Kohleausstieg Wohin die Kohle-Milliarden des Bundes fließen sollen

Kohle-Ausstieg: Wohin die Kohle-Milliarden des Bundes fließen Quelle: dpa

Der Kohleausstieg in Deutschland ist beschlossen und um Ärger zu vermeiden und neue Jobs zu schaffen, lässt der Bund ihn sich richtig viel kosten. Dazu soll es nun ein Gesetz geben. Das ist aber nur ein erster Schritt.

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Noch schaufeln die Bagger in den Braunkohlerevieren. Doch der Kohleausstieg kommt Schritt für Schritt, spätestens 2038 soll Schluss sein. Das Bundeskabinett will nun nach einigem Hin und Her erste Maßnahmen für den Strukturwandel auf den Weg bringen. Das soll kurz vor der Europawahl auch ein Signal an die Kumpel sein: Die Politik kümmert sich. Im Herbst finden wichtige Landtagswahlen auch in den Kohle-Ländern Brandenburg und Sachsen statt. Ein Überblick:

Der Ausstieg

Wenn Braunkohle zu Strom wird, entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Rund ein Drittel des Stroms kommt heute noch aus Kohlekraftwerken. Sie werden zwar ohnehin nach und nach vom Netz genommen, aber der Klimaschutz macht einen schnelleren Ausstieg notwendig. Eigentlich wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen. Eine Regierungskommission hatte sich Ende Januar darauf geeinigt, dass der Ausstieg spätestens bis 2038 abgeschlossen sein soll.

Die Hilfen

Zehntausende Arbeitsplätze hängen vor allem im Rheinland und in Ostdeutschland, in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier noch an der Kohle. Damit die Kohleregionen den Strukturwandel hinbekommen und neue Jobs entstehen, hilft der Bund den Kohleländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Insgesamt sind bis 2038 rund 40 Milliarden Euro vorgesehen. In einem Sofortprogramm gibt der Bund 240 Millionen Euro.

Diese Finanzhilfen sollen nach einem Schlüssel verteilt werden: Nordrhein-Westfalen mit dem Rheinischen Revier soll 37 Prozent bekommen, Brandenburg mit dem Lausitzer Revier 25,8 Prozent. Sachsen, in dem ein Teil des Lausitzer Reviers liegt sowie des Mitteldeutschen Reviers, erhält 25,2 Prozent - Sachsen-Anhalt mit einem Teil des Mitteldeutschen Reviers: 12 Prozent. Hilfen soll es aber auch für das Helmstedter Revier in Niedersachsen geben sowie für strukturschwache Standorte mit Steinkohlekraftwerken.

Im Kabinett geht es am Mittwoch um Eckpunkte für die Strukturhilfen - nicht um dem Kohleausstieg an sich. Die Eckpunkte sollen in ein „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ münden – der Bundesrat muss diesem sogenannten Rahmengesetz zustimmen. Kern soll ein „Investitionsgesetz Kohleregionen“ werden. Es soll festschreiben, dass der Bund den Ländern bis spätestens 2038 die Milliardenhilfen gewährt.

Geplant ist eine Bund-Länder-Vereinbarung – die Kohlekommission aber hatte eigentlich einen sogenannten Staatsvertrag vorgesehen, den nachfolgende Bundesregierungen nicht ändern können. Die Hilfen sind aber auch Bedingungen geknüpft. Dazu gehört eine Kofinanzierung von Projekten. Zur Koordinierung soll ein neues Gremium mit Vertretern aus Bund und Ländern geben.

Die Projekte

Die vier Kohleländer haben lange Listen mit Projekten an den Bund geschickt und für die Kohleregionen „Leitbilder“ erstellt. Das Lausitzer Revier etwa soll eine „Moderne und dauerhafte Industrie-, Innovations- , Energie- und Gesundheitsregion“ werden, das Rheinische Revier eine „Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit.“ Langfristig aber wird es vor allem darum gehen, möglichst viele neue, gleichwertige und gut bezahlte Industriejobs zu schaffen. Dafür jedoch müssen private Investoren gefunden werden, das geht nicht auf Knopfdruck. Ein Lieblingsprojekt von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist es, dass im Osten eine Batteriezellenfabrik gebaut wird.

Der Bund und die Länder konzentrieren sich zunächst darauf, die Infrastruktur in den Regionen zu verbessern. Es geht zum Beispiel um den Neu- oder Ausbau von Bahnstrecken und Straßen sowie um schnelles Internet. Außerdem sollen Forschungsinstitute und neue Bundesbehörden angesiedelt werden. Kritisiert wird aber, dass es beim Strukturwandel bisher keine klare Linie gibt, wie etwa der FDP-Energiepolitiker Martin Neumann bemängelt. Es fehle bei ein Schwerpunkt auf Bildung sowie Forschung und Entwicklung. „Union und SPD wollen Probleme mit möglichst Geld zuschütten.“

Die Probleme

Deutschland steigt bis Ende 2022 auch aus der Atomenergie aus, und nun bis 2038 auch aus der Kohle. Zwar gewinnen erneuerbare Energien aus Sonne oder Windkraft zunehmend an Bedeutung. Ein großes Problem aber ist der Ausbau der Stromnetze - denn die vor allem an der Küste produzierte Windenergie muss in die großen Verbrauchszentren im Süden transportiert werden. Dort stehen bisher noch Atomkraftwerke. Der Bau neuer Trassen aber kommt nicht voran, auch weil es vor Ort viele Proteste gibt.

Außerdem ist die Wirtschaft zunehmend verärgert, weil die Strompreise in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch seien. Deswegen hatte sich die Kohlekommission auf Drängen der Wirtschaftsvertreter darauf geeinigt, dass Privathaushalte und Unternehmen Wirtschaft ab 2023 von möglichen weiter steigenden Strompreisen entlastet werden sollen – Kostenpunkt: bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Die nächsten Schritte

Neben den Gesetzen zum Strukturwandel soll es auch eines zum eigentlichen Kohleausstieg geben – also zum Abschalten der Kraftwerke und Stilllegen der Tagebaue. Der Entwurf soll bis zum Sommer vorliegen. Gleichzeitig sollen andere Wege der Stromerzeugung gestärkt werden, zum Beispiel Gaskraftwerke. Die produzieren auch CO2, aber deutlich weniger als Kohlekraftwerke. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, also vor allem Windräder und Solaranlagen, soll ebenfalls vorangehen. Außerdem sollen Hilfen für Kohle-Kumpel kommen, die früher aus dem Job ausscheiden – dieses sogenannte Anpassungsgeld hatte auch die Kohlekommission vorgeschlagen.

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