Bildungspolitik Deutsche Hochschulen hinken hinterher

Die Wirtschaft mahnt die Hochschulen bei der Digitalisierung und der Ausbildung von Mint-Akademikern zu mehr Tempo. Die Hochschulen sollten sich nicht grämen, sondern die Wirtschaft als Verbündeten nutzen. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wissenschaft und Wirtschaft müssen sich zusammentun, um mehr Geld für die unterfinanzierten Hochschulen und Universitäten zu bekommen. Quelle: dpa

Berlin Die deutschen Hochschulen hinken hinterher: Bei der Ausbildung von MINT-Akademikern allgemein, ganz besonders aber bei der Bereitstellung von IT-Experten. Bei der Förderung von Frauen und beim Praxisbezug des Studiums hapert es auch gewaltig. Sie ist nicht schön, die Bilanz, die der Stifterverband und McKinsey da zusammen getragen haben. Alarmierend ist vor allem eine Zahl: Weil viel zu wenig Schulabgänger in die Informatik drängen, fehlen Deutschland 95.000 Datenspezialisten. Und die Frauen trauen sich – anders als in anderen Industrieländern – noch immer nicht recht an die MINT-Fächer heran.

In die gleiche Wunde hat soeben das Institut der deutschen Wirtschaft den Finger gelegt: Der Mangel an MINT-Spezialisten – vom Elektriker bis zum Ingenieur – ist im Herbst 2017 auf ein Allzeithoch von 290.000 Fachkräften gestiegen.

Das Signal ist so klar wie alarmierend: So wie die Universitäten und Hochschulen heute dastehen, kann Deutschland die Herausforderungen des Wettbewerbs, vor allem die flächendeckende Digitalisierung, nicht erfolgreich bestehen.

Deshalb ist es erfreulich, dass sich jemand – jenseits der sich selbst lobenden und in Legislaturen denkenden Politik und der Wissenschaftscommunity – selbst die Mühe macht, die Performance unserer Hochschulen akribisch zu verfolgen. Es ist nicht nur das gute Recht, sondern die vornehme Pflicht der Wirtschaft – die den Stifterverband trägt – konstruktiv daran mitzuarbeiten, unsere Hochschulen so fit zu machen, dass sie nicht nur genügend Studenten bis zu einem Abschluss bringen, sondern auch die Qualität der Lehre kräftig steigern. Denn hier gibt es noch wesentlich mehr zu tun als in der Forschung. Besonders alarmierend ist der Befund, dass die Studenten mangelnde Praxisorientierung beklagen. Gerade weil heute jeder Zweite studiert und so ein immer geringer Anteil in der Wissenschaft bleibt, muss die Verzahnung mit der Praxis erste Hochschulpflicht werden – selbstverständlich bei Wahrung der Unabhängigkeit von den Unternehmen.

Die Hochschulen und vor allem ihre Rektoren sollten sich nicht grämen angesichts der unverblümten Kritik aus dem Lager der Wirtschaft. Sie haben enorme Herausforderungen gestemmt in den letzten Jahren – allein schon durch den Bologna-Prozess. Doch auch hier ist das Bessere der Feind des Guten. Wenn die Rektoren klug sind, nutzen sie die konstruktive Kritik der Wirtschaft. Gemeinsam können Wissenschaft und Wirtschaft auch weit mehr Druck auf die Politik ausüben, deutlich mehr Geld für unsere – im Vergleich zu den diversen anderen Nationen – unterfinanzierten Hochschulen bereit zu stellen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%