Bundesbankpräsident Axel Weber "Kein Problem der gesamten Währungsunion"

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Bundesbankpräsident Axel Weber Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Besteht angesichts der geringen Kapazitäts-auslastung die Gefahr einer Deflation, also eines dauerhaften Rückgangs des Preisniveaus?

Die Deflationsdiskussion, die mit der Finanzkrise aufkam, war überzogen. Im Sommer vergangenen Jahres rutschte die Teuerungsrate für ein paar Monate in den negativen Bereich. Aber das war in erster Linie auf das kräftige Auf und Ab der Energiepreise zurückzuführen. Die Reaktionen der Notenbanken in der Krise haben gezeigt, dass wir dem Risiko einer Deflation, das man bei einem so starken Wirtschaftseinbruch grundsätzlich nicht ausschließen kann, entschieden entgegengetreten sind und dass wir dazu auch über die geeigneten Instrumente verfügen. Wichtig ist, dass die Notenbanken eine geldpolitische Strategie verfolgen, die längerfristig orientiert ist und symmetrisch auf Inflations- und Deflationsrisiken reagiert.

Experten klagen, dass es schwer ist, die Kapazitätsauslastung am aktuellen Rand richtig zu messen.

Grundsätzlich gibt es das Risiko, die dämpfenden Effekte der Wirtschaftskrise auf das langfristige Produktionspotenzial zu unterschätzen. Schreibt man zu hohe Wachstumsraten des Produktionspotenzials in die Zukunft fort, dann entsteht der Eindruck, dass man erst sehr spät zu einer normalen Auslastung der Kapazitäten zurückkehrt. Damit unterschätzt man die Inflationsrisiken, und angesichts der Vorlaufzeiten der Geldpolitik ist dann die Gefahr groß, dass monetäre Bremsmanöver zu spät eingeleitet werden. In den Siebzigerjahren war das einer der Gründe für das Anziehen der Inflation. Deshalb greift das Euro-System auf einen sehr breiten Analyserahmen mit realwirtschaftlichen und monetären Indikatoren zurück, um die Konjunkturlage zu beurteilen.

Müssen wir uns nach der Finanzkrise auf dauerhaft niedrigere Wachstumsraten einstellen?

Wir sollten uns keiner Illusion hingeben: Der langfristige Trend, mit dem die Wirtschaft wächst, hat sich abgeflacht. Nach dem historischen Einbruch können wir das Wachstumspotenzial der Vorkrisen-Jahre nicht einfach extrapolieren. Wir gehen davon aus, dass sich für Deutschland der langfristige Wachstumstrend im Gefolge der Krise von nicht ganz 1,5 Prozent nahezu halbiert hat. Das bedeutet, dass bereits Wachstumsraten von unter einem Prozent dazu beitragen, die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung zu erhöhen. Daher werden Inflationsprozesse in Zukunft wohl schon bei niedrigeren Wachstumsraten auftreten als in der Vergangenheit. Die Notenbanken wissen das und werden dies bei ihren geldpolitischen Entscheidungen berücksichtigen.

Wenn die Wirtschaft im Trend schwächer wächst, müssen Sie dann nicht auch den Geldmantel enger schneidern?

Für die Abschätzung des adäquaten Geldmengenwachstums ist nicht nur der langfristige Wachstumstrend wichtig. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig das Portfolioverhalten der Anleger ist. Es beeinflusst die Übertragungsmechanismen geldpolitischer Impulse, etwa wenn Fehlentwicklungen auf den Vermögensmärkten auf die Realwirtschaft und damit auf Preise und Output zurückwirken. Hier ist schwer abzuschätzen, wie die Krise sich langfristig auswirkt. Ich sehe darin eine große Herausforderung für die geldpolitischen Strategien der Notenbanken.

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