Bilfinger Berger Chef Roland Koch auf Politik-Entzug

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Start bei der zweitgrößten Baufirma

Roland Koch während einer Pressekonferenz Quelle: dpa

Vor ihm liegt der neue Job: Am 1. Juli wird er Chef von Bilfinger Berger, 58000 Mitarbeiter weltweit, zehn Milliarden Euro Umsatz und wie der neue Chef von nicht ganz einwandfreiem Ruf. Am U-Bahn-Bau in Köln, der zum Einsturz des Stadtarchivs führte, war Bilfinger Berger beteiligt, in Nigeria gab es Korruptionsgeschichten.

Kann er das? Zum ersten Mal seit Jahren steht für ihn diese Frage wieder im Raum. Kochs größte Leistung auf dem Bausektor ist bis dato das Mauern eines neuen Briefkastens. Den brachte er in den achtziger Jahren eigenhändig an seinem Haus an, weil der vorhandene Schlitz zu dünn war für die Akten, die Koch rund um die Uhr anliefern ließ. Nun wird er sich wieder durch Papier fressen. Als Ministerpräsident ließ er sich lieber Schriftstücke als Vermerke bringen, Fakten also statt Meinungen.

Überraschendes Geständnis

Immer wieder betont er, dass er nicht geflüchtet sei. Er mache jetzt das, was er vorher gemacht habe, nur mit anderen Mitteln. In seinem Beharren darauf, sich nie verändert zu haben, gleicht er Joschka Fischer, seinem einstigen Gegner und heimlichen Vorbild. Als sei Veränderung ein Scheitern.

Fast jeder Politiker startet als Idealist. Die wenigsten bleiben es. Was ist aus Roland Kochs Träumen geworden? Er sei, sagt Koch, nun mal "ein Mensch, der stärker in der Welt der Ziele als in der Welt der Träume lebt". Einer, der die Bilder von Träumen schlechter beschreiben könne als die Mechanik von Entwicklungen. Eine akkurate Selbstbeschreibung, man kennt das von ihm. Was überrascht, ist sein Eingeständnis, dass er das bedauerlich findet.

Was also waren und sind die Ziele? Sein Ziel sei es immer gewesen, dass es Menschen besser gehe. Roland Koch ein Weltverbesserer? "Wer in den politischen Beruf geht, ohne die Welt eine bessere machen zu wollen, der hat den Grundansatz nicht verstanden", sagt er.

Eine Gewöhnungssache

August 2011 . Raum Titania im Leipziger Hotel Westin, Vorbereitung auf die jährliche Pressereise von Bilfinger Berger. Um den ovalen Holztisch stehen cremefarbene Ledersessel, auf jedem Platz liegt eine blaue Schreibunterlage mit Block und Kuli. Roland Koch hat außerdem sein iPad 2 vor sich liegen, daneben ein Brillenputztuch, einen Kuli und Traubenzucker. Er trinkt Tee, wie immer, wenn es keine Cola gibt.

"Viele von Ihnen", sagt Koch, "haben den Vorteil, dass sie schon bei einer Bilfinger-Pressereise dabei waren – ich nicht." Sein Nachbar zur Linken trägt eine IWC-Uhr, sein Nachbar zur Rechten eine Rolex. Insignien der Macht, so wie der Anzugärmel, bei dem man wie zufällig den unteren Knopf offen lässt, um zu zeigen, dass es sich um einen Maßanzug handelt. Man sammelt in diesen Kreisen gern Uhren, Füller oder Autos, die Modelle heißen Hamptons, Marguerite Duras oder E-Type.

Roland Koch nimmt seine Uhr ab und legt sie vor sich auf den Tisch. Auch er sammelt Uhren, zu Hause füllen sie eine ganze Kiste. Manche haben Werbeaufdrucke. Uhren, die seiner heutigen ähneln, kennt man aus Werbeblättchen, sie heißen "Modell bicolor" und kosten keine hundert Euro. Natürlich trägt Koch auch seinen blauen Anzug. Gut möglich, dass es derselbe ist, mit dem er 1999 in den Wahlkampf gezogen ist. Seit einem Monat ist er nun also ein Boss der etwas anderen Art. Die Wirtschaft wird sich an Koch mindestens so sehr gewöhnen müssen, wie er sich an sie. In der Politik war Koch immer einer der wenigen Klartexter. Nun spricht er über "Personen, die die coverage verantworten", über returns per share, compliance, concessions und building services, er redet übers sich committen. Man braucht einen Übersetzer, um all das zu verstehen.

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