Zuerst mal muss man den Bilderbergern Respekt zollen. Eine Sache mehr als ein halbes Jahrhundert zu tun, ohne dass die Öffentlichkeit versteht, um was es sich genau handelt – das hat nicht mal Edmund Stoiber hinbekommen, der EU-Beauftragte für den Bürokratieabbau.
Doch auch den Bilderbergern fällt die Geheimhaltung immer schwerer. Erstmals ist in diesem Jahr ihr Treffpunkt schon vorher publik geworden. Und so sind die 130 Teilnehmer von hohen Zäunen und Hundertschaften der Polizei umgeben, wenn sie ab Donnerstag im Taschenbergpalais gleich gegenüber der Semperoper über die drängenden Themen der Weltpolitik sprechen. Was sie da genau sagen oder vereinbaren, das zumindest bleibt ihre Sache, vorerst.
Und so bleiben auch die Mythen, die sich um die Bilderberger ranken, vorerst erhalten. Seit dem Beginn des kalten Krieges existiert die informelle Gruppe, die sich erstmals im auf Einladung des niederländischen Königs im Strandhotel Bilderberg an der Nordsee traf und daher ihren Namen hat.
Sieben Fakten zur Bilderberg-Konferenz
Kritiker wittern einen Geheimbund und fordern mehr Transparenz. Was steckt hinter den sogenannten Bilderberg-Konferenzen? Sieben Antworten. (Quelle: dpa)
Einflussreiche Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medienwelt treffen sich einmal jährlich drei Tage lang zu geheimen Beratungen hinter verschlossenen Türen. Die Öffentlichkeit bleibt außen vor.
Die Konferenzen sollen die transatlantischen Beziehungen stärken. Zwei Drittel der 120 bis 150 Teilnehmer kommen aus Europa, der Rest aus Nordamerika.
Es gibt keine Beschlüsse oder Resolutionen, keine detaillierte Tagesordnung. Verschwiegenheit soll den freien Meinungsaustausch ermöglichen.
Die erste Bilderberg-Konferenz fand 1954 im gleichnamigen Hotel in Oosterbeek bei Arnheim in den Niederlanden statt. Seitdem treffen sich die Teilnehmer an unterschiedlichen Orten.
Nach Angaben der Veranstalter stehen Themen wie internationale Sicherheit, Arbeitsmarktpolitik, Finanz- und Handelsfragen oder der Umweltschutz im Fokus der Diskussion.
Im vorigen Jahr trafen Experten und Entscheider aus 22 Ländern im österreichischen Telfs zusammen. Zu den Gästen gehörten der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Einladungen haben in diesem Jahr unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Mitglieder des Bundeskabinetts erhalten – mit von der Leyen, Wolfgang Schäuble (CDU) und Thomas de Maizière (CDU) sind drei Bundesminister dabei.
Wirtschaftsbosse, Politiker, prominente Medienlenker und Wissenschaftler treffen dort zusammen, so viel ist seit jeher bekannt. Alles Weitere ist unklar. Und genau aus dieser Unklarheit saugen die Vermutungen über das Treiben der Bilderberger ihre Kraft. Die weitestgehenden Spekulationen sehen in den Treffen eine Art Koalitionsgipfel der Weltregierung. Die harmlosesten eine ehrenwerte Plauderrunde.
"Beschlossen wird bei den Bilderbergern nichts"
Christoph Bertram plädiert eindeutig für letztere Variante: „Beschlossen wird bei den Bilderbergern gar nichts, wer das meint, muss wirklich ein naives Verständnis von Politik haben.“ Bertram, Journalist und politischer Berater, sollte es eigentlich wissen. Von 1980 bis 1998 war er bei den Treffen dabei, als Mitglied der Steuerungsgruppe hat er mehrere Bilderberger-Treffen mit organisiert. Aus seiner Sicht sind die Treffen ein einzigartiges Forum, von dessen Existenz letztlich alle profitieren.
Die Gegner des Treffens, die sich in Dresden zu hunderten versammeln werden, sehen genau darin die Gefahr. Wenn sich die Entscheidungsträger der großen Wirtschaftsmächte im Verborgenen treffen, dann können sie dort eine Agenda der Weltpolitik abstimmen, ohne irgendeine Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.
So gehen manche Anhänger dieser Verschwörungstheorie davon aus, dass Helmut Kohl auf der Bilderberger-Tagung 1988 einem zweifelhaften Deal zugestimmt habe: Du bekommt die Wiedervereinigung, musst dafür aber die D-Mark opfern. Nun ja, als die Menschen 1989 in Leipzig auf die Straße gingen, da wirkten sie nicht besonders ferngesteuert.
Ein Weltwirtschaftsforum in abgespeckter Form
Auch die wenigen Fakten, die über die Bilderberger nach außen dringen, sprechen eher dagegen, dass von diesem Treffen ein echter Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte ausgeht. Das liegt vor allem an den Teilnehmern, die allesamt aus den Ländern der transatlantischen Achse kommen. Unter den 130 Vertretern, die dieses Jahr in Dresden zusammen kommen, sind 31 Vertreter der amerikanischen Politik und Wirtschaft, 15 aus Deutschland, 11 aus Großbritannien, acht aus Frankreich und sieben aus den Niederlanden. Die anderen Teilnehmer stammen aus den anderen klassischen Nato-Ländern. Osteuropäer, Südamerikaner oder Asiaten sucht man vergeblich. Sollten die Bilderberger also tatsächlich versuchen, eine Weltregierung zu formieren, sie kämen nicht besonders weit.
Schaut man sich die Teilnehmerliste genauer an, liest sie sich wie ein Weltwirtschaftsforum in abgespeckter Form. Aus Deutschland sind Vertreter der großen Medienhäuser dabei (Julia Jäkel, Mathias Döpfner), Chefs großer Konzerne (Timotheus Höttges, Joe Kaeser, Carsten Kengeter), CDU-Minister (Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen) und Wissenschaftler (Hans-Werner Sinn, Beatrice Weder di Mauro). Auch die Themen der Dresdner Runde lesen sich ähnlich vage, wie man es aus Davos gewohnt ist, eines lautet „Präkariat und Mittelschicht“, ein anderes einfach „China“.
Diskussionen mit klarem Prozedere
Das Prozedere während der Konferenz ist dann ziemlich strikt geregelt, schildert der ehemalige Teilnehmer Bertram: „Zu jedem Themen wird ein Referent bestimmt, es folgen zwei Co-Referate und eine Diskussion.“ Die Teilnehmer sitzen dabei alphabetisch sortiert und bleiben die gesamte Konferenz über im Plenum versammelt. Man verpflichtet sich zwar auf Vertraulichkeit, Aufzeichnungen aus den Runden aber sind durchaus erlaubt. „Das ist ein intellektuelles Festessen“, erinnert sich Bertram.
Auch die Finanzierung der Treffen ist, anders als von den Verschwörungstheoretikern behauptet, klar geregelt. Alle Kosten tragen die Mitglieder des Steuerungsgremiums, in deren Land die Veranstaltung stattfindet. Aus Deutschland gehören dem Gremium derzeit Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, und Airbus-Chef Thomas Enders an. Kein Zufall also, dass die Zimmer im Taschenbergpalais vor Bekanntwerden des Treffens auf die „Airbus Group“ reserviert waren.
Nimmt man all diese Erkenntnisse zusammen, bleibt vom Bilderberger-Mythos vor allem das: ein schöner Mythos. Für die Runde selbst aber werden die Gerüchte trotzdem immer mehr zur Belastung, glaub Ex-Organisator Bertram: „Früher war es viel leichter, hochrangige Politiker für das Treffen zu gewinnen“, sagt er. „Heute haben die meisten zu viel Sorge, dadurch in ein schlechtes Licht gerückt zu werden.“
So haben in diesem Jahr alle geladenen SPD-Minister ihre Teilnahme abgesagt. Bertram hofft deshalb, dass sich mit der wachsenden Transparenz die Gerüchte langsam vertreiben lassen. „Angesichts der Notwendigkeit, die atlantische Verbundenheit zu bewahren, wäre es ein großer Verlust, wenn dieses vertrauliche Gesprächsforum verschwände." Obwohl an der Weltregierung nichts dran ist: Man fühlt sich halt doch geehrt, wenn man in einem solchen Kreis verortet wird.