Bundesbankpräsident Axel Weber "Kein Problem der gesamten Währungsunion"

Bundesbankpräsident Axel Weber warnt davor, die Inflation hoffähig zu machen, und fordert die Notenbanken dazu auf, künftige Risiken schneller zu erkennen und gezielter zu bekämpfen.

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Bundesbankpräsident Axel Weber Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Professor Weber, Griechenland hat ein massives Schuldenproblem, der Euro neigt schon zur Schwäche – bekommen wir jetzt eine Weichwährung?

Weber: Die Schwierigkeiten, in denen Griechenland zurzeit steckt, sind kein Problem der gesamten Währungsunion. Allein schon deshalb ist der Euro keine Weichwährung und wird auch keine werden. Für die für uns Zentralbanken wichtige Kaufkraft der Bürger kommt es ohnehin auf die gesamte Preisentwicklung an, bei der der Außenwert nur ein Einflussfaktor ist. Und hier gilt: Wir werden Preisstabilität auch in Zukunft gewährleisten, dafür sprechen sowohl das Mandat als auch die bisherige Erfolgsbilanz des Euro-Systems.

Griechenlands Staatsschulden sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Viele Deutsche fürchten, hohe Staatsschulden führen über kurz oder lang quasi automatisch zu einer höheren Inflation, zumal den Regierungen höhere Teuerungsraten gerade recht kämen, um die hohen Staatsschulden wegzuinflationieren.

Inflation ist kein verantwortbarer Weg zur Entschuldung. Zum Schuldenabbau muss die Finanzpolitik selbst auf den Konsolidierungspfad einschwenken, und das nicht nur in Griechenland. Dies gilt umso mehr, als Geldpolitik und Finanzpolitik einander beeinflussen. Eine unsolide Finanzpolitik trägt dazu bei, dass sich mittelfristig höhere Inflationserwartungen bilden. Dann müssen die Notenbanken einen restriktiveren Kurs in der Geldpolitik fahren, damit die Inflationserwartungen auf niedrigem Niveau verankert bleiben. Es liegt daher im ureigenen Interesse aller Regierungen, dass sie die im Stabilitäts- und Wachstumspakt kodifizierte Pflicht einhalten, für langfristig tragfähige Defizite und Schuldenstände zu sorgen.

Aber der Stabilitätskonsens zwischen Notenbanken und Regierungen, auf den Sie verweisen, droht zu erodieren.

Ich bin sicher, dass der Konsens bestehen bleibt. Der Anstieg der Defizite in den Staatshaushalten ist eine Folge der Finanzkrise. Die Regierungen mussten mit steigenden Ausgaben und niedrigeren Steuern dem Wirtschaftseinbruch entgegenwirken, um ein noch viel stärkeres Abtauchen der Konjunktur zu verhindern. Insofern spiegelt der Anstieg der Defizite in den Staatshaushalten die Krise wider und ist nicht die Folge eines allgemeinen Sinneswandels in der Finanzpolitik. Regierungen und Notenbanken stimmen überein, dass man nach dem Ende der Krise aus den expansiven Maßnahmen wieder aussteigen muss. Das wird man zügig auf den Weg bringen müssen. An unserer Verpflichtung auf die Gewährleistung von Preisstabilität gibt es jedenfalls nichts zu rütteln.

Deswegen haben Sie vermutlich auch so heftig auf den Vorschlag des Chefvolkswirts des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, reagiert, der mit der ketzerischen Frage verbunden war, ob vier Prozent Inflation wirklich schlimmer seien als zwei Prozent.

Ich halte diesen Vorschlag in der Tat für grob fahrlässig und schädlich. Schon der frühere Bundesbankpräsident Otmar Emminger sagte über die Inflation, „wenn man mit ihr flirtet, so wird man schließlich von ihr geheiratet“. Würden wir jetzt in Reaktion auf die Krise eine Diskussion über höhere Inflationsziele beginnen, verspielten wir das Vertrauen der Bevölkerung und der Finanzmärkte. Zudem: Die Vorteile niedriger Inflation sind so evident, dass man sie nicht einer vermeintlich größeren Flexibilität in der Geldpolitik opfern sollte. Der Handlungsspielraum der Geldpolitik war in der Krise ohnehin nie ernsthaft eingeschränkt. Die Erfahrung zeigt, dass Inflation mit hohen Kosten verbunden ist.

Welche sind das?

Bei Inflation steigen die Preise nicht gleichmäßig, vielmehr kommt es zu Verzerrungen im Preisgefüge, was gerade bei hoher Inflation Ineffizienzen und Wachstumseinbußen zur Folge hat. Ein höheres Inflationsziel würde außerdem die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken erodieren und die langfristigen Inflationserwartungen erhöhen. Viele Verträge, etwa Tarifverträge, beruhen auf nominalen Vereinbarungen, die bei steigenden Inflationserwartungen nach oben angepasst würden. Das beschleunigt die Inflationsdynamik dann weiter. Dort, wo Löhne nicht rasch genug angepasst werden können, drohen reale Kaufkraftverluste. Inflation wirkt damit wie eine zusätzliche Steuer. Auf der Angebotsseite kommt es ebenfalls zu Problemen, wenn Preise, Zinsen und Mieten nicht ausreichend flexibel sind.

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