Bildungspolitik Den Deutschen Schulpreis kann man getrost vergessen

Die Kanzlerin ehrt eine Berufsschule. Zufall? Zumindest passt die Jury-Entscheidung zu der neu erwachten Liebe zu der lange vernachlässigten Schulform.

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Elisabeth-Selbert-Schule Quelle: dpa

Glaubt man den Überschriften, steht fest, welche die beste Schule Deutschlands im Jahr 2017 ist. Nämlich die Elisabeth-Selbert-Schule im niedersächsischen Hameln. Der Schulleitung und den Schülern sei die Freude über den Preis und der Händedruck der Bundeskanzlerin gegönnt. Dennoch muss man sie enttäuschen: Die ausgezeichnete Schule ist mit einiger Sicherheit nicht die beste Deutschlands. Eigentlich geht es, so muss man vermuten, bei diesem Preis ohnehin nicht darum, nach objektiven Kriterien einen Sieger zu finden.

Zunächst: Die Sieger werden nicht aus der Gesamtheit der Schulen in Deutschland ausgewählt, sondern nur aus solchen, die sich bewarben. Das waren in diesem Jahr ganze 80 Schulen – von rund 40 000 in Deutschland. Also etwa 0,2 Prozent von allen. In den letzten Jahren hat die Bewerberzahl stark abgenommen. 2013 waren es noch 114, im ersten Jahr des Schulpreises 2006 hatten sich 481 Schulen beworben.

Die interessanteste Nachricht ist die Schulform der diesjährigen Siegerin: Es ist eine Berufsschule. In den vergangenen Jahren wurden überproportional Gesamtschulen (drei Sieger) gekürt. Und nun zum ersten Mal eine Berufsschule. Das mag Zufall sein. Es könnte aber auch einen Verdacht nähren: Dass nämlich der mit privaten Mitteln, aber mehr oder weniger implizit staatlicher Unterstützung (die Kanzlerin vergibt den Preis, der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz sitzt in der Jury, zu den Stiftern gehört die ARD) gestiftete Preis eine kaum verhohlene PR-Veranstaltung ist, die der Propagierung der gerade aktuellen schulpolitischen Ziele dient.

von Marc Etzold, Konrad Fischer, Lin Freitag

Die Steigerung der Abiturientenzahlen zum Zwecke der Massenakademisierung hatte in den letzten Jahren absoluten Vorrang. Gemeinschafts- und Gesamtschulen erschienen als bildungspolitischer Heilsweg. War es reiner Zufall, dass seit 2006 nur ein Gymnasium aber drei Gesamt- und eine Gemeinschaftsschulen den Preis gewannen?

Nun hat die Bundesregierung – und nicht nur die – seit kurzem ihre Liebe zu den Berufsschulen wieder entdeckt. Lange Jahre wurde diese auf allen politischen Ebenen finanziell und vor allem die öffentliche Aufmerksamkeit betreffend extrem kurz gehalten. Allmählich scheint sich da eine Wende anzudeuten. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka widmete zum Beispiel ihre Frühjahrsreise der Beruflichen Bildung. Bei Bildungspolitikern und –experten mag die späte Erkenntnis reifen, dass die Berufliche Bildung eine entscheidende Stütze der deutschen Wirtschaft ist, die man nicht dem Akademisierungswahn opfern darf. Bei der diesjährigen Entscheidungsfindung der Jury könnte das in manchem Hinterkopf eine Rolle gespielt haben.

Die Einsicht selbst ist zu begrüßen und auf entsprechende politische Taten ist zu hoffen. Dieser Preis jedoch ist die Spesen der Jury-Mitglieder und die Arbeitszeit der Bundeskanzlerin nicht wert.   

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