Bildungspolitik Fachhochschulen fordern Reform

Weniger Fördergelder, kein Promotionsrecht: Fachhochschulen fühlen sich gegenüber Universitäten systematisch benachteiligt. Die „Hochschulallianz für den Mittelstand“ dringt auf Änderungen. Ein Gastbeitrag.

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Fachhochschulen haben kein Promotionsrecht. Quelle: dpa

Berlin Noch immer ist es so, dass die Universitäten ihren akademischen Nachwuchs selbst ausbilden dürfen, die Fachhochschulen hingegen nicht. Sie müssen stattdessen hoffen, dass die Universitäten das für sie erledigen. Doch nur selten klappt das. Im Regelfall bilden die Universitäten den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs aus – den aber in verschwenderischer Fülle.

Heute warten 166.000 Wissenschaftler im akademischen Mittelbau der Universitäten meist vergebens darauf, eine von nur insgesamt 24.000 Universitätsprofessuren zu ergattern, während bei der Besetzung der 19.000 Fachhochschulprofessuren immer häufiger ein qualvoller Bewerbermangel herrscht.

Warum dieser Mangel? Erstens, weil es sich um Wissenschaftsfelder handelt, die von den Universitäten nicht besetzt werden und für die es folglich schlicht keinen promovierten Nachwuchs gibt. Zweitens, weil man mit einem W2-Gehalt nur mit viel Glück interessante Ingenieure und Wissenschaftler aus der Industrie abwerben kann und drittens, weil in Ermangelung eines vorab bekannten, also planbaren Karriereweges sich eigentlich auch niemand auf eine Fachhochschulprofessur vorbereiten kann.

Und deshalb brauchen Fachhochschulen das Promotionsrecht. Weil sie nämlich endlich die volle und ungeteilte Verantwortung für die Ausbildung des eigenen akademischen Nachwuchses übernehmen müssen. Zwei verschiedene Hochschultypen und nur einer darf/soll den Nachwuchs für beide ausbilden – das kann auf Dauer einfach nicht funktionieren!
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, spricht sich dennoch vehement gegen ein Promotionsrecht für Fachhochschulen aus. Das wäre sonst „das Ende des Systems“, weil es dann auch das Promotionsrecht für große Forschungseinrichtungen geben müsse, so Frau Wanka kürzlich in einem Interview mit dem Handelsblatt. Warum aber sollte dieser Automatismus eigentlich greifen? Die großen Forschungseinrichtungen sind nun einmal keine Hochschulen und haben keine eigenen Studierenden und Masterabsolventen. Ihnen kann sehr wohl zugemutet werden, mit den Universitäten kooperativ zu promovieren, die daran auch nachgewiesenermaßen ein gesteigertes Interesse haben, während sie kein echtes, also wirklich eigenes Interesse an kooperativen Promotionsprogrammen mit Fachhochschulen haben.


Der Mittelstand braucht schlagkräftige Hochschulen

Auch mit Blick auf die staatliche Forschungsförderung in Deutschland ist die systematische Benachteiligung der Fachhochschulen schlicht nicht mehr akzeptabel. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bekam im Jahr 2014 Steuergelder in Höhe von 2,85 Milliarden Euro – Gelder, die fast ausschließlich für die Förderung der Grundlagenwissenschaften vorgesehen sind und damit erfolgreich an der angewandten Fachhochschulforschung vorbeigeschleust werden. Demgegenüber bekommen die Fachhochschulen jährlich etwa 60 Millionen Euro an Forschungsförderung von Bund und Ländern.

Das sind nur eben zwei Prozent der DFG-Mittel, eine absurd ungerechte Verteilung. Diese DFG-Mittel machen übrigens den großen Unterschied im Drittmittelvergleich zwischen Fachhochschule und Universität aus: Inkludiert man die DFG-Mittel, so wirbt ein Universitätsprofessor jährlich etwa 250.000 Euro, ein Fachhochschulprofessur hingegen nur 30.000 Euro an Drittmittel ein. Ganz anders sieht es aus, wenn man nur auf die von privater Hand eingeworbenen Drittmittel blickt. Dem Hochschulbarometer 2013 vom Stifterverband entnimmt man, dass hier die Technischen Universitäten mit 1688 Euro pro Studierendem am erfolgreichsten sind, die übrigen Universitäten und die Fachhochschulen aber mit 760 Euro und 540 Euro pro Studierendem fast gleichauf liegen.

Der Vergleich zeigt es: Fachhochschulforschung wird zwar nicht von der öffentlichen, wohl aber von der privaten Hand wahrgenommen und gefördert. Längst haben die Unternehmen „ihre Hochschulen vor Ort“ für sich entdeckt und tragen das ihre zum Funktionieren eines regionalen Innovationsnetzwerk bei.

Fazit: Fachhochschulen sind trotz ihres inhaltlich überholten Namens vor allem eines: „Hochschulen“. Sie machen mithin eine Lehre, die durch die aktive Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs und durch eigenständige Forschung angereichert wird. Das ist das Wesen jedweder Hochschullehre. Eine eigenständige Forschung wiederum braucht eine angemessene Forschungsausstattung, aber vor allem eines: eigene Doktoranden. Für die Aufgaben der Zukunft braucht Deutschland und der regional orientierte Mittelstand schlagkräftige Hochschulen für angewandte Wissenschaften, also Hochschulen mit Promotionsrecht, die ihren eigenen Weg gehen und sich um ihren Nachwuchs selber kümmern dürfen.


Prof. Dr. Hans-Hennig von Grünberg ist Präsident der Hochschule Niederrhein und Vorstandsvorsitzender der „Hochschulallianz für den Mittelstand“. Der Organisation gehören neun Hochschulen an; sie sieht sich als Netzwerk zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

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