Brigitte Zypries Die To-Do-Liste der neuen Wirtschaftsministerin

Den Freihandel vor Trump retten, die deutsche Wirtschaft digitalisieren und stärker in Afrika investieren. Brigitte Zypries hat viel vor als Wirtschaftsministerin, obwohl ihr nur acht Monate bleiben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die neue Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Quelle: dpa

Im Gespräch mit der kenianischen Ministerin fällt Brigitte Zypries kurz in ihre alte Rolle zurück. „Wir haben die modernste und fortschrittlichste Verfassung der Welt“, sagt Amina Mohamed, Außen- und Handelsministerin ihres Landes. „Wirklich – auch im Vergleich zu Deutschland“, fragt Bundeswirtschaftsministerin Zypries verblüfft und lacht. „Sie müssen wissen, dass ich früher mal die Justizministerin meines Landes war.“

Sieben Jahre leitete Zypries das Justizressort, zwischen 2002 und 2009 – erst unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, danach unter dessen CDU-Nachfolgerin Angela Merkel. Dann ging die SPD in die Opposition und Zypries verschwand in der zweiten Reihe. Viele Ex-Minister kehren von dort nie zurück, schon gar nicht in niedriger Position.

Anders Zypries: 2013 tritt die SPD in eine neue Große Koalition ein. Die Juristin bekommt aber keinen Ministerposten, soll stattdessen Staatssekretärin unter Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium werden. Eitelkeit oder Allüren, die viele andere wohl in diesem Moment gezeigt hätten, sind ihr fremd oder verbirgt sie. Zypries nimmt an und kümmert sich fortan um die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie Startups.

Als Gabriel vor zwei Wochen dann Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier im Auswärtigen Amt wird, rückt Zypries an die Spitze des Wirtschaftsressorts. Ihre erste Auslandsreise führt sie nun nicht etwa zu einem europäischen Partner wie Frankreich oder in die Vereinigten Staaten. Zypries fliegt in die kenianische Hauptstadt Nairobi, um den zweiten deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel zu eröffnen. „Ich will, dass Afrika endlich vorankommt“, sagt die Wirtschaftsministerin. Mehr Hermesbürgschaften, also die Absicherung von Investitionen deutscher Unternehmen, soll es geben. Und: Deutlich mehr Aufmerksamkeit für den Kontinent sowie „Politik aus einer Hand“.

Die Problemanalyse in Bezug auf Afrika beherrscht Zypries aus dem Effeff. „Von 400.000 deutschen Unternehmen, die global agieren, sind nur 1.000 in Afrika aktiv.“ Die deutsche Wirtschaft soll sich endlich stärker in Afrika engagieren. 5.000 Ausbildungsplätze für junge Leute will die deutsche Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren schaffen. Der Bedarf ist bei bis zu einer Million pro Jahr um ein Vielfaches höher.

Die Luft- und Raumfahrtindustrie bleibt Chefsache

Zypries kommt nicht nur mit Versprechungen und Zusagen nach Nairobi. Sie fordert auch Gegenleistungen. „Deutsche Unternehmen brauchen Rechtssicherheit.“ Oder anders formuliert: Kenia soll endlich gegen die Korruption im Land vorgehen. Im Korruptionsindex von Transparency International landet Kenia nur auf dem 136. Platz – bei insgesamt 176 Ländern. Das ostafrikanische Land muss sich anstrengen, dann bekommt es auch Unterstützung von der deutschen Wirtschaft und Politik. Gerne hätte Zypries das dem kenianischen Staatspräsidenten direkt gesagt. Doch der taucht beim Gipfel erst gar nicht auf – trotz Zusage.

Acht Monate bleiben der Wirtschaftsministerin nun in ihrem Amt bis zur nächsten Bundestagswahl. Sobald der designierte Wirtschaftsminister der Vereinigten Staaten Wilbur Ross im Amt ist, dürfte Zypries ihn zeitnah besuchen. Immerhin sind die USA noch vor Frankreich der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik. Wie wenig die Juristin von Donald Trump hält, hatte sie kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung deutlich gemacht. Sie hofft, dass der US-Präsident scheitern wird. „Auch in Amerika wird der Präsident irgendwann die Erfahrung machen, dass er für seine Politik Mehrheiten im Parlament braucht“, sagte Zypries in dem Interview. In den USA wird sie mehr Fingerspitzengefühl zeigen müssen – Trump hin oder her. Kritische Themen wie das Freihandelsabkommen TTIP, dem der neue Präsident ablehnend gegenübersteht, will sie dennoch ansprechen.

Und im Inland? Da wird Zypries da weitermachen, wofür sie als Staatssekretärin bereits zuständig war. Die Luft- und Raumfahrtindustrie bleibt Chefsache. Und die Digitalisierung der Wirtschaft ist ja ohnehin die Aufgabe schlechthin. Deutschland soll weltweit die führende Nation im Bereich „Industrie 4.0“ werden, also der Verzahnung von Maschinen und Industrieanalagen über das Internet. Und überhaupt Industrie: Es müsse allen klar sein, dass Deutschland eine Industrienation ist und bleibt. Dieses Bewusstsein will die Bundeswirtschaftsministerin stärken.

"Gabriel hinterlässt einen Trümmerhaufen"
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer Quelle: dpa
FDP-Chef Christian Lindner Quelle: dpa
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum (CDU) Quelle: dpa
Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner Quelle: dpa
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke Quelle: dpa
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach Quelle: dpa
Grünen-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt Quelle: dpa

Mit Trump, Digitalisierung und ihrer Afrika-Strategie hätte sie wohl ein Programm für eine volle Legislaturperiode vor sich. Doch im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Viele sehen Zypries ohnehin nur als Übergangsministerin. Doch neuerdings holt die SPD in den Umfragen dramatisch auf. Viele Sozialdemokraten glauben immer stärker daran, dass ihr Kandidat Martin Schulz ins Kanzleramt einziehen könnte. Wenn also die SPD auch weiterhin der Regierung angehören wird, macht dann auch Zypries weiter? Für den Bundestag kandidiert sie nicht erneut – eine Entscheidung, die feststeht, wie sie versichert. Nur muss ein Minister nicht auch Bundestagsabgeordneter sein. Brigitte Zypries könnte also länger bleiben als gedacht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%