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Was ist konservativ?

Bettina Röhl Publizistin

Herrschende Meinung in diesem Land ist, dass der Konservativismus nicht mehr existierte. Das Schema konservativ/links hätte ausgedient. Dies ist fatal falsch. Richtig ist: der Westen braucht eine Reanimation des Konservativismus

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Ist die CDU noch konservativ? Quelle: dpa

Konservativ sein ist eine menschliche Eigenschaft, eine humanistische Haltung, die das Leben licht, warm, froh und nachhaltig werden lässt. Konservativismus ist ein Ideal. Dieses Ideal verpflichtet dazu, permanent in inspirierter, empathischer, kreativer, und das alles zusammen heißt, informierter Weise darüber nachzudenken, was kann man, was kann ich, besser machen. Im Bessermachen (wollen) liegt bereits der Kern des Konservativismus. Das Neue muss sich nämlich messen lassen an dem was ist. Es findet also ein permanenter intellektueller Vergleich statt zwischen dem, was bis jetzt war und dem, was idealtypisch möglich ist. Daraus folgt automatisch der Satz, dass das, was war und zur Zeit nicht verbesserungsfähig ist, was sich also schon als annähernd optimal heraus stellt und bewährt hat, allerdings in einer bewussten Durchdringungsarbeit, unbedingt zu erhalten ist.

Konservativismus ist also im Prinzip eine systematisch vorgehende, eine im historischen Kontext denkende Herangehensweise. Und zwar eine Herangehensweise an die Menschen, die Gesellschaft und die Welt. Konservativismus ist demnach eine wissenschaftliche Methodik mit Herz und Verstand. Vergessen Sie unbedingt den fanatischen und grenzenlos ideologischen, sich irreführend wissenschaftlich nennenden Sozialismus! Sozialismus ist Fiktion, ein Ersatz für irgendeine furchtbare, aber für edel und hehr erklärte Scheinrealität, Utopie genannt.

Ein konservativer Mensch ist ein geordneter, in sich und in seiner Umwelt ruhender, Ordnung fördernder, systematisch denkender, auf inneren Frieden und inneres Glück sinnender, sich für sozialen Ausgleich einsetzender, kommunikativer Mensch, der sich aus intelligentem Altruismus auch um die Glückschancen seiner Mitmenschen kümmert, sprich dem das Wohl der Gesellschaft, in der er lebt, wichtig ist. Der Konservative bemüht sich wirtschaftlichen Erfolg zu generieren. Er bemüht sich wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu erzeugen oder zu fördern und er weiß, dass eine gesunde Seele und ein gesunder Körper die Voraussetzung für ein gelungenes konservatives Leben sind.

Der demokratische und soziale Rechtstaat, wie ihn das Grundgesetz beispielhaft ausgestaltet, ist die geradezu klassische Inkarnation konservativen Denkens. Konservative sind Frauen und Männer, die wissen, dass die Errungenschaften der Freiheit, der Gleichheit aller Menschen und der Mitmenschlichkeit fragil sind und täglich neu errungen werden müssen. Konservative lehnen Ideologien nicht einfach ab, sondern setzen sich mit ihnen kritisch auseinander und führen sie aus einer überlegenen Position heraus ad absurdum.

Ideologien, die nicht die Wirklichkeit erklären, sondern Fiktionen an die Stelle der Realität setzen, sind die ständige Herausforderung des Konservativen, da Ideologien im politischen Wettstreit immer wieder unter den verschiedensten, mehr oder weniger charismatischen Führern erhebliche Zuläufe erfahren haben und erfahren. Der Konservative ist, anders als viele, die sich konservativ nennen, ein höchst kommunikativer und streitbarer Intellektueller und er ist einer, der sich nicht (routiniert) weg duckt. Last, but not least: der Konservative ist ein Mensch, der sich im besten Sinne um höchst mögliche Distanz zu sich selbst bemüht und er ist jemand, der stets versucht die Realität, wo notwendig und möglich, mit Humor erträglicher zu machen. Mit anderen Worten, der Himmel, so es einen gibt, ist konservativ und das Paradies ohnehin.

Feindbild konservativ

Wie Rot-Grün die Deutschen zwangsbeglücken will
Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl einen fleischlosen Tag in Kantinen einführen. Der Vorschlag wabert schon eine ganze Zeit lang durch die Partei und wurde schon mehrmals scharf kritisiert. So verglich beispielsweise der CDU-Politiker Josef Rickfelder im Januar 2013 den "Veggie-Day" in Kantinen und Schulen mit dem Eintopftag der Nationalsozialisten und nannte ihn eine "Gängelung der Bürger", gegen die man sich wehren müsse. Trotzdem wollen die Grünen nach der Bundestagswahl den "Veggie-Tag" einführen, an dem in Kantinen und Mensen ausschließlich vegetarisch und vegan gekocht werden soll. „Ein Veggie Day ist ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast. Mit dem Vegetariertag will die Partei den Fleischkonsum der Bundesbürger senken. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Politiker so in das Privatleben der Bürger einmischen (wollen). Quelle: dpa
Auf umweltschädliche Plastiktüten sollte nach Überlegungen in den Reihen der Grünen künftig eine Steuer von 22 Cent erhoben werden. Die Verwendung erdölbasierter Kunststoffe müsse dringend eingeschränkt werden, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Dorothea Steiner, der Bild-Zeitung. Quelle: dpa
Auch die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote kommt von Rot-Grün. Mittlerweile stößt auch die CDU, allen voran Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, ins gleiche Horn. Quelle: dpa
Seit dem 01.08.2013 haben Familien einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für ein- und zweijährige Kinder. Ginge es nach dem Willen von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), müssen alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr in eine Kita gehen. Sie sprach zwar nicht ausdrücklich von einer Kita-Pflicht, sagte aber: "Bisher waren wir uns mit der CDU einig, dass Bildung schon in der Kita beginnen muss. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie zu zahlen, damit sie fernbleiben." In der CDU stieß dieser Vorschlag auf harsche Kritik. So hatte sich beispielsweise Familienministerin Kristina Schröder echauffiert: "Wer eine Kita-Pflicht ab dem ersten Geburtstag will, muss ein ziemlich verqueres Menschenbild haben." Quelle: dpa
2012 wollten SPD und Grüne den Autofahrern an den Kragen: Sie wollten aber nicht nur Autobahnraser bremsen, auch in den Innenstädten sollte es beschaulicher zugehen. Sie forderten ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern in Städten, um die Straßen sicherer zu machen. "Mit Rot-Grün stünde ganz Deutschland auf der Bremse", schimpfte damals CDU-Politiker Hermann Gröhe. Quelle: dpa/dpaweb
Auch den steuerfreien 450-Jobs soll es nach dem Willen von Rot-Grün an den Kragen gehen. "Alle Verdienste über 100 Euro im Monat sollen steuer- und abgabenpflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen", fordert Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. So könne mehr Beschäftigung entstehen. "Die Leute wären besser abgesichert und könnten wieder mehr Rentenansprüche aufbauen." Für Studenten, Hausfrauen und Hartz-IV-Empfänger, die sich mit den Minijobs etwas dazu verdienen, wäre das allerdings ein Schlag ins Gesicht. Quelle: dpa
In Nordrhein-Westfahlen wollte dir rot-grüne Landesregierung die Ladenöffnungszeiten verändern: Geschäfte sollten nur noch maximal 13 mal im Jahr Sonntags geöffnet haben dürfen. Außerdem plante Rot-Grün ein Verkaufsverbot an Samstagen ab 22 Uhr. Quelle: AP

Alles nur Ironie und bitterböse Satire? Der linke Mainstream ist sich doch ganz sicher, dass Konservative ewig Gestrige sind und dass der Konservativismus in fundamentaler Weise bestehende Herrschaftsverhältnisse konservieren will, auf Unterdrückung sinnt und basiert und dem Imperialismus und Militarismus Vorschub leistet. Konservative sind aus der Sicht des linken Mainstreams prinzipiell reaktionär und geistig träge bis tumb. Nur in der Erfindung und Produktion von immer böseren Massenvernichtungswaffen und in der Entwicklung immer neuerer und effizienterer Maschinen, die die Menschen arbeitslos machten, seien die Konservativen besonders gut, das heißt besonders schlecht; den Konservativen reiche es nicht Kriege auf der ganzen Welt zu führen und Menschen durch ihre kapitalistische Profitgier weltweit in Hunger, Armut und Elend zu halten und zu stürzen. Konservative wollten auch billigen Atomstrom, um die nachfolgende Welt mit einem mindestens 26 000 Jahre währenden Verstrahlungsrisiko zu überziehen. Sprich, die vor Egoismus platzenden Konservativen kalkulieren den Gau bewusst ein.

Das linke Feindbild des Konservativen, der auch gleichzeitig der Kapitalist, der Klassenfeind und das zu bekämpfende Böse ist (so wie etwa die Linkspartei, großer Teile des linken Flügels der SPD und weite Teile der Grünen und ein radikale, sich links nennender linker Mob die Konservativen heute noch sehen) hat sich im Laufe der letzten vierzig Jahre gewandelt. Nach 150 Jahren Sozialismus und vielen Völkermorden im Namen des Kommunismus, nach Marx, Lenin, Stalin, Mao, Ho Tschi Minh oder Pol Pol ist nämlich selbst dem linken Lager aufgefallen, dass sein fundamentalistischer und außerordentlich blutiger Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse dank der ideologischen Verblendung gescheitert ist und zum Scheitern verurteilt war. Aus diesem Grund hat sich das neo-linke Lager in den letzten Jahrzehnten neue konservative Feindbilder geschnitzt. Die neulinke Ideologie, auch grün genannt, hat sich andere Betätigungsfelder gesucht, die sich jetzt antikonservativ geben.

Jüngstes Beispiel hierfür ist die Genderpolitik, die höchst undemokratisch klammheimlich von Oben ins deutsche Recht implementiert wurde. Im Prinzip gibt es danach bis zu 16 verschiedene Geschlechter, nur die Geschlechter Mann und Frau seien realiter reine Fiktion des Betrachters. In Wahrheit gäbe es keinen Mann und keine Frau, sondern nur ein variables, soziales, androgynes Geschlecht. Die Anti-Atomkraft-Ideologie, die Dosenpfand-Ideologie, eine ideologisierte Integrationspolitik, eine ideologisierte Bildungspolitik, die routiniert alles permanent durcheinander quirlt und darauf achtet, dass unter keinen Umständen Bildung und Aufklärung entsteht, und ganz neu, eine Anti-Weißer-Mann-Ideologie. Das sind die Politikfelder, auf denen jetzt gegen einen fiktiven konservativen Gegner das Feuer eröffnet ist.

Auch den antikapitalistischen Radikalismus gibt es noch

Und es gibt ihn noch, den antikapitalistischen Radikalismus, der auch ein antikonservativer Radikalismus ist. Die jüngsten bürgerkriegsähnlichen Kämpfe in Hamburg kurz vor Weihnachten für ein sogenanntes, rotes, alternatives "Kulturzentrum" sind symptomatisch für ein subkulturelles Geschehen, das bis in die Mitte der Gesellschaft Wirkung zeigt. Man nehme die spontanen Kommentare aus den öffentlich-rechtlichen und den großen Druckmedien, die sofort wieder dabei sind nach den (guten) Motiven und den hohen moralischen Ansprüchen der linken Krieger zu suchen und sie auch zu finden. Und die sofort wieder, wie in den bürgerkriegsähnlichen Zuständen etwa im Frankfurt oder Berlin der siebziger und achtziger Jahre, der Polizei und dem Staat letztlich die Schuld für Eskalation geben. Insofern wiederholt sich Geschichte selten eben doch. Das beschriebene Geschehen in Hamburg samt der medialen Reaktion darauf ein primitives Remake dessen, was seit Jahrzehnten gegen den Konservativismus läuft.

"68" ist eben nicht Geschichte und die prinzipiell von den 68ern erfundene Behauptung, die auch von sovielen Nichtlinken übernommen wurde, dass es links und konservativ heute nicht mehr gibt, ist ein reiner Schmarrn zur Verteidigung und Konservierung des Linken.

Konservativ ist, um es zu wiederholen, vor allem eine Methode: Genügend Wissen akkumulieren, um eine im Prinzip wertneutrale Analyse des Status quo durch zu führen, ja überhaupt durchführen zu können. Dann kommt der alte Spruch ins Spiel: Das Gute bewahren, das Schlechte verbessern. Das Gute lassen und pflegen und herausfinden, wie das, was für nicht optimal erkannt wurde, sinnvoll verbessert werden kann. Die konservative Methode ist eine dynamische Herangehensweise an die notwendigen Veränderungen, ergo eine nach vorne denkende, positive Lebenshaltung.

Der Konservative ist nicht per se religiös

Papst Franziskus, Fürsprecher der Armen
Der neue Papst Jorge Mario Bergoglio ähnelt in seinem bescheidenen Lebensstil seinem italienischen Namenspatron Franziskus aus dem 13. Jahrhundert, der freiwillig in Armut lebte und einen Bettelorden gründete. Quelle: AP/dpa
Bergoglio ist der 266. Pontifex der Kirchengeschichte, aber der erste Papst aus Lateinamerika und der erste Jesuit auf dem Heiligen Stuhl. Er wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer geboren - dies dürfte eine enge Verbindung zu seiner neuen Heimat im Vatikan schaffen. Quelle: AP/dpa
Nach einer Ausbildung als Chemietechniker entschied er sich für das Priesteramt und wurde 1969 zum Priester geweiht. Schon nach vier Jahren wurde er 1973 zum Provinzial des Jesuitenordens für Argentinien gewählt und leitete dann bis 1979 den Orden in dem lateinamerikanischen Land. Während dieser Zeit begann die Militärdiktatur, in deren Verlauf rund 30.000 Menschen verschleppt und ermordet wurden. In seiner Heimat wurde der Vorwurf erhoben, Bergoglio habe als Jesuiten-Provinzial während der Militärdiktatur Ordensbrüdern nicht ausreichend Rückendeckung gegeben. Quelle: REUTERS
1992 wurde Bergoglio von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof von Buenos Aires ernannt. Sechs Jahre später wurde er Erzbischof des Bistums. Quelle: AP/dpa
Bei der Papst-Wahl 2005 war Bergoglio der Hauptkonkurrent von Joseph Ratzinger, der sich allerdings durchsetzte und als Papst Benedikt XVI. acht Jahre die römisch-katholische Kirche führte. Damals wurde der Argentinier von den moderaten Kardinälen als Gegengewicht zum dogmatischen damaligen Leiter der Glaubenskongregation unterstützt. Quelle: AP/dpa
Von seiner Biografin Francesca Ambrogetti wird der 76-Jährige als Mann des Ausgleichs mit großem Verhandlungsgeschick und einem ausgeprägten sozialen Gewissen beschrieben. Er wurde auch "Kardinal der Armen" genannt. Bergoglio gilt als bescheiden und volksnah. Auch als Kardinal war sich der Argentinier nicht zu schade, den Bus oder die U-Bahn zu nehmen statt einer Limousine. Statt in der erzbischöflichen Residenz wohnte er in einem einfachen Apartment. So entstand etwa im Jahr 2008 dieses Foto des Jesuitenpaters in der U-Bahn in Buenos Aires. Quelle: AP/dpa
Bergoglio begrüßt 2008 Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner. Mit Politikern spricht er Klartext, weshalb seine Beziehungen zur Präsidentin und ihrem verstorben Mann und Vorgänger Nestor Kirchner nicht immer störungsfrei waren. Dass Bergoglio aus seinen konservativen Einstellungen keinen Hehl macht, zeigt eine Episode aus dem Jahr 2010, als er die argentinische Regierung wegen der Legalisierung der Homo-Ehe angriff. "Wir dürfen nicht naiv sein. Das ist kein einfacher politischer Kampf, das ist der Versuch, Gottes Plan zu zerstören", schrieb er in einem Brief wenige Tage vor Verabschiedung des Gesetzes. Kirchner entgegnete damals, dass sie sich an „mittelalterliche Zeiten und die Inquisition“ erinnert fühle. Quelle: REUTERS

Konservativ zu sein hat dabei nichts mit Traditionalismus zu tun und auch nichts mit dem Traditionalismus, den es im Christentum, im Judentum oder im Islam gibt. Der Konservative ist auch nicht per se religiös (oder gar fundamentalistisch), wie es heute im linken Mainstream gern gesehen wird. Es gibt den agnostischen Konservativen, den atheistischen, aber auch den religiösen, den christlichen, den jüdischen oder den islamischen.

Der fundamentalistische Atheismus des linken, sozialistischen Lagers, der alle Religion bekämpft und mit seinem wissenschaftlichen Sozialismus auf Negierung eingetuned ist, hat im Zuge der neolinken Bewegung an Fahrt verloren, wirkt aber ohne Zweifel nach. Der ursprünglich revolutionäre linke Ansatz richtete sich gegen den verzahnten Machtblock von Staatsorganisation und Kirchenorganisation. Davon ist heute eine sonderbare Feindbilderhaltung vor allem gegen den katholischen Mann übrig geblieben, der prototypisch für den zu bekämpfenden Konservativen gesehen wird. Indes hat Konservativismus nichts mit Religion oder Nicht-Religion zu tun.

Der Konservative ist auf die Sache fixiert, um deren Optimierung es ihm geht. Ihm geht es um das Argument. Er ficht mit dem Instrumentarium der Logik. Darin liegt der eigentliche Grund, dass er entgegen seinem Ruf wenig zur politischen Aggression taugt. Das aggressive Moment, der gierige Angriff bis hin zum Vernichtungswillen ist eine hervorragende Eigenschaft des ideologischen linken Lagers, welches diese Eigenschaft traditionell, wie beschrieben, antikapitalistisch ausgelebt hat. Und das sich jetzt auf den Feldern Familie, Bildung, Integration, Kampf gegen Rechts (was immer mit der wohlfeilen Parole genau gemeint ist), Kampf gegen den weißen Mann und im Bereich der Energiewende austobt.

Wer ist heute konservativ?

So wie der Konservative den ihm aufgezwungenen Kampf der Anti-Kapitalisten nie gewonnen hat, sondern der Kommunismus durch einen eigenen Implosionsvorgang quasi von der Bildfläche verschwunden ist (nämlich letzten Endes durch den Zusammenbruch der durch und durch maroden wirtschaftlichen Systeme des Ostblocks sowie dessen moralischer Verkommenheit , steht der Konservative, der heute wie seit 150 Jahren ein wenig gerupft ist, auch jetzt wieder defensiv und ineffizient neo-linken Attacken gegenüber. Die Konservativen erweisen sich als weitgehend unfähig die eigenen Vorstellungen auch nur zu formulieren, geschweige denn sie zu vertreten. Der konservative Geist schwächelt notorisch und schläft seit 150 Jahren routiniert auf der Anklagebank. Die Konservativen schauen zu, wie die selbsternannten Ankläger aus dem linken Lager einen Bockmist nach dem anderen fabrizieren und die Menschen von einer ideologischen Katastrophe in die Nächste stürzen.

Der Konservative denkt in der Sache dialektisch, aber nicht in politischen Kampfstrategien. Der Konservative tickt autonom mit einem Hang zu einem Individualismus. Der traditionellen und routinierten Fähigkeit aller linken Lager zur Bildung clandestiner Netzwerke und zur konzertierten Ausnutzung dezentraler selbsttätiger Streit- oder Kampfzellen für die gemeinsame linke Sache, hatte und hat das Lager der Konservative nichts entgegen zu setzen. Im Gegenteil, oft genug sind die Konservativen schwach geworden und haben sich in Anpassung und Nachlaufen geübt, wider die besseren eigenen Erkenntnisse. So ist konservativ eigentlich die gute, die bessere Alternative, aber den Konservativen fehlt allzu oft die notwendige Durchsetzungskraft und auch der notwendige Durchsetzungswille.

Der Konservative baut die Brücke

Das konservative Idealbild ist das eine und das andere ist die Realität, in der vom Konservativimus nach 150 Jahren nicht viel übrigen geblieben ist. Wer ist heute konservativ? Die vielen, die sich konservativ nennen, aber nur Mitläufer sind, leisten oft genug dem Zerfall der konservativen Idee Vorschub. Im konservativen Lager ist eine Mentalität des sich gegenseitig in den Rückenfallens und des sich Anbiederns entstanden und üblich geworden, was aber mit Konservativismus nichts zu tun hat.

Der Konservative im eigentlichen Wortsinn konstruiert und baut die Brücke. Aber es ist eben sehr viel leichter eine Brücke zu zersprengen und an ihre Stelle ideologische Konstrukte zu setzen, wie es zum routinierten politischen Kampf der Linken gehört. Wer im Aufbau-Modus lebt, ist demjenigen, der latent im Kampf-und Zerstörungsmodus lebt, oft genug unterlegen.

Eine wichtige Schlussbemerkung bleibt hervorzuheben: Die Nationalsozialisten in Deutschland waren keine Konservativen und der hier beschriebene Konservative stand nicht in der Gefahr aus Versehen Nazi zu werden. Genauso wenig wie er je in der Gefahr stand anderen Ideologien anheim zu fallen oder Populisten hinterher zu laufen. Das heutige furchtbare "Gesellschaftsspiel", dass die geistigen Enkel und Urenkel Mao Tse Tungs und Stalins im linken Mainstream mit dem Begriff "Rechts" alles nicht Linke als braun mindestens bemakelt attackieren, ist ein permanenter unmoralischer Angriff auf diese Gesellschaft als Ganze.

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