Die Ausstellung kann einem Angst machen: Ein Gewehr Wieger KmS 72, Kaliber 7,62 Millimeter, besser bekannt als „AK 47“. Eine Ceska VZ 58 Maschinenpistole aus der ehemaligen CSSR. Und schließlich eine Glock 17 Pistole. Jene Waffe, die der Amokläufer Ali David S. verwendet haben soll, der am vergangenen Freitag im und um das Münchener Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen und schließlich sich selbst erschoss.
Fünf Tage danach bestücken Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden eine Glasvitrine. Insgesamt acht Waffen-Modelle stellt die Bundesbehörde bei der Vorlage seines Bundeslagebilds Cybercrime 2015 aus. Sie stehen beispielhaft für einen beängstigenden Trend, den das BKA wie folgt beschreibt: „In Deutschland und Europa hat der illegale Umbau von im Ausland hergestellten so genannten Dekorations- und Salutwaffen zugenommen.“
Zahlen nennen die Ermittler nicht. Sie kennen offenbar keine. Zwar kümmern sich rund 140 BKA-Leute schwerpunktmäßig um organisierte Kriminalität im Internet. Doch wenn man Beamte nach konkreten Erkenntnissen zum Waffen-Markt im Darknet fragt, reagieren sie schmallippig. „Die Täter agieren im Verborgenen, deshalb gibt es so wenig Erkenntnisse“, sagt ein hochrangiger Kriminalist. Auf die Frage nach der Bedrohungslage für die Bevölkerung sagt er: „Von jeder Waffe geht eine Bedrohung aus. Der Münchener Amokläufer hatte 300 Patronen dabei. Das sind 300 potenzielle Opfer. Es ist aber nicht so, dass jeder zweite Bürger mit einer Waffe herumläuft.“
Alte Pistolen und Gewehre, die nicht mehr schießen, können in Deutschland wie in vielen anderen Mitgliedstaaten der EU erlaubnisfrei erworben werden. Doch Kriminelle mit entsprechenden Kenntnissen und Hilfsmitteln machen sie wieder scharf. Die so illegal reaktivierten Schusswaffen gelangen nach Erkenntnissen des BKA unter anderem über den Handel im so genannten Darknet ins kriminelle Milieu.
Als Darknet oder Dark Web gilt ein Teil des Internets, der vom normalen Nutzer abgeschirmt im Dunklen liegt. Zugang erhält nur, wer die richtige Software nutzt, um eines der Netzwerke unter der Oberfläche zu betreten. Die Anonymität nutzen politische Dissidenten in totalitären Regimen, um sicher und unerkannt zu kommunizieren oder Zensur zu umgehen. Doch daneben tummeln sich eben auch Kriminelle wie Drogendealer und Waffenhändler.
Noch spielen Waffen im Darknet eine Nebenrolle
Noch spielen die Waffen eine Nebenrolle. Ihr Angebot sei noch deutlich geringer als beispielsweise das an illegalen Betäubungsmitteln oder Falschgeld, stellt das BKA fest. Typisch für das Darknet sei auch eine relativ hohe Zahl an Betrügern.
Insgesamt ist im vergangenen Jahr ein registrierter Schaden von mehr als 40,5 Millionen Euro durch Computer- und Internetkriminalität entstanden. Mehr als 45.000 Fälle von Cybercrime seien 2015 in Deutschland gezählt worden, teilte das Bundeskriminalamt mit. Die Schadenssumme sei im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent gestiegen, der größte Teil entfalle auf Computerbetrug.
Gleichzeitig gebe es ein sehr großes Dunkelfeld, so dass die Zahlen nicht den tatsächlichen Schaden erfassten, hieß es. BKA-Chef Holger Münch erklärte, es sei wichtig, dass jede Straftat angezeigt werde, damit Cybercrime effektiv bekämpft werden könne. Eine Zunahme registrierte die Behörde bei der Organisierten Kriminalität im Netz: 2013 sei gegen sechs Gruppierungen ermittelt worden, 2015 gegen 22.
„Cyber-Crime ist nach wie vor ein wachsendes Phänomen – man könnte auch sagen, fast ein wachsendes Gewerbe, hier und da sogar eine wachsende Industrie“, warnte Münch. Die Aufklärungsquote liege zwar bei 32,8 Prozent und sei damit im vergangenen Jahr um 3,4 Prozentpunkte gestiegen. Münch wies allerdings darauf hin, dass viele Straftaten bereits im Versuchsstadium enden würden. Manche Delikte würden zudem gar nicht bemerkt, oder gar nicht zur Anzeige gebracht.
Die Vitrine beim BKA bietet dennoch einen erschreckenden Anblick. „Und die kann Dauerfeuer schießen?“, fragt eine Frau, die zur Pressekonferenz nach Wiesbaden gekommen ist, den BKA-Mann vor dem Glasschrank. Der BKA-Mann nickt. Die Frau schüttelt den Kopf.