Bettina Röhl direkt

Winfried Kretschmann und der Bildungsplan 2015

Bettina Röhl Publizistin

In Baden-Württemberg sorgt ein Bildungsplan für Aufregung, der sexuelle Orientierung, sexuelle Vielfalt und Gender fächerübergreifend auf den Unterrichtsplan setzt. Nach Revolution und dem langen Marsch durch die Institutionen kommt nun die Erziehung der Bevölkerung von oben. Die angeblich zahnlos gewordenen 68er sind alles andere als tot.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Schulunterricht Quelle: dpa

Bisher hat die rot-grüne Landesregierung zwar nur einen Entwurf seines Bildungsplans 2015 für Baden-Württemberg vorgelegt. Dort ist unter anderem eine intensivierte Gender-Sexualaufklärung in allen Fächern vorgesehen. Überraschenderweise hagelt es Kritik. Und zwar nicht nur von den Kirchen, wie vielleicht erwartet, sondern auch von dem baden-württembergischen Realschullehrer Gabriel Stängle, der sich den Bildungsplan 2015 gründlich angesehen und mit einer Petition gegen die rot-grüne Bildungsoffensive namens "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" mit 192.283 Unterzeichnern (Stand: 28.01.2014, 13:45) in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat.

Die Sturmattacken gegen die Petition, an der sich die Fans der rot-grünen Landesregierung in Baden Württemberg, aber auch rot-grüne Anhänger aus dem Bundesgebiet und Medien wie der Spiegel aktiv beteiligen, haben aus der Sache einen bildungspolitischen Stellvertreterkampf werden lassen. Auch eine Gegenpetition ist mit inzwischen 86.023 Befürwortern (Stand: 28.01.2014, 13:45) auf Stimmenfang.

Vereinzelte interessierte, dem konservativen Lager zuzurechnende Bürger wie eben dieser Lehrer Stängle proben also den Aufstand. Und das rot-grüne Lager schlägt, dezentral aber konzertiert, mit altbekannten Kampfmitteln zu. Ihr Einsatz: die argumentative Schubumkehr. Bedeutet: Die Wirklichkeit auf den Kopf stellen, sich ausschließlich auf den Angriff des Gegners konzentrieren und die Gegner psychologisieren, stigmatisieren und persönlich kaputt machen. So ist Stängle inzwischen nicht mehr Referatsleiter (zuständig für die Themen Bildung, Schulpolitik) im Realschullehrerverband, sondern er ist, wie es heißt, "freiwillig" zurück getreten.

Das Beispiel belegt einen allgemeinen Trend: Das konservative Lager dämmert politisch in einer Art Wachkoma, gewinnt sogar die Wahlen, aber überlässt das Feld in der Sache dem politischen Gegner oder, anders ausgedrückt, denjenigen, die im linken Lager die Meinungsführerschaft haben. Und die linke Meinungsführerschaft gestaltet die politische Grundausrichtung der Republik.

Der Bildungsplan ist ein peinliches aufgeblasenes Gewäsch

Das, was bis jetzt als Bildungsplan in Baden-Württemberg vorgelegt wurde, ist für sich gesehen ein peinliches Gewäsch aus unwahrscheinlich vielen Spruchblasen und halb zu Ende gedachten Halbwahrheiten und Halbweisheiten. Wer den Bildungsplan unvoreingenommen liest, erkennt, dass es sich bestenfalls um einen bildungsfreien wirren Erziehungsplan handelt, in dem viele Themen angerissen werden, die eigentlich eher in das Privatleben oder in die 'Schule des Lebens' gehören, aber nicht ins Klassenzimmer und nicht in Staatshand.

Dieser Bildungsplan, der vervollständigt und 2015 Realität an baden-württembergischen Schulen werden soll, sollte zur Pflichtlektüre aller Bundesbürger werden. Das wäre der einfachste Weg, diesem gequirlten und extrem aufgeblasen daher kommenden intellektualisierenden und gleichzeitig mies formulierten Quatsch nachhaltig zu entlarven. Als das, was er ist, nämlich eine bildungsfeindliche Indoktrinierungsplattform gegen Kinder und junge Menschen.

Wer denkt, dass Schule mindestens auch dem Zweck dient, junge Menschen fit für den Weltmarkt zu machen, wer denkt, dass Schule mindestens auch dem Zweck dient, die Fähigkeiten zu erwerben, die zukünftig in der Hightech-Wirtschaft gefragt sein werden, der muss erkennen, dass ideologisch "gleichgeschaltete" (ein Lieblingsausdruck des 68er-Halbgott Marcuse), durchgegenderte, durchpsychologisierte und durchnormierte, Klugscheißerlis heran gezogen werden sollen. Hier soll der stromlinienförmige grüne Bessermensch der Zukunft zusammen gebacken werden, der eigeninitiativ alle Individualisten in der Zukunft genauso aggressiv platt macht, wie die Bildungsideologen es jetzt voraus planen.

Der Bildungsplan ist ein Angriff auf Intelligenz und Leistung

Lügen und vertuschen ist auf die Dauer zu anstrengend, glaubt Christian Weis, Sprecher des LesbianGayBisexualTransgender-Netzwerkes Arco der Commerzbank.
von Lin Freitag

Der Bildungsplan 2015 ist ein Angriff auf die Intelligenz, die Leistung auf die Individualität des Menschen. Da kommt ein Kretschmann daher und verkündet in seiner etwa betulichen Teddyhaftigkeit, ganz den Sympathen gebend, dass die Menschen nun einmal unterschiedliche Lebensvorstellungen hätten und man sie so lassen sollte, wie sie seien. Und die Gegnern seines neuen Lehrplans, der den Schülern Baden-Württembergs sexuelle Orientierung geben soll, erklärt er, seien "religiös imprägniert".

Was Winfried Kretschmann als Landesfürst in Baden Württemberg in Sachen Bildungsplan derzeit abliefert, ist ganz typisch für jemanden, der jahrzehntelang im K-Gruppenmilieu abgesoffen ist, weshalb ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit der Bundesrepublik, in die siebziger Jahre und in Kretschmanns eigene fanatisch geprägten Jahre notwendig erscheint, um die Diskussion um den Bildungsplan 2015 zu verstehen.

Festzuhalten ist, dass die tausenden meist studentischen K-Grüppler aus den siebziger Jahren, zu denen Kretschmann gehörte, einem religiösen, wenn auch atheistischen sektenhaft verknüpften Wahn anheimgefallen waren. Dies ist für das heutige politische Leben von enormer Bedeutung, auch wenn dies ist ein Thema ist, das von den Interessierten, sich heute gar als konservativ gebenden Renegaten, zu denen auch Kretschmann gehört, unterdrückt und verschwiegen wird. Die Verniedlichung des K-Gruppen-Irrsinns ist bei den damals "imprägnierten" Leuten natürlich ein beliebtes Spiel, nach dem Motto, damals hatten wir ein paar verrückte Minuten, aber jetzt sind wir nachhaltig die Besten, die Vernünftigsten und machen alles richtig.

Aber die alten 68er-Ideologien spielen doch gar keine Rolle mehr!

Diese K-Gruppen aus grauer Zeit spielten doch gar keine Rolle mehr? "68", so wird uns listig und aggressiv zugleich verkauft, sei schon lange tot!  Aber dann schauen wir doch mal in die damalige Realität der zumeist maoistischen K-Gruppen hinein: Mao Tse Tungs Irrlehren von der Entindividualisierung des Menschen, von der Schaffung eines neuen, von seiner Vergangenheit und seiner Persönlichkeit und auch seiner Familie und allen persönlichen Bindungen abgeschalteten Schwarm-Menschen, der sich bewusst selber in dieselbe Richtung wie alle anderen lenkt, kurz eines Brainwashed-Bürgers, der gemäß der roten Bibel genau weiß, was gut und böse ist, und welche Menschen zu ermorden sind, um die Kulturrevolution erfolgreich durchführen zu können, das war das große Ideal dieser K-Gruppen. Das war die heilige Substanz, der die K-Grüppler damals jahrzehntelang fanatisch nacheiferten, ohne ganz auf Götter zu verzichten. Einer ihrer Halbgötter war besagter Mao Tse Tung, dessen reale Geschichte bis heute hierzulande nicht erzählbar ist. Der Völkermörder Mao Tse Tung ist im Prinzip immer noch tabu, auch in dem immer noch so getan wird, dass Mao für die Revolte und den Marsch der 68er durch die Institutionen und jetzt für die Ideologisierung von oben nie eine entscheidende Rolle gespielt hätte.

Die zweite Realität der K-Grüppler war die, dass sie sich in der menschenverachtenden Technik der Selbstkritisierung und allen kommunistischen Kampftechniken verbaler und notfalls auch physischer Art von morgens bis abends beschäftigten. Auch sexuell relevante Verbote und Gebote waren in den K-Gruppen nichts Unbekanntes. Vermittels Psycho-Terror wurden die eigentlich als Freunde betrachteten K-Grüppler innerhalb der sektenartigen Strukturen fertig gemacht. Das war Dauerbeschäftigung der K-Gruppen, mit der sich die Sieger dieses Geschehens stählten und sich damit auf den gesellschaftlichen Kampf vorbereiteten, also auf die Revolution. Ja, es gibt die absoluten Loser der K-Gruppenszene. Tragische Schicksale. Kretschmann war Siegertyp und es gab zahllose dieser Siegertypen, die es bezeichnenderweise nicht im naturwissenschaftlichen Bereich, aber in Kultur, Kunst, Medien und Politikbetrieb als gute Onkels und geläuterte Renegaten in der Gesellschaft später sehr weit gebracht haben und die naturgemäß synergetisch gemeinsam schaffen.

Joschka Fischer hat der Autorin in einem Interview, das sie vor langer Zeit mit ihm führte, nämlich 1998, stolz von seinen intimen Kenntnissen dieser K-Gruppen berichtet, er selber gehörte der Sponti-K-Gruppe "Revolutionärer Kampf" an, und erzählte damals, er könnte von weitem an Diktion, Körperhaltung und Auftreten erkennen, welcher K-Gruppe wer angehörte. Die erfolgreichen Kampfmaschinen, die aus den K-Gruppen hervorgingen, die sich besonders bei den Grünen wohlfühlten und wohlfühlen, haben sich allerdings längst den Schafspelz übergezogen und so kommt es, dass ein Kretschmann zum Leidwesen seines grünen Fußvolkes schon mal damit kokettiert, ein Merkelfan zu sein.

Die posttraumatischen Störungen eines Winfried K.

Heute ist der K-Gruppenmensch Kretschmann, an dem sich prototypisch vieles über die 68er im Allgemeinen ablesen lässt, ganz oben angekommen, und dies ganz ohne die früher propagierte und geübte Revolution. Und er ist nicht allein. "68" ist eine große Mitläufersekte gewesen und hat viele Post-68er-Nachläufergenerationen hervorgebracht. Trotzdem sind die eigenen "Träume" der damaligen Extremisten bis heute nicht wahr geworden. Denn das Land, das Volk, lebt noch gerade so, als sei nichts geschehen. Viele 68er-Mitläufer sind in den früheren Schoß der Gesellschaft, die sie früher bekämpft haben, zurück gekehrt. Immer noch sind Millionen von Menschen nicht "bekehrt". Immer noch ist der neue Mensch, den Mao Tse Tung einst ausrief, natürlich in der leicht modernisierten Form des Jahres 2014, nicht verwirklicht.

Es war eine schmerzhafte traumatisierende Erfahrung für fast alle "68er" und speziell für deren "Eliten", dass restlos alles, was sie sich als pop-und drogenkulturelle Weltverbesserer auf die Fahnen geschrieben hatten, undurchdachter Blödsinn war. Und dass sich fast alles, von der hemmungslosen Kinderladenerziehung bis hin zu sexuellen Missbrauchsexzessen, vom alternativen Landleben, Stichwort 'zurück zur Natur', vom Kollektivismus, der die Wirtschaft revolutionieren sollte, von Radikal-Feminismus, vom Enteignungswahn bis hin zu Revolution und Terror (durch ihre RAF-Lieblinge) als katastrophaler Irrweg heraus stellte.

Die Autorin ist im Jahr 1997 vom Bundestagspräsident Lammert mit den Gedanken zitiert worden, dass die Welt heute ohne den Einfluss der 68er um Klassen besser dastünde. Auch Lammert selber schien den Gedanken ganz unerhört zu finden. Schließlich ist inzwischen allen Menschen in der Republik eingebläut worden, dass die 68er uns alle befreit und die Gesellschaft demokratisiert hätten.

Zurück zu den K-Grüpplern. Es ist weltfremd, davon auszugehen, dass es auch nur einen unter ihnen gibt, der nicht schwer traumatisiert aus dieser Phase seiner Vergangenheit raus gekommen ist. Allein die Tatsache, dass so viele dem Völkermörder Mao Tse Tung und vielen anderen Massenmördern hinterher gelaufen sind und dass sie im Westen alles zerstören wollten, was den Westen ausmacht, nagt an den Seelen dieser Menschen, die längst "rechts" im Wohlstand leben und alle Vorzüge des Rechtsstaates und der Gesellschaft in vollen Zügen genießen.

Die 68er-Luxusgeneration, bestens alimentiert, läuft mit den gütig besserwisserisch herunter gezogenen Mundwinkeln herum, genießt und kritisiert, was sie nur kann und hat ihre Traumata durch die Machtübernahme im Staat, also durch ihren Erfolg, sozialisiert und damit scheinbar überwunden. Posttraumatische Störungen werden jedoch schnell sichtbar, wenn sich äußere Gelegenheiten ergeben, dass doch noch irgendwelche Ideale aus dem Konglomerat der damaligen Vorstellungswelt gerettet oder durchgesetzt werden können. Und hier kommt der rot-grüne Bildungsplan in Baden-Württemberg ins Spiel.

Der multistrategische Ansatz der 68er

Der Bildungsplan 2015 ist so ein Machwerk, wo K-Gruppen-Opas Augen nochmal träumen. Frei nach dem Motto: "Dass ich das noch erleben durfte". Man sollte, was die Bildungspolitik anbelangt, den multistrategischen Ansatz der 68er nicht außer Acht lassen. Erste Bürgerpflicht war Revolution a la Marx, also Enteignung von Produktionsmitteln, Grund und Boden und Kapital durch Revolution. Zweite Bürgerpflicht war der lange Marsch durch die Institutionen bis zur Machtübernahme aller bzw. vieler strategisch wichtiger Positionen. Die dritte Bürgerpflicht ist es, einmal oben angekommen, die Segnungen des neuen Menschen nunmehr von oben nach unten zu administrieren und nachhaltig zu machen. Klar, die 68er als Generation wachsen allmählich aus der Gesellschaft heraus. Konkret sind viele sogenannte 68er-Lehrer inzwischen in Pension gegangen. Es müssen also Bildungspläne, Gesetze, Regelwerke her, die ihr Werk, ihre Ideologie erhalten und nachhaltig zementieren.

Eine der vielen Nebenschienen war von Anbeginn die Unterwanderung, die Zersetzung und Übernahme des Bildungswesens durch 68er, die über Lehrermacht den neuen Menschen in der nächsten Generation generieren wollten. Kein Wunder, dass die Lehrergewerkschaft GEW notorisch, sagen wir mal, linksradikal zersetzt war, und nicht wenige DKP-Mitglieder, Ex-K-Grüppler und Hardcore-68er dort seit vierzig Jahren ihr Unwesen getrieben haben und teilweise noch treiben. Diese erfolgreiche Übernahme der Hoheit in den sogenannten geisteswissenschaftlichen Fächern, der Bildungspolitik, der Lehrerbildung in Schule und Universität, ist seit vierzig Jahren das Werk der großen Masse der 68er-Marschierer durch die Institutionen.

Doch jetzt soll die neo-maoistische Bildungspolitik in Beton gegossen werden und das nicht etwa durch einen demokratischen Prozess oder Aufklärung aller, die die Zukunft der heute ausgebildeten Menschen etwas angeht. Nicht basisdemokratisch, sachorientiert und in freier Rede, sondern durch klammheimliche interne Bildungsverordnungen, wie sie der Bildungsplan 2015 in Baden-Württemberg darstellt. Die 68er-Denke wird zur Staatsideologie erhoben, und dies als reine neue "Wissenschaft". Die historischen Wurzeln werden gekappt, es ist nicht mehr die Rede von 68ern oder gar von Mao Tse Tung, sondern es gibt die richtige, allein menschliche und allein seligmachende Lehre, die von oben verordnet wird. Und den Kindern wird Alternativlosigkeit vorgegaukelt. Alles andere wäre reaktionär, faschistisch, rassistisch, homophob, fundamentalistisch, religiös usw.

Man könnte natürlich fragen: Warum also nicht die eine richtige Lehre lehren, wenn es nur die eine richtige Lehre gäbe, die gefunden zu haben der Bildungsplan jetzt vorgibt?

Kretschmann soll die Kinder in Ruhe lassen

Durch die oben erwähnte Petition des Lehrers Gabriel Stängel hat sich die öffentliche Diskussion auf den Teilaspekt der Genderdiktatur reduziert und darauf, dass der Initiator der Petition irgendwie christlich motiviert handelte.

Die Religionophobie der 68er, die speziell das Christentum und die Kirchen damals attackierten, andere Religionen gab es zu der damaligen Zeit nicht in nennenswertem Maß in der Republik, schlägt in Kretschmanns Spruch von der religiösen Imprägnierung voll durch, aber natürlich würde Kretschmann das Beschneidungsrecht der Eltern bezüglich männlicher Babys oder Kinder aus religiösen Gründen oder das Fernhalten von muslimischen Mädchen vom Schwimmunterricht, wozu sich das Bundesverwaltungsgericht wenig befriedigend geäußert hat, niemals unter dem Begriff "religiös imprägniert" subsumieren. Jemanden, der das täte, würde er im Gegenteil als sonst-was-phob oder reaktionär oder als rechtsrandständig gegeißelt werden.

Es schimmert eben überall und immer wieder diese alte, ins Gehirn eingebrannte Sucht oder Sehnsucht nach der Zerstörung alles dessen, was den Westen ausgemacht hat und ausmacht, durch. Und der Hass auf alle Menschen, die trotz aller Bemühungen vom 68er-Virus bis heute unberührt geblieben sind. Kretschmanns Satz zu seinem Bildungsplan, "Das heißt, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie nun einmal sind in ihrer Veranlagung. Fertig. Aus. Amen." ist entlarvend.

Denn gerade die heterosexuellen Menschen greift der Bildungsplan an und Kretschmann sanktioniert dies. 95 Prozent der Kinder und Jugendlichen lässt Kretschmann gerade nicht in Ruhe. 95 Prozent der Kinder akzeptiert er nicht als Menschen "wie sie nun mal sind in ihrer Veranlagung". Denn die Kretschmänner stellen im Prinzip alle Menschen unter den Generalverdacht, dass sie Schwule, Lesben, Transsexuelle, Transgenderisten, Intersexuelle usw. diskriminierten und durch hoheitliche Bildungseingriffe schon im Kindesalter erzogen, besser zurecht getrimmt werden müssten.

Über die Selbstverständlichkeit, dass Menschen ihre sexuelle Neigung ausleben, muss tatsächlich nicht mehr geredet werden. Jedenfalls bedarf es keines hoheitlichen Eingriffs in kindliche Seelen und kindliche Sexualität, um sie zur Selbstfindung zu zwingen, ob sie wirklich zur "Stereotype" der Heterosexualität passten oder nicht. Die Verunsicherung der heterosexuellen Kinder, die der Bildungsplan gezielt in Angriff nimmt, ist skandalös und schlägt der Menschenwürde, auf die Kretschmann sich auch noch beruft, diametral ins Gesicht. Die Pubertät ist nicht der einfachste Lebensabschnitt eines Menschen, in dem es auch um die Autonomisierung des Menschen und seiner Sexualität geht. Ein Staat, der sich anmaßt in diese Entwicklung, die jeder Mensch auch ein Stück weit alleine erleben muss und kann, mit ideologischen Übergriffen hinein zu fummeln, ist ein wahrhaft perverser Staat. Die Kretschmänner sollen die Kinder in Ruhe lassen. Das ist eine mehr als legitime Forderung.

Und wie sieht der Unterricht aus?

"Toleranz" ist zum politischen Kampfbegriff und zum Einfallstor von Ideologien geworden. Bundeswehrsoldaten dagegen darf man weiter nach Belieben diskriminieren.
von Ferdinand Knauß

Obwohl die Diskussion um den Genderteil des Bildungsplans jetzt hohe Wellen geschlagen hat, sind die Verfechter des Bildungsplans in punkto Gender nicht über das hinaus gekommen, was im Bildungsplan selber drin steht. Stereotyp wird gesagt, dass Schwulsein, Lesbischsein usw. legitime und gleichschützenswerte Lebensformen seien. Das ist es ja auch schon. Über diesen Satz geht es substanziell nicht hinaus. Der Schulunterricht, der umfangreich und über Jahre durchgegendert werden soll, hat keinen Inhalt, weil mit der Feststellung, dass beispielsweise Schwulsein in jeder Hinsicht ok sei, die Sache erledigt ist.

Aber tatsächlich geht es den Bildungsplanern eben gar nicht um das diskriminierungsfreie, perfekt akzeptierte und integrierte Leben der nicht-heterosexuellen Menschen in der überwiegend heterosexuellen Gesellschaft, sondern sie wollen hinein schlüpfen ins Schlüpfrige. Sie wollen, dass ein heterosexueller Junge beispielsweise Schwulsein zwecks Beglückung seiner eigenen Seele und der Gesellschaftsseele rollenspielartig durchlebt. So wie der schlüpfrige Sexualunterricht in Grundschulen in Berlin und andernorts, wo Sexualität in allen Spielformen in Rollenspielen gespielt, vorgestellt und dargestellt werden soll. Wenn das die Vorstellung von "in Ruhe lassen" der Menschen und der Kinder ist, dann darf an der Verständigkeit dieser Leute gezweifelt werden.

Die Kinder der 68er wollten bekanntlich nicht dazu gezwungen und genötigt werden, den Beischlaf ihrer Eltern, anderer Genossen oder Kommunemitglieder ansehen zu müssen. Und genauso müssen die heutigen Kinder ein Recht darauf haben, vor der Sexualität des Lehrers oder des Mitschülers in Ruhe gelassen zu werden. Warum verschließen die Menschen meistens die Türen, wenn sie Sex machen? Weil es eben um den Intimbereich geht.

Am sexuellen Wesen des 68ers soll die Welt genesen?

Man muss kein muslimischer, christlicher, jüdischer oder sonstiger "Fundamentalist" sein, um zu erkennen, dass das Grundgesetz die Intimsphäre des Kindes in besonderer Weise vor hoheitlichen, zum Anschein edel verpackten Eingriffen schützt. Natürlich wussten die Vertreter der sexuellen Revolution, also die 68er-Männer von damals, wie easy es funktioniert, andere Menschen mit dem Thema Sex und angeblicher sexueller Freiheit zu verunsichern. Sexualität ist nun mal der verletzlichste Bereich eines Menschen und speziell des Kindes. Wer in einer Gesellschaft die sexuelle Hoheit hat, hat auch die gesellschaftliche oder staatliche Hoheit. Dieser Satz ist kaum übertrieben.

Die Grünen haben mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern ideologisch vorgelegt. Und Kretschmann will angeblich Aufklärung leisten. Stattdessen produziert dieser Bock, den man zum Gärtner gemacht hat, den hoheitlichen Missbrauch von Kindern in neuem Gewande in Gestalt seiner Bildungsreform.

Es ist wirklich misslich. Die kleinen Länder wie Finnland schneiden bei Pisa-Studien gut ab und in Deutschland, wo wir die Bildungshoheit kleiner Länder haben, murkst die Kultusministerkonferenz den Bildungseinheitsstaat herbei. Aus den dynamisierten Dauerreformen dieser Konferenz, die voll in der beschriebenen Tradition der unterwanderten Bildungspolitik steht, egal, ob ein Minister CDU, CSU, grün, rot oder sonst was ist, ist jetzt letzten Endes exemplarisch der baden-württembergische Bildungsplan hervorgegangen. Dieser Plan soll jetzt noch um die anderen Merkmale, die das Antidiskriminierungsgesetz kennt, erweitert werden. Es fehlen also noch die Berücksichtigung der Behinderten (Stichwort Inklusion), der Frauen, der Migranten, der Religionen usw.

Ganz klar: Die Bildungsplaner der beschriebenen Couleur müssen in die Schranken des Grundgesetzes verwiesen werden und ihre wahren Motive und ihre wirklichen Absichten, die entlang ihrer Ideologien über das geschriebene Werk hinaus gehen, gehören von einer freien Presse dekuvriert. Das alt bekannte Problem ist, dass Ideologen von ihrer Sache ehrlichen Herzens überzeugt sind und damit argumentationsresistent bleiben. Der Staat, ausgerechnet der Staat, den die Kretschmänner früher bis aufs Messer bekämpften, soll Orientierungshilfe bieten, also in konkreto sexuelle Orientierung vorgeben. Heute Merkel und Gabriel und morgen vielleicht Gregor Gysi und Volker Beck sollen Kindern und jungen Menschen sexuelle Orientierung geben? Geht's noch?

Anzumerken bleibt: Es gibt Regionen, Religionen, Kulturen, die vom deutschen Genderismus nicht erreichbar sind. Und ebenso wenig sind die Menschen erreichbar, die von dort hierher zuwandern und die gemeinsam mit den hier lebenden Migranten in kürzester Zeit die Mehrheit stellen werden, mindestens in den Schulen. Auf wen also haben sich die Kretschmänner eigentlich eingeschossen?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%