Bettina Röhl direkt

Das große Versagen der deutschen Parteien

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Phänomen: Parteiprogramme

Wenn nun aber Parteien kraft Verfassung so wichtig für das politische Leben, das gesellschaftliche Leben, das Leben jedes Einzelnen sind, dann ist es ein misslicher, ja regelrecht gefährlicher Zustand dieser Republik, dass die Parteien vom Grunde her überhaupt nicht und schon gar nicht hinreichend durchleuchtet, abgeklopft und qualifiziert werden. Die Parteien, die eigentlich permanent auf dem Prüfstand zu stehen haben, sind eigenartige Vereine, in die man eintreten kann und die man wieder verlassen kann, die in Wahrheit aber nur an einer Oberfläche namens Parteiprogramm  sichtbar werden und die nur mit dieser Oberfläche als Spieler der politischen Auseinandersetzung in Erscheinung treten.

Damit ist man bei dem Phänomen Parteiprogramm, das zur Definition einer politischen Partei gehört. Diese Parteiprogramme mit Ober-und Untervarianten werden immer länger. Das heißt auch, sie füllen immer mehr Seiten geduldigen, bedruckten Papiers. Sie sind nicht einmal wirklich dazu gedacht, dass alle Wähler sie kennen müssten. Und sie sind zunehmend jedes Realitätsbezuges beraubt. Abstrakt und beliebig formulierte Ketten, auf denen Sprechblasen endlos hintereinander aufgereiht werden.

Koalitionspoker setzt Unwürdigkeit des Wahlkampfes fort

Die Parlamentswahlen sind ein Kulminationspunkt der Demokratie. Und es ist deswegen eine mittlere Katastrophe, wenn Bundestagswahlen zu einer Farce und einer Bürgerveralberung, an der der Wähler allerdings höchst aktiv teilnimmt, verkommen. Der Wahlkampf 2013 war unter Demokratiegesichtspunkten eine würdelose Veranstaltung, denn alle wichtigen Themen wurden der politischen Korrektheit geopfert und ausgeklammert, und die Wähler und die Republik wurden mit zufällig zum Thema gewordenen Nebensächlichkeiten unterhalten.

Der mit einem großen medialen Aufwand veröffentlichte oder, besser gesagt, breit getretene Wahlkampf verdient bestimmt keine Spitzennote. Nachdem die bürgerliche Mehrheit der Wähler dank der Fünfprozent-Klausel, die per se keine Katastrophe ist, sondern Sinn macht, keine Parlamentsmehrheit zustande brachte, muss jetzt also die Koalition geschmiedet werden, die in den nächsten vier Jahren dieses Land regieren soll. Der Koalitionspoker, der sich nach der Wahl etabliert hat, setzt die Unwürdigkeit des Wahlkampfes fort.

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