Fast jede zweite neu geschaffene Stelle in Deutschland geht an einen Ausländer. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die der WirtschaftsWoche vorliegen, sind bis April 2016 binnen eines Jahres 681.000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland entstanden.
376.000 davon gingen an Einheimische, ein Jahresplus von 1,4 Prozent. Einwanderer heuerten allerdings auf die übrigen 305.000 Stellen an, elf Prozent mehr.
Unter den Nichtdeutschen kamen besonders oft Arbeitnehmer zum Zug, die seit der Osterweiterung 2004 zur EU gehören (darunter Polen, Bulgaren, Rumänen und Balten). Sie besetzten 171.000 der neuen Jobs oder 21,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der fest beschäftigten Flüchtlinge steigt deutlich.
Zuwanderer aus traditionellen Asylbewerberstaaten, etwa vom westlichen Balkan sowie aus dem Nahen und Mittleren Osten, fanden mehr als 50.000-mal eine feste Stelle, ein Zuwachs von 13,8 Prozent. Inzwischen sind 31,3 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Lage der Jobcenter - und wie der Bund das Problem beheben will
Rund 930 000 Menschen in Deutschland sind länger als ein Jahr arbeitslos. Der soziale Missstand besteht seit Jahren hartnäckig. Schon 2014 legte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorschläge vor, um das Dickicht der Verfahren in den Jobcentern zu lichten. Am 3. Februar 2016 soll ein neues Gesetz ins Kabinett kommen, dass die Verfahren für Langzeitarbeitslose reformieren soll.
Erste Erfolge verzeichnen die Jobcenter schon vor der Entbürokratisierung: Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt: Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose sank trotz neuer Programme in den vergangenen zwei Jahren von knapp 140.000 auf 84.000.
Hunderttausende Flüchtlinge treffen bald auf Jobcenter und Arbeitsmarkt. Die Jobcenter sollen besser gewappnet sein als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das mit Asylentscheidungen nicht nachkommt. 2800 vom Bund bewilligte Stellen für die Flüchtlingsbetreuung wurden auf dem Papier schon auf die Regionaldirektionen verteilt. Die Einstellungen laufen. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, rechnet mit bis zu 200.000 arbeitslosen Flüchtlingen. Der CDU-Sozialexperte Karl Schiewerling verspricht: „Wir wollen die Flüchtlinge integrieren, aber die Langzeitarbeitslosen dabei nicht vernachlässigen.“ Für den Chef der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), ist zentral: „Wir dürfen die deutschen Arbeitslosen jetzt nicht vergessen, weil die Flüchtlinge da sind.“
Die große Frage zum Arbeitsmarkt 2016 dürfte werden: Wie schnell gelingt Flüchtlingen der Schritt zum Job, zur Integration? „Viele Flüchtlinge sind besonders motiviert, den Sprung in eine Beschäftigung, Ausbildung oder ein Studium bei uns zu schaffen“, stellen die Spitzenverbände von Industrie, Arbeitgebern und Handwerk gemeinsam fest - sprechen aber ernüchtert von in der Regel fehlenden Deutschkenntnissen und Qualifikationen.
Ministerin Nahles will Flüchtlinge auch über Ein-Euro-Jobs für öffentliche Aufgaben an den Arbeitsmarkt heranführen. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer sagt, Flüchtlinge müssten gleichzeitig in Betrieben Erfahrung sammeln, Deutsch lernen und oft noch besondere Unterstützung bekommen. Sie meint: „Das ist unter den derzeitigen Bedingungen kaum möglich.“
Um die Verfahren zu vereinfachen und die Mitarbeiter in den Jobcentern zu entlasten, sollen Hartz-IV-Leistungen zum Lebensunterhalt künftig in der Regel nicht mehr nur für sechs, sondern für zwölf Monate bewilligt werden. „Also muss die Einkommenssituation seltener überprüft werden“, sagt die SPD-Sozialexpertin Katja Mast. Auch andere einfachere Abläufe brächten mehr Zeit für Vermittlung statt für Verwaltung.
„Wir wollen die Integrationsbetriebe für Langzeitarbeitslose öffnen“, sagt Schiewerling. Bisher werden solche Firmen - aus Handwerk, Handel, Gastronomie, Dienstleistungen - vor allem für die Beschäftigung von Schwerbehinderten gefördert. „Menschen, die bisher kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, sollen sich leichter tun, in einem normalen Arbeitsrhythmus Fuß zu fassen“, sagt Schiewerling.
Jobs für Arbeitslose mit besonders geringen Chancen wegen fehlender Abschlüsse oder Gesundheitsproblemen sollen länger gefördert werden können - etwa Ein-Euro-Jobs für gemeinnützige Arbeit in Kommunen. Bisher dauern sie in der Regel höchstens zwei Jahre. „Es gibt Menschen, die haben solche Hemmnisse auf dem Buckel, dass zwei Jahre nicht reichen“, sagt Weiß. Außerdem sollen Beiräte von Arbeitgebern und Gewerkschaften mehr Einfluss haben beim Urteil, ob so ein Job eine reguläre Stelle verdrängt - oder vielleicht doch nicht.
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