweiten Mal ihr Versprechen bricht und türkischstämmige Wähler enttäuscht, werden die Türken dies nicht vergessen“, soll Kolat der Zeitung Sabah nach der Bundestagswahl gesagt haben. Kolat betonte in diesem Zusammenhang, dass die doppelte Staatsbürgerschaft das wichtigste Thema der Koalitionsverhandlungen sein müsse. Und verband dies mit dem Hinweis: „In zwanzig Jahren werden Migranten 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Deutschland muss diese Realität sehen.“ Diese Menschen würden Deutschland künftig regieren und führen.

Allerdings: Wenn das der Diskussionsstand in den Führungszirkeln der SPD ist, dann müsste die Führung diese Hintergründe ihren Wählern vollständig offenlegen. Nicht so viel von fremden Heimaten reden, als vielmehr davon, dass eine knallharte Interessenpolitik innerhalb der Koalitionsverhandlungen durchgesetzt werden soll. Und die SPD müsste erklären, was an dieser Klientelpolitik sozialdemokratisch ist.

Kolat sagt de facto, dass das Grundgesetz wahrscheinlich noch eine maximale Lebensdauer von höchstens 20 Jahren hat. Schließlich kann das Grundgesetz mit Zweidrittel-Mehrheit geändert, realistisch sogar abgeschafft werden. Man kann politisch, solange das Grundgesetz gilt, weitestgehend fordern, was man will. Wenn die SPD aber politische Weichen stellt und ihren eigenen Wählern verschweigt, welche Ziele sie tatsächlich verfolgt, dann stellt sich die Frage, ob die SPD noch wirklich auf dem Boden der Verfassung agiert. Warum also haut Gabriel das Thema doppelte Staatsbürgerschaft jetzt ohne jede Not mit einem solchen Furor in die Koalitionsverhandlungen hinein, so als hinge von der doppelten Staatsbürgerschaft der Fortbestand der Menschheit ab?

Merkel hat das konservative Feld geräumt

Ist die Mütter-Rente der CDU nicht eigentlich ein ursozialdemokratisches Thema? Ja, sie ist es. Aber die SPD will das Geld ideologisch anderweitig verwenden und nicht für die betroffenen Mütter ausgeben. Auch hier wird deutlich, dass die SPD ihren Bezug zu bedürftigen Menschen, hier Frauen und Müttern, komplett verloren hat und in Wahrheit keine wählbare Partei mehr ist. Statt sich mit sozialem Anspruch in die Mitte zu bewegen, verbeißt sie sich in die Vorstellung mit der von ihr jetzt superhübsch geredeten Linkspartei herum zu machen.

Der rot-rot-grüne Wahnsinnszug

Merkel hat das konservative Feld komplett geräumt und nimmt vor allem den Sozialdemokraten und den Grünen die Butter vom Brot, indem sie deren Themen klaut, wie es oft ausgedrückt wird. Sie führt einen Verdrängungswettbewerb gegen die linken Parteien, die sich in ihrer Hilflosigkeit meinen nach links retten zu müssen, ohne noch irgendeine Vorstellung davon zu haben, wo links ist und welchem Kurs sie also fahren sollten. Denn echte Kommunisten oder Neo-Kommunisten wollen sie auch wieder nicht sein.

Auch die gespielte neuerliche Abneigung der Merkel-Partei gegen die Partei "Die Linke", ist fadenscheinig. Denn natürlich ist die Union die erste, die auch mit der Linkspartei koalieren würde, wenn's denn in einer speziellen Situation opportun wäre.

Im Übrigen holt die SPD-Führung die Keule namens Linkspartei just jetzt heraus, weil sie sich davon erhofft, dass sie die linke innerparteiliche Opposition mit derlei Bonbons auf den Kurs einer großen Koalition mindestens für die nächsten vier Jahre locken könnte.

Das linke Lager in der SPD hat sich nach der verlorenen Wahl auch noch nicht richtig gesammelt, intensiviert aber kontinuierlich sicher mit entsprechenden Kontakten zu den Grünen und zur Linkspartei, seine Bemühungen die große Koalition und Merkel zu verhindern und den rot-rot-grünen Wahnsinnszug doch noch auf die Schiene zu setzen.

Angesichts der Merkelschen Politik, wie sie sich derzeit offenbart, ist diese nicht einmal die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Auch wenn das Bündnis zu einem schnellen Scheitern verurteilt wäre. Wer aus konservativer Sicht am Anfang noch klar für eine große Koalition sein musste, kann mit der Merkelschen Verhandlungsführung nicht einverstanden sein und ist geneigt, aus ganz anderer Sicht eine rot-rot-grüne Katastrophe besser zu finden, als den schleichenden politischen Verrat der eigenen Wähler einer Merkel.

Die erpresserische Haltung, mit der die SPD Merkel zum serienweisen Einknicken in den Koalitionsverhandlungen veranlasst, darf nicht den Irrtum begünstigen, dass die SPD ihrerseits überhaupt wüsste, was sie tut oder überhaupt irgendein Konzept hätte. Es wird einfach nur wahllos und ziellos, aber vergleichsweise extrem und sehr ideologisch herum verhandelt, und oft liegen eben einfach nur Lobby-oder Klientelinteressen auf dem Verhandlungstisch.

Lautstarke und aggressive Minderheiten führen den Taktstock und was Sozialdemokratie sein könnte oder sollte, verschwindet immer mehr aus dem Fokus. Franz Müntefering würde, mindestens wenn er noch der Alte sein sollte, seiner Partei zurufen: Der gequirlte Mix, den ihr, liebe Genossen, als Sozialdemokratie verkauft, ist Mist; diese Art von Links ist Mist.

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