Blick hinter die Zahlen #3 – Auswanderer Immer mehr Deutsche wandern aus

Geht es um Migration, dann ist meistens von Einwanderern nach Deutschland die Rede. Tatsächlich verlassen Jahr für Jahr aber auch weit über 100.000 Deutsche das Land. Wer sie sind und von wo sie auswandern. Der Blick hinter die Zahlen, mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes.

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Deutschland geht es so gut wie schon lange nicht mehr, zumindest, wenn man die gängigen Kennzahlen betrachtet. Nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, auch die Beschäftigung halten sich seit Jahren auf Rekordständen. Das Ifo-Beschäftigungsbarometer ist inmitten wachsender Rezessionsangst am Mittwoch erneut gestiegen.

Doch der guten Lage zum Trotz verlassen immer mehr Deutsche das Land, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Wer sind diese Auswanderer, wo kommen sie her, wo gehen sie hin?

Insgesamt verließen im Jahr 2015 annähernd 140.000 Deutsche das Land. Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 1991, als es nur knapp 85.000 waren. Am meisten deutsche Auswanderer gab es 2015 aus Bayern (knapp 31.000), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (25.000) und Baden-Württemberg (24.000).

2018 ergab sich sogar ein ähnliches Bild. Zwar sind die Zahlen wegen einer in der Zwischenzeit geänderten Methodik nicht eins zu eins vergleichbar (und deshalb hier nicht in der Grafik dargestellt), doch sie untermauern die Tendenz: Gut 260.000 Deutsche verließen 2018 das Land, darunter mit Abstand am meisten aus NRW (gut 60.000), gefolgt von Baden-Württemberg (37.000) und Bayern (35.000).

Prozentual zur Bevölkerung ergibt sich ein etwas anderes Bild. So verließen 2015 gut 0,3 Prozent aller deutschen Staatsbürger Berlin, 0,28 Prozent Hamburg und 0,27 Prozent Bayern in Richtung Ausland. In den neuen Bundesländern wanderten mit in der Regel nicht mehr als 0,1 Prozent nur wenige Bürger aus.


Prozentual gesehen stieg die Auswanderung aus den neuen Bundesländern dennoch mit Abstand am stärksten an, allein deshalb, weil bei der ersten Erhebung 1991 offenbar kaum jemand dort daran dachte, ins Ausland zu gehen. So wanderten damals gerade einmal 84 Bürger aus Mecklenburg-Vorpommern aus.

Seitdem hat die Auswanderung in fast allen Bundesländern angezogen und liegt heute ein Vielfaches wie nach der Wende. Einzige Ausnahme ist Niedersachsen, das 1991 mehr als doppelt so viele Auswanderer verzeichnete wie 2015. Auch das Saarland partizipierte mit plus zehn Prozent im Vergleich zu 1991 vergleichsweise wenig am Auswander-Trend.

Der Vollständigkeit halber muss jedoch gesagt werden, dass deutlich mehr Ausländer das Land verlassen als Deutsche, und das sowohl nach der Wende als auch heute. So verließ 1991 knapp eine halbe Million Nicht-Deutscher das Land, 2015 waren es dann fast 900.000. 2018 verzeichnete die Statistik, wie gesagt mit veränderter Methodik, über 920.000 Ausländer, die Deutschland verließen.

Diese Zahlen beinhalten alle Menschen, die je in Deutschland gemeldet waren, also etwa die vielen Studenten, die nach der Universität in ihre Heimat zurückkehren. Darauf deutet auch die Altersstruktur hin: Nahezu die Hälfte der ausländischen Auswanderer, die Deutschland verlassen, ist jünger als 30 Jahre.


Auch auf die deutschen Auswanderer lässt die Alters-Statistik Rückschlüsse zu. So waren 2015 etwa 25.000 von ihnen zum Zeitpunkt der Ausreise jünger als 18 Jahre, zogen also mutmaßlich mit ihren Eltern ins Ausland. Knapp 38.000 waren zwischen 18 und 29 Jahre alt, also in der Regel Studierende, Auszubildende oder Berufsanfänger. Beide Gruppen sind über die Jahre nur marginal gewachsen.

Zugenommen hat hingegen die Auswanderung in zwei anderen Gruppen: Deutsche, die mit 30 bis 49 Jahren mitten im Berufsleben stehen, wanderten 2015 annähernd doppelt so oft aus wie nach der Wende (siehe Grafik). Noch deutlicher ist der Trend bei älteren Menschen: Nach dem ihre Zahl zwischenzeitlich gesunken war, wanderten 2015 zweieinhalbmal so viele Senioren aus wie 1991. 2018 waren es gar mehr als dreimal so viele.

Wer auswandert, unterscheidet sich dabei nicht nur nach Bundesland und Altersklasse, sondern auch nach Geschlecht. So suchen in den Jahren 2007 bis 2015 mehr junge Frauen als Männer den Weg ins Ausland, etwa im Rahmen eines Erasmus-Semesters. Das spiegelt sich auch in der Statistik: Knapp 18.000 jungen Männern zwischen 18 und 29 Jahren standen 2015 gut 20.000 junge Frauen gegenüber. In der Folge kehrte sich der Trend auch hier um und mehr junge Männer als Frauen zogen ins Ausland.

Auswanderer nach Geschlecht und Alter


Ohnehin zeigt die Statistik, dass Männer deutlich auswanderungsfreudiger sind als Frauen. Gerade bei den älteren Auswanderern dominieren die Männer das Bild. So wanderten 2015 in der Gruppe der 30- bis 49-Jährigen fast ein Drittel mehr Männer aus als Frauen. Bei den Senioren sind es sogar fast 50 Prozent mehr.

Seit Jahren steht dabei die Schweiz ganz oben auf der Ziel-Liste deutscher Auswanderer. Gute 18.000 Deutsche zog es 2015 dorthin. Auf Platz zwei liegen die USA mit gut 13.000 deutschen Einwanderern, gefolgt von Österreich mit gut 10.000 Zuzügen.
Die Daten bedeuten jedoch nur auf den ersten Blick, dass Deutsche in Scharen das Land verlassen. Denn annähernd genau so viele Deutsche, wie auswandern, kommen Jahr für Jahr nach Deutschland zurück. So verließen 2015 zwar 138.000 deutsche Staatsbürger das Land. Im selben Zeitraum reisten jedoch auch 121.000 wieder zurück. Netto „verlor“ Deutschland also „nur“ gut 17.000 Bürger.

Und auch die waren lange nicht unbedingt dauerhaft verloren, sondern könnten schon bald zurück nach Deutschland kommen – und dann in der nächsten Statistik als Einwanderer auftauchen. So kamen 2015 fast so viele junge Erwachsene zurück nach Deutschland wie ausreisten. Und bei Rentnern war das Verhältnis gar umgekehrt: Zwar wanderten immer mehr von ihnen aus. Noch mehr über 65-Jährige zogen jedoch aus dem Ausland zurück nach Deutschland.

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Dieser Trend ist 2018 jedoch nicht mehr sichtbar: Den 13.500 Über-65-Jährigen, die das Land verließen, standen nur noch knapp 9000 Rückkehrer gegenüber. Das zeigt sich auch im generellen Wanderungssaldo 2018: Den 262.000 deutschen Auswanderern standen nur 202.000 deutsche Rückkehrer gegenüber.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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