Bund-Länder-Finanzverhandlungen Schäuble bringt neue Bewegung in Finanzreform

Bund und Länder treten bei den Verhandlungen über das künftige Finanzgeflecht seit langem auf der Stelle. Nach einem Spitzentreffen im Kanzleramt werden zumindest weitere Gespräche vereinbart.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich am Dienstag mit den Vertretern der Länder getroffen. Quelle: dpa

In den milliardenschweren Bund-Länder-Streit über die drängende Reform des Länderfinanzausgleichs kommt wieder Bewegung. Bei einem Treffen mehrerer Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag ein neues Konzept präsentiert, hieß es anschließend in Koalitionskreisen. Es sieht nach Informationen von Reuters unter anderem eine stärkere Berücksichtigung finanzschwacher Kommunen bei der Berechnung der Finanzansprüche der Länder vor. Mehr Geld auf den Tisch legen, um die reichen Geberländer, allen voran Bayern, zu entlasten, wolle Schäuble allerdings nicht.

"Es wird weiter gerechnet", sagte ein Koalitionsvertreter. An anderer Stelle im Regierungsbündnis hieß es, auch wenn es noch keinen Durchbruch gebe, sei es gut, dass überhaupt wieder miteinander gesprochen werde. Die Verhandlungen liegen seit einem halben Jahr auf Eis. Der Länderfinanzausgleich und der Solidarpaket II laufen Ende 2019 aus. Wegen der Bundestagswahl in einem Jahr drängt die Zeit für eine Anschlussregelung. Gelingt dies nicht, droht die Zeit in der kommenden Wahlperiode, auch wegen der komplizierten Gesetzgebung, knapp zu werden.

An dem Treffen mit Merkel nahmen unter anderem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Hessens Regierungschef Volker Bouffier, seine saarländische Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) sowie Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) teil. Hinzu kamen die Fraktionschefs und Finanzexperten der Koalition.

Im Kern dreht sich der Bund-Länder-Streit um die Frage, wer ab 2020 welchen Anteil an der Stärkung der finanzschwächeren Bundesländer tragen soll: der Bund oder wie bisher die reicheren Länder? In einem gemeinsamen Vorschlag von Ende 2015 wollten die Länder diese Aufgabe vor allem dem Bund zuschieben, der ab 2020 9,7 Milliarden Euro in das Ausgleichssystem pumpen solle. Schäuble und die Koalitionsfraktionen wollen dagegen die Länder nicht aus der gesamtstaatlichen Solidarität entlassen. Außerdem will Schäuble nicht mehr als 8,5 Milliarden Euro lockermachen.

Teilnehmer sagten, Schäubles neuer Vorschlag sehe vor, dass die reichen Länder in der Mitverantwortung blieben, der Bund aber mehr Aufgaben übernehme - allerdings ohne die Grenze von 8,5 Milliarden Euro zu überschreiten. Demnach schlug Schäuble vor, auf der ersten Stufe des Finanzausgleichs - der Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen - künftig auch die Finanzkraft der Kommunen zu berücksichtigen. Dies würde vor allem Ländern wie NRW zugutekommen, deren Gemeinden unter hohen Lasten ächzen.

Der eigentliche Finanzausgleich der Länder untereinander soll in Schäubles Konzept an Bedeutung verlieren, was dem reichen Bayern entgegenkäme, das eine Entlastung fordert. Eine spezielle Regelung für Ostdeutschland ist in dem neuen Modell, über das auch das "Handelsblatt" berichtete, nicht vorgesehen. Allerdings soll es für Länder mit finanzschwachen Kommunen eine neue Sonderzuweisung des Bundes geben, wovon vor allem der Osten profitieren würde. Die finanzschwachen Länder Saarland und Bremen sollten jeweils 400 Millionen Euro extra bekommen, jeweils zur Hälfte vom Bund und von den Ländern.

In der Koalition hieß es, die Gespräche sollten kommende Woche fortgesetzt werden. Der Finanzausgleich soll die unterschiedliche Steuerkraft der Länder glätten und für annähernd gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland sorgen. Dazu werden, von den Bürgern unbemerkt, gewaltige Summen verschoben: 2015 wurden zwischen den Ländern Umsatzsteuereinnahmen von 7,9 Milliarden Euro umgeschichtet. Hinzu kamen weitere 9,6 Milliarden Euro im eigentlichen Länderfinanzausgleich. Zusätzlich steuerte der Bund 3,8 Milliarden Euro bei.

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