Bund-Länder-Finanzreform Schäubles teurer Kompromiss

Das größte Reformvorhaben dieser Legislaturperiode ist doch noch gelungen. Doch Finanzminister Schäuble zahlt für die Einigung bei der Bund-Länder-Finanzreform einen hohen Preis. Immerhin gibt es ein paar Trostpflaster.

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Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (l-r,CDU), Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) im Bundeskanzleramt in Berlin. Quelle: dpa

Berlin So unterschiedlich kann die Laune nach einer langen Verhandlungsnacht sein. Im Kanzleramt auf dem Podium sitzt ein vergnügter Reiner Haseloff (CDU). „Das ist mindestens eine eins minus“, benotet der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt den gerade verkündeten Kompromiss bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Neben ihm sitzt Wolfgang Schäuble (CDU). Der Bundesfinanzminister sieht nicht ganz so zufrieden aus, spricht von einem „befriedigenden“ Ergebnis. Schäuble: „Bei uns in Baden-Württemberg sagt man: Nit gschimpft isch globt gnug.“

Fast die ganze Nacht hatten Kanzlerin Angela Merkel, Schäuble und die 16 Ministerpräsidenten im Kanzleramt in Berlin verhandelt. 13 Stunden lang saßen sie in verschiedenen Konstellationen zusammen, bevor man um 3 Uhr nachts mit einer Grundsatzeinigung auseinanderging, um dann am Freitagmorgen gleich wieder weiter zu sprechen. Der Gesprächsmarathon macht vor allem eines deutlich: Der Einigungswille war groß, die Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern wollten sich nicht die Blöße eines Scheiterns geben.

Und genauso fällt das Ergebnis aus, das Merkel, Schäuble und Co. am Freitagnachmittag im Kanzleramt präsentieren: Das Positivste ist, dass man sich überhaupt geeinigt hat. Das größte Reformvorhaben dieser Legislaturperiode ist im letzten Versuch doch noch gelungen. Doch vor allem für Schäuble und den Bund ist eine teure Einigung.

Der Bundesfinanzminister hatte das Projekt vor drei Jahren gestartet mit dem hehren Ziel, den verworrenen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern transparenter und einfacher zu machen. Der Steuerzahler sollte endlich besser nachvollziehen, wo wie viel Geld hinfließt. Die Kompetenzen sollten klarer geordnet werden, das ganze System effizienter werden.

Von all dem ist wenig geblieben. Das Konzept, auf das man sich verständigt hat, entspricht weitgehend dem Wunschmodell der Länder. Sie erhalten vom Bund ab dem Jahr 2020 rund 9,5 Milliarden Euro zusätzlich. Ursprünglich hatte Schäuble 8,5 Milliarden geboten. Doch die Aufstockung ist nicht mal das Hauptzugeständnis an die Länder. Sie haben vor allem ihr Ziel erreicht, dass der bisherige Finanzausgleich zwischen starken und schwachen Ländern weitgehend abgeschafft wird. Stattdessen muss der Bund die Länder über die Umsatzsteuer alimentieren. Genau das wollte Schäuble verhindern – was nicht gelang.

Die Länder hatten sich auf ihr Modell geeinigt und fortan 16:1 gegen Schäuble agiert. Der Bundesfinanzminister wies zwar ständig darauf hin, dass es eigentlich 1:1 steht – schließlich repräsentiert Schäuble die Hälfte der zur Verhandlungen stehenden Steuereinnahmen. Doch das zahlte sich bis zuletzt nicht in Verhandlungsmacht aus. Ein Grund: Merkel wollte unbedingt eine Einigung. Schäuble fehlten die Verbündeten. Kein Wunder, dass die Länder nun jubeln. Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) sprach von einer der härtesten Verhandlungen, an denen er teilgenommen habe. Er habe sein Ziel voll erreicht, dass Bayern, das derzeit die Hauptlast im Länderfinanzausgleich trägt, um eine Milliarde Euro entlastet werde.

Auch Merkel nannte die Gespräche im Kanzleramt eine „Kraftprobe“. Immerhin konnte Schäuble dabei ein paar Trostpflaster für den Bund herausholen. Zwar musste er das Finanzmodell der Länder weitgehend akzeptieren. Dafür aber stimmten die Ministerpräsidenten einigen Wünschen Schäubles zu.

Er hat durchgesetzt, dass die Zuschüsse vom Bund an die Länder über die Jahre nicht ganz so schnell anwachsen. Und er hat den Ländern eine Infrastrukturgesellschaft abgerungen, die künftig für die Fernstraßen im Lande zuständig sein soll – bisher war das Aufgabe der Länder, obwohl der Bund dafür zahlt. Zudem werden die Prüfrechte des Bundesrechnungshofs gestärkt und der Stabilitätsrat, der auch über das Finanzgebaren der Länder wacht, soll ebenfalls mehr Macht bekommen. 

Zudem darf Schäuble künftig auch Kommunen direkt helfen, wenn es um Investitionen in Schulen geht. Dort, wo der Bund zahlt, kann er also bald mehr mitreden. Die Details müssen für viele dieser Punkte aber noch verhandelt werden, immerhin sind dafür Grundgesetzänderungen nötig. Klar ist aber schon jetzt: Die neuen Kompetenzen und Mitspracherechte musste Schäuble teuer erkaufen.

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