Breitbandausbau Kommunen zerreißen GroKo-Pläne für schnelles Internet

Das GroKo-Ziel, allen Deutschen schnelles Internet zu ermöglichen, ist lobenswert. Dass jedoch jeder Bürger zugleich das Recht haben soll, diesen Anspruch einzuklagen, stößt auf scharfe Kritik.

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Kommunen zerreißen GroKo-Pläne für schnelles Internet Quelle: dpa

Berlin Die Pläne von Union und SPD für einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet stoßen bei den Kommunen auf entschiedene Ablehnung. „Ein Rechtsanspruch ab dem Jahr 2025 würde keine Probleme lösen. Ein solcher Rechtsanspruch würde sich – anders als bei der Kinderbetreuung – gegen den Bund richten, der nach dem Grundgesetz für die Schaffung auskömmlicher Telekommunikationsinfrastrukturen zuständig ist“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Handelsblatt.

Aus Landsbergs Sicht droht mit einem absehbaren Rechtsanspruchs zudem „im schlimmsten Fall ein Ausbau-Mikado“, wie er sagte. „Private Telekommunikationsunternehmen könnten mit dem Ausbau abwarten, bis sie durch den Gesetzgeber im Zuge des gesetzlichen Rechtsanspruchs den Auftrag zum Ausbau und eine finanzielle Entschädigung erhalten“, glaubt er. „Dies wäre unweigerlich der Abschied vom marktgetriebenen Breitbandausbau.“ Sinnvoll sei vielmehr, „den bisherigen Ausbau bis in die Straßen zu fördern und somit gemeinsam mit der neuen 5G-Technologie die beste Hebelwirkung zu erzielen“.

Union und SPD wollen den Anspruch aller Bürger auf einen Breitband-Anschluss ab 2025 festschreiben. „Dazu werden wir einen rechtlich abgesicherten Anspruch zum 1. Januar 2025 schaffen und diesen bis zur Mitte der Legislaturperiode ausgestalten“, heißt es in einem Teilentwurf des Koalitionsvertrags zu dem sogenannten Universaldienst-Anspruch. CDU, CSU und SPD wollen damit den flächendeckenden Zugang zum schnellen Internet ermöglichen – ein Ziel, dass sie bislang deutlich verfehlt haben. Bisher gibt es große Lücken beim Angebot etwa in ländlichen Gebieten. Dort sind die Anschlusskosten für die Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom am höchsten und dadurch wenig lukrativ.

Protest kam auch vom Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas). „Ein Rechtsanspruch auf einen Glasfaseranschluss ab 2025 ist nur die dialektisch schöne Formulierung für eine Universaldienstverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Heer. Dies sei nichts anderes als „ein Vertrag zu Lasten Dritter“. Die politische Zielrichtung, flächendeckend den Glasfaserausbau voranzubringen, sei richtig. Allerdings entstünde mit dem Zwangsausbau ein „bürokratischer Moloch“ der mit dem wettbewerbsgetriebenen Ausbau nichts mehr zu tun habe. „Da wird eine ganze Branche in Handschellen abgeführt und dazu verdonnert, für ein politisches Ziel zu bezahlen.“

Auch die Kommunen begrüßen das grundsätzliche Ziel einer neuen Großen Koalition, die Förderung des Breitbandausbaus voranzubringen und bis zum Jahr 2025 flächendeckend eine sehr leistungsstarke Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen. Bei der zukünftigen Förderung müssten jedoch vor allem die bislang unterversorgten Regionen profitieren und die dortigen Infrastrukturen ausgebaut werden, betonte Städtebund-Geschäftsführer Landsberg. „Daher wird es bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinien darauf ankommen, zwar Infrastrukturen auf Glasfaserbasis festzulegen, aber eine Förderung bis ins Haus nicht verbindlich festzuschreiben“, verlangte Landsberg. Dies würde sonst den Fokus des Ausbaus „unweigerlich in die ohnehin bereits vergleichsweise gut versorgten Ballungsräume verlagern“, warnte Landsberg.

Im Telekommunikationsgesetz ist der Universaldienst derzeit so geregelt, dass zunächst ein Bedarf bei der Bundesnetzagentur angemeldet wird. Diese prüft dann den Antrag und schreibt bei Zustimmung die vor Ort tätigen Unternehmen an und fordert sie auf, Angebote für den Anschluss eines Hauses oder Gebietes abzugeben. Meldet sich niemand oder werden nur Angebote zu hohen Preisen eingereicht, dann kann die Netzagentur ein oder mehrere Unternehmen zwangsverpflichten. Den Anteil der Mehrkosten des ausbauenden Unternehmens durch den Universaldienst ermittelt die Agentur und legt sie später auf alle Unternehmen gemäß ihres Marktanteils um.

Grundsätzlich halten es die Unternehmen nicht für realistisch, in so kurzer Zeit ein flächendeckendes Netz aufzubauen. Zum einen musste die alte Regierung bereits ihr Ziel aufgeben, bis Ende 2018 alle Haushalte mit Anschlüssen von mindestens 50 Megabit in der Sekunde zu versorgen. Zu spät kam das entsprechende Förderprogramm des Bundes, zu kompliziert war es.


„Wir brauchen für den Glasfaserausbau mehr als zehn Jahre“

Und obendrein fehlen die Kapazitäten im Tiefbau, bei den Fachmonteuren und den Planern. „Wir haben Knappheiten“, sagt Buglas-Geschäftsführer Heer. So werden bis Ende des Jahres gerade einmal eine der vier Milliarden Euro Fördergeld verbaut worden sein, wie Experten sagen. Wenn jetzt die Koalition bis 2021 zwölf Milliarden Euro Fördergelder vorsehen, dann steigen allenfalls die Preise. „Auf diese Art und Weise verschärfen sich die Probleme nur“, warnt Heer.

„Wir würden es nicht schaffen, zwölf Milliarden Euro zu verbauen“, warnt auch Jürgen Grützner, Geschäftsführer beim Telekommunikationsverband VATM, in dem sich die Wettbewerber der Deutschen Telekom organisiert haben. Auch Telekom-Chef Timotheus Höttges warnt und empfiehlt eine Summe von 1,5 Milliarden pro Jahr. Dem widerspricht allerdings Grützner. Wenn die Telekom nicht so lange auf der Bremse gestanden hätte und mit politischer Unterstützung lieber ihr altes Kupfernetz aufgerüstet hätte, wären die Kapazitäten an den Märkten längst geschaffen.

Die Bauunternehmen bräuchten Planungssicherheit. „Wir brauchen für den Glasfaserausbau mehr als zehn Jahre“, schätzt er. Er wirbt dafür, lieber die Nachfrage nach schnellen Datenleitungen zu erhöhen. „Man könnte Haushalte mit Vouchern unterstützen oder Schulen und Behörden schneller anschließen“, sagte er dem Handelsblatt. Davon hätte der gesamte Markt mehr.“

Auch Städtebund-Geschäftsführer Landsberg warnt: Ein flächendeckender Ausbau mit besonders schnellen FTTH-Verbindungen, bei denen die Glasfaserkabel bis in die Wohnung reichen, würde aufgrund der nicht unbegrenzt vorhandenen Baukapazitäten zu lange dauern. Experten gehen laut Landsberg von mindestens 15 Jahren aus. Eine deutschlandweite Verlegung von Glasfaser würde überdies rund 80 Milliarden Euro kosten. „Auch hier ist es daher wichtig, das Wünschenswerte vom Machbaren zu unterscheiden und ein realistisches Vorgehen nicht aus dem Blick zu verlieren“, betonte Landsberg.

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