Bremen-AfD nach Henkel-Rücktritt „Die AfD wird alle Facetten zur Geltung bringen“

Der Rücktritt von AfD-Bundesvize Henkel könnte den Richtungsstreit in der Partei zusätzlich befeuern - und das kurz vor der Bremen-Wahl. Der dortige Spitzenkandidat der Partei mahnt zur Geschlossenheit.

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Wohin steuert die AfD nach dem dem Rücktritt von Bundesvize Henkel? Quelle: dpa

Berlin Im Richtungsstreit der Alternative für Deutschland (AfD) hat sich der Spitzenkandidat der AfD für die Bremer Bürgerschaftswahl am 10. Mai, Christian Schäfer, gegen eine einseitige Ausrichtung der Bundespartei ausgesprochen. Er sei zuversichtlich, „dass wir im Juni einen neuen Vorstand wählen werden, der alle Facetten unserer Partei angemessen zur Geltung bringt“, sagte Schäfer dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Denn unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten eint uns der Wille, die Politik in unserem Land zum Besseren zu wenden.“

Schäfer äußerte sich, nachdem der stellvertretende AfD-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel am Donnerstagnachmittag seinen Rücktritt aus dem Bundesvorstand erklärt hatte. Henkel begründete seine Entscheidung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit Versuchen von „Rechtsideologen“, die Alternative für Deutschland zu übernehmen. Er sprach auch von charakterlichen Defiziten bei führenden Parteifunktionären.

Henkel betonte überdies, sollte es nicht zu einer „Klärung“ im Richtungsstreit seiner Partei kommen, drohe seiner Partei der Untergang. „Dann wird die AfD scheitern. Das ist meine feste Überzeugung“, sagte Henkel.

AfD-Bundeschef Bernd Lucke äußerte unterdessen in einem Rundschreiben an alle Mitglieder, es gebe „beunruhigende Entwicklungen in der Partei“. Es gebe Versuche, die „politischen Inhalte der AfD und ihren Politikstil in eine Richtung zu verschieben, vor der ich nur warnen kann“, schrieb Lucke. In der AfD schwelt seit Wochen ein Konflikt zwischen einem bürgerlich-liberalen Lager - zu dem Henkel und Parteichef Lucke gerechnet werden - und einem national-konservativen Lager, zu dem etwa der Brandenburger Landesvorsitzende Alexander Gauland gezählt wird.


Henkel keilt gegen Co-Parteichefin Petry

Schäfer bedauerte den Rücktritt Henkels. Er schätze den ehemaligen Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) als einen engagierten Mitstreiter, „der es in schwierigen Zeiten wagte, sich zu exponieren und Anfeindungen auszusetzen, obwohl es ihm persönlich keine Vorteile brachte“, sagte er. „Allerdings glaube ich auch, dass viel zu leichtfertig persönliche Animositäten und Meinungsverschiedenheiten zu einem Richtungsstreit überhöht und umgedeutet werden“, fügte Schäfer hinzu.

Während seines Wahlkampfes in Bremen seien bereits einige der Bundesvorstandsmitglieder und EU-Abgeordneten der AfD zu Gast gewesen, sagte Schäfer weiter. In der Regel habe er diese Gelegenheit auch zu ausführlichen persönlichen Gesprächen genutzt. „Dabei hatte ich immer wieder den Eindruck, dass die tatsächlichen inhaltlichen Differenzen viel geringer sind, als die oft lautstarken Auseinandersetzungen vermuten lassen.“

Auslöser des Henkel-Rücktritts war nach dessen Angaben der Umgang mit dem umstrittenen NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell. Von der Bundesspitze eingesetzte Prüfer hatten empfohlen, Pretzell solle wegen „privater chaotischer Zustände“ den Landesvorsitz niederlegen. Der Bundesvorstand schloss sich dem aber nicht an.

Henkel warf nun seinen Gegnern vor, die eigenen Sonderprüfer zu diskreditieren. „Hätte ein Politiker einer anderen Partei die Öffentlichkeit so oft mit Falschaussagen in die Irre geführt, wie hier der Fall, hätte nicht nur jeder von uns den sofortigen Rückzug dieses Politikers gefordert“, kritisierte er. Lucke stellte sich hinter Henkel: „Seiner Kritik an der öffentlichen Desavouierung der ehrenamtlichen Sonderprüfer schließe ich mich ausdrücklich an.“

Nach Angaben aus Parteikreisen warf Henkel der Vizechefin Frauke Petry vor, zugunsten Pretzells interveniert zu haben. Petry selbst erklärte, sie könne den Rückzug Henkels nachvollziehen. Jetzt sei es wichtig, alle innerparteilichen Strömungen einzubinden.


Streit um NRW-Landeschef löste Henkel-Rücktritt aus

Henkel erklärte: „Ich hoffe immer noch, dass wir unterschiedliche Auffassungen über den Kurs der Partei durch direkte Mitwirkung unserer Mitglieder überbrücken oder beilegen können.“ Damit bezog er sich auf den offenen Richtungsstreit.

Ausgelöst wurde dieser durch die sogenannte Erfurter Resolution von Vertretern des rechten Flügels. Dort wird unter anderem beklagt, die AfD habe „sich von bürgerlichen Protestbewegungen ferngehalten und in vorauseilendem Gehorsam sogar distanziert“. Damit wurde auf die islamkritische Pegida-Bewegung angespielt.

Die AfD-Chefs in Sachsen und Brandenburg, Petry und Gauland, hatten den Kontakt zu Pegida gesucht. In der Resolution wird auch der Vorwurf erhoben, die AfD passe sich immer mehr dem „etablierten Politikbetrieb an: dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes“.

Der wirtschaftsliberale Flügel reagierte auf die Erfurter Resolution mit einer „Deutschland-Resolution“. Dort wird den Kontrahenten vorgehalten, eine AfD „der flachen Parolen und schrillen Töne“ zu wollen. Die Erklärung wurde von Henkel mitentworfen.

Im Angesicht der immer größer werdenden Spannungen hatte sich AfD-Gründer Lucke im März erstmals eindeutig gegen den rechten Flügel gestellt. Derzeit läuft eine Online-Mitgliederentscheidung, bei der im Kern zwischen beiden Resolutionen abgestimmt werden soll.

Bis zum AfD-Parteitag im Juni soll das Ergebnis vorliegen. Dort will sich Lucke erneut als AfD-Chef zur Wahl stellen. Nach der bereits beschlossenen Parteireform soll die derzeitige Dreierspitze aus Lucke, Petry und Konrad Adam auf ein Führungsduo verkleinert werden. Im Dezember soll derjenige mit den meisten Stimmen automatisch alleiniger Parteichef werden.

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